EU-Gipfel in Brüssel Wer verfolgt welche Interessen beim Abschlussgipfel?
Wieder einmal ist Angela Merkels Verhandlungsgeschick gefragt: Beim EU-Gipfel am Donnerstag prallen ganz verschiedene Interessen zum Thema Verfassung aufeinander, die sie als Ratspräsidentin koordinieren muss. Einen Überblick über die Standpunkte der einzelnen Mitgliedsstaaten finden Sie hier.
Spanien und Luxemburg wollen den Verfassungsvertrag so wenig wie möglich ändern. Das hat einen ganz einfachen Grund: In beiden Ländern wurde das Vertragswerk mit großer Mehrheit vom Volk ratifiziert. Spanien war früher ebenfalls Gegner der doppelten Mehrheit, ist inzwischen jedoch ebenso wie alle anderen EU-Staaten dagegen, das "institutionelle Paket" noch einmal aufzuschnüren.
Polen will vor allem verhindern, dass die "doppelte Mehrheit" kommt, der das Land nach langem Widerstand in der Verfassung bereits zugestimmt hatte. Die qualifizierte Mehrheit für die meisten EU-Beschlüsse soll demnach erreicht sein, wenn 55 Prozent der Regierungen zustimmen, die 65 Prozent der Bevölkerung vertreten. Polen will die Mehrheit hingegen an die Bevölkerungszahl koppeln und durch die Berechnung mit der Quadratwurzel erreichen, dass große Staaten wie Deutschland weniger, kleinere Staaten aber vergleichsweise mehr Stimmen bekommen.
Tschechien ist ebenso wie Polen gegen die doppelte Mehrheit, vertritt diese Haltung aber weniger entschlossen.
Großbritannien, Frankreich und die Niederlande wollen auf jeden Fall verhindern, dass der neue Grundlagenvertrag nach den Änderungen noch immer aussieht wie eine Verfassung. Sie wollen so vermeiden, dass das Vertragswerk noch einmal vom Volk bestätigt werden muss. Irland muss als einziges EU-Land alle Änderungen der EU-Verträge per Referendum ratifizieren.
Großbritannien will den Übergang von Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen in Bereichen wie Justiz und Innere Sicherheit so weit wie möglich verhindern. Die Briten sind auch gegen eine eigene Rechtspersönlichkeit der EU, die dieser beispielsweise den Beitritt zu internationalen Organisationen ermöglichen könnte.
Belgien, die Niederlande und Luxemburg lehnen ebenso wie Deutschland künftige Erweiterungen der EU ab, sofern bis dahin immer noch der Nizza-Vertrag gilt, der maximal 27 EU-Staaten vorsieht. Polen und Großbritannien hingegen halten Erweiterungen durch kleine Vertragsänderungen für möglich.
Deutschland ist als derzeitige Ratspräsidentschaft aufgefordert, ständig nach Kompromissen zu suchen.
(Quelle: dpa)