Saarland Frauenhäuser im Saarland hoffen auf Gewalthilfegesetz
In den vier AWO-Frauenhäusern im Saarland gibt es 33 Zimmer für von Gewalt betroffene Frauen. Nicht immer können sie direkt aufgenommen werden. Um das Angebot ausbauen zu können, braucht es laut der AWO eine Mitfinanzierung durch den Bund – die könnte durch das geplante Gewalthilfegesetz sichergestellt werden.
Martina Kind
Die vier AWO-Frauenhäuser im Saarland haben in diesem Jahr bislang 29 Hilfe suchende Frauen wegen Platzmangels nicht direkt aufnehmen können. Das hat die Bereichsleiterin der Frauenhäuser, Mascha Nunold, dem SR mitgeteilt. Insgesamt bieten die Frauenhäuser in Neunkirchen, Saarbrücken, Saarlouis und Völklingen 33 Zimmer für Frauen, die von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sind, und ihre Kinder.
Das ist viel zu wenig: Nach dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ("Istanbul-Konvention") sollen Schutzplätze für Frauen und Kinder "in ausreichender Zahl" zur Verfügung stehen. Für Deutschland, das sich verpflichtet hat, die Konvention umzusetzen, werden 2,5 Plätze für Frauen und Kinder auf 10.000 Einwohner empfohlen.
Die Quoten in allen Bundesländern liegen darunter – das Saarland landet mit einer Quote von 0,6 zusammen mit Sachsen-Anhalt sogar auf dem letzten Platz.
Auslastung in Saar-Frauenhäusern seit Jahren hoch
Schon seit Jahren sei die Auslastung in den saarländischen Frauenhäusern hoch, sagt Nunold. "Stand heute sind noch drei Zimmer frei, die belegt werden können." Darüber hinaus gebe es ein Notaufnahmezimmer im Frauenhaus Saarlouis, das vergeben werden könne, wenn alle Standorte voll belegt sind – so lange, bis ein reguläres Zimmer wieder frei oder ein freier Platz in einem Frauenhaus in einem anderen Bundesland gefunden werde.
"Manche Klientinnen überbrücken die Zwischenzeit auch, indem sie vorübergehend bei der Familie oder bei Freunden unterkommen", erzählt Nunold. Je nach Situation und Gefährdungslage berät die AWO zudem zu der alternativen Möglichkeit, einen Eilantrag auf Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen, um etwa ein Näherungsverbot oder eine Zuweisung der Wohnung zu beantragen. "Wichtig ist, dass alle Frauen in ihrer Situation beraten werden und Unterstützung finden."
Gewalthilfegesetz wichtig für Frauenhäuser
Nunold hofft deshalb auch, dass das geplante Gewalthilfegesetz der Bundesregierung durchgesetzt wird. "Es braucht eine bundeseinheitliche und verlässliche Finanzierung der Frauenhäuser, um Frauen ungeachtet ihrer Lebenssituation, ihres Einkommens oder ihres Aufenthaltsstatus niedrigschwellig und kostenfrei aufnehmen zu können, wenn sie Gewaltschutz und Hilfe benötigen."
Auch im Saarland müssten Frauen ihren Aufenthalt im Frauenhaus derzeit noch selbst bezahlen, wenn sie keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. "Verfügen sie zudem über kein eigenes Einkommen, können wir den Aufenthalt nur im Einzelfall und über wenige Wochen über unsere AWO-Stiftung unterstützen. Dies steht dem notwendigen Schutz und der nötigen Hilfe konträr gegenüber."
Rechtsanspruch auf Hilfe und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen
Nach dem Koalitions-Bruch ist jedoch unklar, ob das Gewalthilfegesetz im Bundestag vor den Neuwahlen im Februar noch eine Chance hat. Mit dem Gesetz will der Bund Frauenhäuser mitfinanzieren und den Zugang für Frauen zu Schutz und Beratung in Fällen von häuslicher Gewalt durch einen Rechtsanspruch sichern.
Nach Angaben von Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) gibt es bundesweit aktuell rund 350 Frauenhäuser, 100 Schutzwohnungen und 600 Beratungsstellen. Das reiche vor allem auch angesichts der Zunahme von Straftaten gegen Frauen nicht aus. Am Dienstag hatten Paus und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erstmals einen Lagebericht zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen präsentiert.
Danach ist die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr weiter gestiegen. 360 Frauen sind durch einen Femizid gestorben. Im Saarland gab es 2023 so viele Femizide und versuchte Tötungsdelikte wie seit zehn Jahren nicht: Sieben Mal ist eine Frau von einem Mann getötet worden, weil sie eine Frau ist. Zwei Mal versuchte ein Mann eine Frau im Saarland zu töten.
"Der Lagebericht bietet allerdings nur das Hellfeld ab – aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass die Dunkelziffer bei Gewaltstraftaten gegen Frauen sehr viel höher ist", sagt Nunold. "Insbesondere bei partnerschaftlicher Gewalt ist die Hemmschwelle, die Taten zur Anzeige zu bringen, extrem hoch."
In der kommenden Woche soll der Gesetzentwurf im Kabinett eingebracht werden. Für eine Mehrheit bräuchte es aber die Stimmen der Union. Das scheint unwahrscheinlich. Die familienpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Silvia Breher (CDU), verwies auf einen eigenen Antrag der Union, der in eine ganz ähnliche Richtung gehe.
Frauenhäuser: "Kriseneinrichtungen mit Übergangscharakter"
Wichtig ist laut Nunold aber auch, dass im Saarland ausreichend bezahlbare Wohnungen zur Verfügung stehen – aktuell ist das Saarland einer Studie zufolge auch beim sozialen Wohnraum bundesweites Schlusslicht.
"Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist verschärft – insbesondere für alleinerziehende Frauen. Wenn Frauen aus unseren Frauenhäusern schneller ausziehen könnten, wenn sie ausreichend stabilisiert und bereit dazu sind, wäre natürlich auch wieder mehr Luft zur Aufnahme neuer Klientinnen da", sagt Nunold. Die AWO bemühe sich daher, gute Netzwerke mit Wohnungsbaugesellschaften und privaten Vermietern aufzubauen.
Denn Frauenhäuser seien nicht für Langzeitaufenthalte gedacht. "Frauenhäuser sind Krisen- und Schutzeinrichtungen mit Übergangscharakter", erklärt Nunold. Die Mehrheit der Frauen im Saarland bleibe drei Monate dort, bis sie in eine eigene Wohnung ziehen. Das 2023 gestartete und vom Land finanzierte Projekt "Second Stage" soll ihnen beim Übergang vom Frauenhaus in die eigene Wohnung helfen.
Damit sie auch eine bezahlbare Wohnung finden, nimmt die AWO Mietangebote entgegen, unter der Mailadresse: secondstage@lvsaarland.awo.org.
Finanzierung der Frauenhäuser im Saarland – aktuelle Lage
Das Saarland und die kommunalen Träger der Sozialhilfe tragen dem Frauenministerium zufolge die Kosten für das psychosoziale Betreuungspersonal in den Frauenhäusern. Die Förderung erfolge pauschal und damit unabhängig von der tatsächlichen Belegung.
Das Land bezahle im Rahmen einer Vereinbarung zur Anteilsfinanzierung rund ein Drittel der Kosten, die Landkreise und Regionalverband Saarbrücken übernehmen gemeinsam etwa 70 Prozent. Im Jahr 2024 beträgt der Landesanteil an den Betreuungskosten der vier Frauenhäuser dem Ministerium zufolge rund 310.000 Euro, der Anteil der Kommunalen Träger rund 690.000 Euro.
Generell müssten die Frauen die Kosten der Unterkunft selbst tragen. Es gebe allerdings Unterstützung abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit. So übernehme je nach Situation auch der zuständige Sozialhilfeträger diese Kosten, die landesweit einheitlich 20,30 Euro pro Tag und Person betragen. Im vergangenen Jahr waren laut Ministerium vier Bewohnerinnen Selbstzahlerinnen und 18 Teilselbstzahlerinnen.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 23.11.2024 berichtet.