Kommentar Der Streit ums saubere Auto
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Neulich im belgischen Privatfernsehen. Die Autoindustrie hat einen Beitrag über einen internationalen Autosalon gesponsort. Willfährige Moderatoren befragen gelackte Manager. Filmberichte zeigen, wie edle deutsche Limousinen mit Stern bei Tempo 200 über die Straßen brettern oder britische Allrad-Monstren über Stock und Stein schaukeln. Toll. Wir erfahren viel über Ledersitze, sportliche Schaltungen und wie schön Autofahren immer noch ist und wieviel Freiheit und Abenteuer und so weiter. Aber die willfährigen Moderatoren fragen die gelackten Manager nicht, wieviel Sprit diese großen Super-Autos eigentlich verbrauchen. Klar: Für diejenigen, die sich solche Karossen leisten, sind Spritpreise meist Peanuts.
Aber man hätte von einer modernen Automobilindustrie in Zeiten nicht abreißender Stürme eigentlich schon erwarten können, dass sie offensiv das Thema des Benzinverbrauchs aufgreift. Der normale Verbraucher fragt danach – notgedrungen, aus Sorge um das Klima, oder wenigstens aus Sorge um den eigenen Geldbeutel. Wer so hartnäckig zu einem so wichtigen Thema schweigt, der will etwas verbergen. Autos, die sich PS-mäßig mühelos an die Spitze der europäischen Flotten setzen können, tuckern – so scheint es – in Umweltfragen hinterher.
Zum Glück gibt es Europa
Das Gute an Europa ist: Es eröffnet neue Blickwinkel. Wenn in Deutschland über Grenzwerte für Auto-Abgase allein mit Blick auf nationales Recht gestritten würde, dann wäre jede Regierung gegen die Front der Automobilhersteller machtlos. Weniger Arbeitsplätze und höhere Kosten für Autos: Zwei Killer-Argumente, die jede innenpolitische Diskussion ersticken würden.
Zum Glück gibt es Europa. Zum Glück für den deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel. Der SPD-Politiker kämpft - auch gegen Widerstand in der Bundesregierung - tapfer für schärfere Grenzwerte beim Ausstoß von Klimagasen. Zentrales Argument: Alle Schwüre der Autoindustrie, durch Selbstverpflichtung saubere Motoren zu bekommen, seien ins Leere gelaufen. Also will Gabriel das auf EU-Ebene gesetzlich regeln, was die Autobranche an Grenzwerten eigentlich freiwillig erreichen wollte. Es blieb beim Vorsatz. Also muss Europa handeln.
Schärfere Grenzwerte als Chance
Ein Blick in die Nachbarländer zeigt, dass andernorts sehr viel gelassener über das Thema nachgedacht wird. Andernorts hat man ohnehin mehr auf kleine Pkw gesetzt, auf Rußfilter. Andernorts gibt es umweltschonende Tempolimits. Aus europäischem Blickwinkel stellen sich die pfeilschnellen Super-Karossen der deutschen Edel-Hersteller eher als Dinosaurier in der Autowelt dar. Deren Schicksal in der Weltgeschichte ist ja bekannt.
Schärfere Grenzwerte für Autoabgase will EU-Umweltkommissar Stavros Dimas jetzt durchsetzen. Sie wären auch eine Chance – gerade für die europäische Autoindustrie. Die Atmosphäre wird überall vergiftet, die Treibstoffpreise steigen auch überall. Wer sparsame, saubere Motoren anbieten kann, der hat den Markt der Zukunft für sich - und die Arbeitsplätze.
Diese Argumente führt auch die EU-Kommission im Munde. Mal sehen, wie mutig sie bleibt, wenn es um Taten geht. Denn intern liefern sich Umweltkommissar Dimas und Industriekommissar Günter Verheugen ein hartes Ringen um den richtigen Weg. Und ausgerechnet der wachsweiche Kommissionspräsident José Manuel Barroso wird es am Ende richten müssen. Barroso predigt jeden Tag, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden müsse. Das kann sich schnell ändern, wenn seine Gönnerin Angela Merkel ihn in den Beichtstuhl ruft.