Regulierung des neuen VDSL-Netzes EU-Kommission verklagt Deutschland
Deutsche Internet-Nutzer sollen nach dem Willen der EU-Kommission beim VDSL-Netz zwischen Anbietern wählen können. Die Behörde kündigte eine EuGH-Klage an, weil das neue Telekom-Gesetz aus ihrer Sicht eine "Regulierungspause" für den Ex-Monopolisten vorsieht. Die Telekom will nun ihre VDSL-Pläne überdenken.
Die EU-Kommission verklagt Deutschland im Streit um das seit Jahresanfang geltende Telekommunikationsgesetz. Das umstrittene Gesetz nimmt das neue schnelle Internet-Netz der Telekom (VDSL) über mehrere Jahre hinweg von der Überwachung durch die Regulierungsbehörde aus. Die Kommission hatte dazu bereits vor Monaten ein Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrags eingeleitet. Brüssel sieht eine rechtswidrige Begünstigung des Bonner Konzerns. Die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist die letzte Stufe des Verfahrens. Der EuGH könnte nun Änderungen an dem deutschen Gesetz erzwingen.
"Wir wollen sicherstellen, dass Deutschland von einem gesunden und voll funktionierenden Markt profitiert", begründete Wettbewerbskommissarin Viviane Reding den Schritt der Behörde. "Deshalb haben wir heute entschieden, vor Gericht zu ziehen."
Die Deutsche Telekom hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Internet-Kunden an Anbieter wie Alice, Arcor oder Versatel verloren. Der Wettbewerb ließ die Preise stark sinken. Die EU-Kommission befürchtet, dass die potenziellen künftigen Kunden, die verstärkt das schnelle VDSL nachfragen dürften, keine Wahl haben werden und die Preise der Telekom akzeptieren müssten. Sie besteht daher darauf, dass der Zugang zum VDSL-Netz staatlich reguliert werden muss.
Bundesregierung hält Vorwürfe für "unbegründet"
Die Bundesregierung bleibt trotz der EuGH-Anrufung bei ihrem Kurs. "Wir halten die Vorwürfe weiterhin für unberechtigt und sehen jetzt der Klage gelassen entgegen", sagte ein Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Man setze darauf, vor Gericht Recht zu bekommen. Vorwürfe, die Bundesregierung wolle das Gesetz nicht ändern, weil sie den Aktienkurs der Deutschen Telekom in die Höhe treiben wolle, bezeichnete die Sprecherin als "völlig abwegig". Die Telekom erklärte, sie halte das Gesetz "für EU-konform".
Telekom stellt eigene Pläne in Frage
Das Unternehmen kündigte daraufhin an, ihre Investitionen in das Glasfasernetz noch einmal zu überdenken. Der Vorstandsvorsitzende der Festnetzsparte T-Com, Timotheus Höttges, sagte, man werde die Entscheidung sorgfältig analysieren "und überprüfen, inwieweit unsere Investitionspläne in Frage gestellt werden". Das Unternehmen stehe heute bereits in einem scharfen Infrastrukturwettbewerb, der Investitionen in neue Märkte notwendig mache. "Diese müssen sich rentieren. Die aktuelle Entscheidung scheint dies deutlich in Frage zu stellen", erklärte Höttges weiter.
Unternehmen verweist auf hohe Investitionen
Die Telekom errichtet derzeit ein Hochgeschwindigkeitsnetz auf Basis der VDSL-Technik, das Daten mit mehr als 50 Megabit pro Sekunde und damit acht Mal so schnell übertragen kann wie der heutige DSL-Standard. Es soll bis Ende 2008 in 50 deutschen Städten verlegt sein und nach bisheriger Planung rund drei Milliarden Euro kosten. Wegen dieser hohen Investitionen will die Telekom das Netz zumindest eine Zeit lang ausschließlich selbst benutzen.
Üblicherweise ist der Ex-Monopolist verpflichtet, seine Infrastruktur auch anderen Anbietern zur Verfügung zu stellen. Über die Konditionen dafür entscheidet die Bundesnetzagentur. Im Falle des VDSL-Netzes leistet das neue Gesetz aber der Telekom Schützenhilfe. Demnach sind neue Märkte, zu denen der Bonner Konzern die Glasfaser zählt, übergangsweise von der Regulierung befreit. Die Netzagentur selber sieht allerdings derzeit in dem Netz alleine keinen neuen Markt - womit nach ihrer Lesart die bestehenden Regeln greifen und die Telekom reguliert würde.
Mit einer Entscheidung des EuGH rechnen Beobachter frühestens in einem Jahr.