Wegen Kuss zweier Frauen 14 Länder verbieten Disney-Film
Weltweit läuft gerade der neue Animationsfilm "Lightyear" an - allerdings nicht in mehreren arabischen Ländern. Sie stören sich an einem Kuss zweier Frauenfiguren.
Noch bevor die Titelmusik von "Lightyear" in irgendeinem Kino der Welt erklang, wurde bei "Al Jazeera" aufgeregt über den Film diskutiert - in Videoschalten quer durch die arabische Welt. Besonders weit auseinander gingen die Meinungen in dem in Katar beheimateten Fernsehsender allerdings nicht.
Die prominente Schauspielerin und Synchronsprecherin Salwa Abdelwahab etwa zeigt sich geschockt: "Was ich sagen kann ist, dass so etwas sehr, sehr gefährlich ist für die Kinder und deren empfindliche Seelen. Wir zerstören die Unschuld der Kinder und das ist eine Gefahr für deren Entwicklung." Ob das nun Teil der Mission des tragischen Helden und Raumschiffpiloten Buzz Lightyear ist? Wohl kaum.
Film widerspreche Normen und Traditionen
Die Erziehungsexpertin Soha Tabbal appelliert bei "Al Jazeera" an die Verantwortung der Eltern. Kinder dürften durchaus tolerant erzogen werden, doch alles habe seine Grenzen: "Ich respektiere, wenn jemand beispielsweise eine andere Meinung hat als ich." Sie erziehe ihre Kinder auch dahingehend, etwa Menschen anderer Hautfarbe oder sozialer Schichten zu respektieren. "Aber wenn es um etwas geht, das gegen unsere Natur oder gegen unsere Normen und Traditionen ist, dann muss ich dem Kind den rechten Weg weisen."
Im Fall der Disney-Produktion "Lightyear" dürfte das nicht nötig werden, denn 14 Länder wollen den Film nicht zeigen. Der Computer-Animationsfilm erzählt die Geschichte des bereits aus "Toy Story" bekannten Weltraumhelden Buzz Lightyear, der irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein scheint und den gesellschaftlichen Veränderungen nicht mehr richtig folgen kann. So gesehen eine Parallele zu jenen, die den Film wegen der Kussszene zwischen zwei weiblichen Zeichentrick-Charakteren tabuisieren. Dabei ist der Kuss des Anstoßes im Film nur ein kurzer Schmatzer.
Verbote unter anderem in Bahrain und Syrien
Ursprünglich hatte Disney die Szene aus dem Film herausgeschnitten, nach Protesten der Belegschaft aber wieder eingefügt. Zu Recht, meint der Schauspieler und Disney-Podcaster Dwayne Tan. Er sagt:
Dieser Kuss ist sehr wichtig, um zu verstehen, was dem Helden Lightyear im Leben fehlt. Deshalb sagt Disney: Der Film kann nur als Ganzes gezeigt werden. Wenn einige Länder meinen, sie könnten den Film nur zeigen, wenn die Szene herausgeschnitten wird, dann wird es den Film dort eben nicht zu sehen geben.
Verboten wird der Film unter anderem in Bahrain, im Irak, in Jordanien, Kuwait, dem Libanon, Oman, Katar und Syrien. Eltern, die bereits in Chatgruppen ihre Sorgen vor einer sexuellen Orientierungslosigkeit ihres Nachwuchses teilten, dürften erleichtert sein. Die religiösen Sittenwächter sowieso. Laut dem Internetportal "Al Monitor" sehen höchste religiöse Stellen einen - so wörtlich - "systematischen teuflischen Plan zur Normalisierung der Homosexualität" in muslimischen Gesellschaften, zum Beispiel eben durch Filme wie "Lightyear".
Drachen in Regenbogenfarben beschlagnahmt
Für Disney ist die Diskussion um "Lightyear" durchaus ärgerlich. Erst am 8. Juni startete der Konzern seinen Kanal Disney-Plus in 16 Ländern im Nahen Osten und Nordafrika. Das Ziel: nach Netflix zweitgrößter Streaminganbieter in der Region zu werden.
Doch nicht nur "Lightyear" schürt die Angst der Machthaber vieler Staaten vor diversen sexuellen Orientierungen. Selbsternannte Gottgesandte oder gewählte Wächter von Sitte und Moral - viele sehen auch bei den Farben der Regenbogenflagge rot. So wurde aus Syrien in dieser Woche berichtet, dass hunderte Kinderdrachen in Regenbogenfarben beschlagnahmt wurden.
Auf einem Twitter-Account der Regierung von Saudi Arabien ist zu sehen, wie Mitarbeiter des Handelsministeriums in traditionellen Gewändern in einer Shopping Mall verschiedene Waren aus dem Verkehr ziehen: Bevor diese ihre - nach offizieller Ansicht - giftige Botschaft aussenden könnten: "Wir stellen Verstöße gegen die öffentliche Moral sicher. Eindeutige so wie diese, aber auch angedeutete wie das hier." Dabei wird zunächst auf ein Set künstlicher Fingernägel in Regenbogenfarben gezeigt und dann auf die entsprechende Kartonverpackung.
Ob nun die Diskussion um Regenbogenfarben oder den Disney-Film "Lightyear": Es gibt Beobachter, die meinen, manchen Regierungen in der Region kämen diese Themen gerade recht. Um abzulenken von steigenden Brot- und Spritpreisen - und möglichen Impulsen, dagegen auf die Barrikaden zu gehen.