Akteure im Konflikt Wer mischt mit in Nordsyrien - und warum?
Seit Jahren ist der Norden Syriens umkämpft. An dem Krieg beteiligen sich verschiedene Akteure mit völlig unterschiedlichen Interessen. Wer sind sie, und welche Motive verfolgen sie? Ein Überblick.
Die Freie Syrische Armee
Die Freie Syrische Armee (FSA), die sich jetzt "Syrische Nationale Armee" nennt, ist der bewaffnete Arm von Teilen der syrischen Opposition. Sie gründete sich im Jahr 2011 unter anderen aus Deserteuren der Assad-Armee. Ihr Ziel ist der Sturz der Assad-Regierung.
Im Laufe des Syrienkriegs gewannen dschihadistische Gruppierungen auf Seiten der Aufständischen immer mehr an Stärke und drängten die FSA zurück. Hilfe bekommt die FSA aus der Türkei, denn diese unterstützt die syrische Opposition.
Immer häufiger tritt die FSA als militärischer Akteur gegen die Kurden auf. Beobachter bezeichneten sie nur noch als Markennamen, unter dem verschiedenste Gruppierungen gegen die Kurdenmiliz YPG kämpfen. Viele sind seit langem verfeindet mit der YPG - auch weil den Kurden im Syrienkrieg oft vorgeworfen wurde, aus eigenen Autonomieinteressen heraus Assad stillschweigend zu dulden und dadurch seine Handlanger zu sein.
Die YPG
Die YPG ist der bewaffnete Arm der syrisch-kurdischen Partei PYD. Sie strebt nach Selbstverwaltung in einem föderal strukturierten Syrien. In ihrer Region im Norden und Osten des Landes, die sie Rojava nennen, versprechen die Kurden den Angehörigen anderer Volksgruppen und Konfessionen volle Gleichberechtigung. Rojava macht mittlerweile ein Drittel des Gebietes Syriens aus.
In und um Afrin wohnen vor allem Kurden. Die YPG ist dort die stärkste militärische Kraft. Afrin ist aber territorial nicht mit Rojava verbunden, sondern isoliert und damit verwundbar. Ob die PYD und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in der Türkei als dieselbe Organisation gelten können, ist umstritten.
Die PYD betont ihre Eigenständigkeit, und Experten bezweifeln, dass sie täglich Befehle von der PKK erhält. Vielmehr habe sie ihre eigene Agenda und Prioritäten. Personell und ideologisch gibt es aber unbestreitbar weiterhin enge Verbindungen. Im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) war die YPG sehr erfolgreich. Von den USA wurde sie dabei aus der Luft unterstützt.
Die Regierung von Präsident Assad
Die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad hat die Operation der Türkei im syrischen Afrin als "groben Überfall" bezeichnet. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana zitierte Assad mit den Worten, dieses Vorgehen sei nicht von der Politik des "türkischen Regimes" zu trennen, das seit dem ersten Tag der Syrien-Krise auf der Unterstützung von Terrorismus beruhe.
Die syrische Regierung und die Türkei sind klare Gegner im Syrienkrieg. Die Türkei unterstützt verschiedene oppositionelle Gruppen, deren Ziel der Sturz des syrischen Präsidenten Assad ist. Dieser bezeichnet alle Aufständischen - unabhängig davon, ob sie einen dschihadistischen Hintergrund haben oder nicht - als Terroristen.
Die kurdischen Autonomiebestrebungen wurden von Assad bislang aus kriegstaktischen Gründen geduldet - so durften die Kurden bereits vor der Autonomieerklärung von "Rojava" zum Beispiel ihren eigenen Checkpoints und Schulen unterhalten.
Fraglich ist, ob Assad auch in Zukunft die Kurden duldet. Sein Ziel dürfte sein, langfristig auch die kurdischen Gebiete auf syrischem Boden wieder zu seinem Territorium zu machen. Er hat nur momentan zu viele andere Kriegsschauplätze.
Die Türkei
Die Türkei ist ein langjähriger Unterstützer verschiedener syrischer Oppositionsgruppen. Die Interessen der Türkei in Syrien sind die Absetzung von Präsident Assad und die Unterdrückung jeglicher Autonomie der Kurden - letzteres vor allem, um den Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im eigenen Land keinen Auftrieb zu geben. Denn die syrisch-kurdische PYD (deren bewaffneter Arm die YPG ist) wird in der Türkei als Ableger der PKK gesehen - und deshalb als Terrororganisation bezeichnet.
Zunehmend misstrauisch beobachtete die Türkei, wie die Kurden im Norden Syriens - genauso wie im Irak - ihre autonomen Zonen ausweiteten. Deshalb geht sie nun militärisch in Afrin vor.
Die Offensive bringt für die Türkei jedoch große Herausforderungen mit sich. So dürfte unter anderem das Verhältnis der Türkei zu den USA stark beschädigt werden. Denn die USA kooperieren mit der YPG im Kampf gegen den IS. Somit stehen sich jetzt zwei Verbündete der USA - der NATO-Partner Türkei und die YPG - direkt gegenüber.
Die USA
Im Kampf gegen den IS in Syrien setzen die USA vor allem auf das Bündnis SDF - die Syrischen Demokratischen Streitkräfte (Syrian Democratic Forces). Das Bündnis wird von der kurdischen YPG geführt. Beim Kampfeinsatz am Boden erwiesen sich gerade die syrischen Kurden als äußerst fähige Kraft. Die Amerikaner unterstützen die SDF mit etwa 2000 Mann - vor allem Spezialkräfte und Ausbilder.
Aus der Luft hilft die von den USA geführte internationale Anti-IS-Koalition. Kürzlich teilte ein US-Offizier mit, dass man auf Basis der SDF eine 30.000 Mann starke Einheit aufbauen werde, die die Grenzen des von den syrischen Kurden gehaltenen Gebiets ("Rojava") schützen werde.
Zwar zog US-Außenminister Rex Tillerson diese Äußerung schnell wieder zurück und stellte sie als "Missverständnis" dar. Doch auf die Türkei wirkte der Plan wie ein rotes Tuch. Präsident Erdogan setzte seine Armee in Gang.
Trotzdem werden die USA ihre Soldaten nicht aus Syrien abziehen. Denn sie wollen Russland und dem Iran nicht das Feld überlassen. Die fortdauernde US-Präsenz in Syrien bedeutet, dass die USA bei allen Verhandlungen über eine Friedenslösung nicht übergangen werden können.
Die drei Präsidenten Rouhani, Putin und Erdogan in Sotschi. Nicht nur Russland, sondern auch dem Iran hat es Assad zu verdanken, dass er nicht gestürzt wurde.
Russland
Russland ist ein enger Bündnispartner der syrischen Regierung und hat Präsident Assad seit September 2015 unter anderem durch zahlreiche Luftschläge in von Aufständischen gehaltenen Gebieten unterstützt. Im jüngsten Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden hält sich Russland bedeckt. Man sei besorgt über die türkische Militäroperation, hieß es aus Moskau. Wegen der Offensive in Afrin hat Russland seine Soldaten aus der nordsyrischen Region abgezogen - um ihre Sicherheit zu gewährleisten, so das russische Verteidigungsministerium.
Russland sitzt ein wenig zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite sehen die Kurden in Russland einen potenziellen Freund und appellierten an den Kreml, zu intervenieren und die Türkei zu stoppen. Russland hatte eine Konferenz für kurdische Vertreter aus der Türkei, Syrien, dem Irak und Iran abgehalten. Auch erstellte Moskau gemeinem mit der syrisch-kurdischen PYD einen Entwurf für eine neue syrische Verfassung. Andererseits: In den vergangenen Monaten näherten sich Russland und die Türkei an. Bei einem Treffen bezeichneten sich Putin und Erdogan gegenseitig als "Freunde".
Das türkische Außenministerium hatte vor Beginn der Offensive den russischen Botschafter einberufen, um ihn über die Militäroperation zu informieren. Berichten zufolge soll Russland der Türkei grünes Licht für den Afrin-Einsatz gegeben haben - sehr zum Ärger der Kurden. Doch Russland hat ein anderes Interesse: Das Verhältnis der Türkei zu den USA dürfte durch die jüngste Offensive deutlich leiden - auch wenn die Türkei ebenfalls die USA über den Einsatz in Nordsyrien informiert hatte, bevor sie die Offensive startete.
Iran
Für die Volksaufstände im Zuge des "Arabischen Frühlings" im Jahr 2011 hatte die iranische Regierung viel Verständnis - doch für den Aufstand in Syrien nicht. Die Basis der engen Partnerschaft zwischen Damaskus und Teheran wurde bereits vor der iranischen Revolution 1979 gelegt. Bis heute liegt es im Interesse der Iraner, dass Baschar al-Assad an der Macht bleibt. Über Damaskus erhält die pro-iranische Hisbollah im Libanon Waffen und Geld aus dem Iran.
Nicht nur Russland, sondern auch dem Iran hat es Assad zu verdanken, dass er nicht gestürzt wurde. Teheran gibt Kredite, schickt Elitesoldaten, rekrutiert und bezahlt schiitische Söldner aus Pakistan und Afghanistan. An den Fronten in Syrien wird häufig der iranische General Soleimani gesichtet. Er ist ein mächtiger Kommandeur der Quds-Einheit, die Spezialeinsätze im Ausland durchführt.
Sowohl in Syrien als auch im Irak kämpfen die Iraner gegen den IS und andere sunnitische Dschihadisten. Ein durchaus vom Iran gewünschter Effekt ist, dass nun zwischen dem Land am Golf und dem Mittelmeer eine Landbrücke entsteht, die sich nicht nur für Waffenlieferungen, sondern auch für den Handel nutzen lässt - und zur Projektion der wachsenden Macht der Iraner in der Region.