Israel feiert 75-jähriges Bestehen Feierlaune und Krisenstimmung
Israel feiert seine Staatsgründung vor 75 Jahren. Doch die politische Krise wegen der umstrittenen Justizreform, die die Regierung von Ministerpräsident Netanyahu umsetzen will, überschattet die Feierlichkeiten.
Oft sind Kampfflugzeuge am Himmel über Israel ein eher bedrohliches Zeichen. Heute, am Unabhängigkeitstag, waren sie für viele Israelis ein Zeichen der Freude und wurden mit Applaus gefeiert. Bei der Flugshow, die an vielen Orten des Landes zu sehen war, war erstmals auch ein Kampfjet der Bundeswehr dabei - als Ausdruck der deutsch-israelischen Freundschaft.
Nach dem Jüdischen Kalender vor genau 75 Jahren hat David Ben Gurion in Tel Aviv den Staat Israel ausgerufen. Viele Menschen kamen zu Paraden und Konzerten zusammen oder feierten mit Freunden.
Zum Beispiel Jenna Zadaka, die noch gar nicht so lange Israelin ist. "Heute ist das für mich besonders und bedeutsam", sagt sie. Vor zwei Jahren sei sie mit der Familie aus Amerika eingewandert. "Wir wollten Teil der jüdischen Nation sein. Das ist Israels Unabhängigkeitstag - und Israel ist der Ort, an dem wir gedeihen und wirklich als Juden leben können", sagt Jenna weiter.
Israel - ein "Mosaik" der Kulturen und Religionen
Am Vormittag hatte Staatspräsident Herzog 120 Soldatinnen und Soldaten für besondere Leistungen ausgezeichnet. Dabei betonte er die Vielfalt Israels:
In diesen Zeiten der Zwietracht müssen wir uns daran erinnern: Das israelische Mosaik, wo wir Argumente, Stimmen, Meinungen und Positionen im Überfluss haben, ist keine Schwäche. Das wunderbare israelische Mosaik mit Juden, Muslimen, Christen, Drusen und Tscherkessen. Die Religiösen, die Säkularen, die Traditionalisten und die Ultraorthodoxen. Alte Israelis und neue Einwanderer, Menschen aller Ansichten und Lebensstile. Dieses Mosaik ist unsere besondere Kraft - das ist unser Wunder.
Zehntausende bei Protesten auf der Straße
Doch deutlich wurde bei diesen Feierlichkeiten auch, dass viele Israelis sich zurzeit Sorgen um ihr Land machen. Die Pläne der Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu für eine Justizreform haben die Spaltung im Land vergrößert.
Schon am Dienstagabend waren in Tel Aviv wieder Zehntausende auf der Straße, auch im Laufe des heutigen Tages gab es an mehreren Orten Proteste. Viele Menschen machen sich Sorgen, ob Israel mit der geplanten Schwächung des Obersten Gerichtshofes noch ein demokratischer Rechtsstaat bleibt.
Doch heute war den allermeisten eher zum Feiern zumute - wie Samantha Green aus Tel Aviv: "Das ist ein Feiertag, wir feiern den Geburtstag unseres Landes und dass wir ein Land haben. Aber nicht das, was gerade politisch passiert." Die politische Krise sei sehr kompliziert und eine große Herausforderung. "Aber wir ehren diese Sache namens Israel mit all seinen Schwierigkeiten. Das heißt nicht, dass wir nicht ein Land wären und nicht vereint. Es gibt eine Krise, und die werden wir überwinden. Wir kommen schon wieder zusammen - und wissen auch wie", zeigt sich Samantha überzeugt.
Palästinenser erinnern an Vertreibung und Zerstörung
Eine Feier der anderen Art fand in Homesh, im besetzen Westjordanland, statt. Homesh ist ein sogenannter Außenposten und steht auf privatem palästinensischen Land. Der Oberste Gerichtshof hat, nach der Ankündigung der Netanyahu-Regierung, Homesh zu legalisieren, den Abriss der dortigen Gebäude angeordnet.
Dort feierte unter anderem der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich, der vor ein paar Wochen die - so wörtlich - "Ausradierung" einer palästinensischen Stadt im Westjordanland gefordert hatte.
Den Menschen in den palästinensischen Gebieten und auch vielen palästinensischen Israelis war überwiegend nicht nach Feiern zumute. Sie erinnerten an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender Palästinenser in den Jahren um die Staatsgründung Israels und danach - und an die Zerstörung von mehr als 400 palästinensischen Dörfern.