Kandidaten für Wahl des Premiers Ein Hauch von Veränderung in Japan
Wer wird Japans neuer Premierminister? Die Antwort auf diese Frage ist offen wie nie. Gleich neun Kandidaten bewerben sich parteiintern auf die Nachfolge des scheidenden Premiers - was beispiellos ist.
Schon Anfang Oktober könnte es einen neuen Regierungschef oder eine -chefin in Japan geben. Dass der oder die von der LDP (Liberal Democratic Party) kommen wird, ist praktisch klar. Die Partei hat seit ihrer Gründung 1955 fast ununterbrochen die Regierung gestellt. Und doch muss sich die Partei ein Stück weit neu erfinden, um auch in Zukunft an der Macht zu bleiben.
Der japanische Premierminister Fumio Kishida hatte im August überraschend seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur für die Führung der LDP angekündigt. Bis heute mussten alle Bewerber auf seine Nachfolge die notwendigen 20 Stimmen aus der Partei bekommen, um aufgestellt werden zu dürfen. Entsprechend läuft ab heute quasi der Wahlkampf.
Kandidat ohne Skandale gewünscht
Gesucht wird ein Kandidat oder eine Kandidatin, die in keinen der zahlreichen Skandale in der jüngeren Vergangenheit verwickelt war. Damit ist vor allem die Parteispendenaffäre innerhalb der LDP gemeint, aber auch die mindestens zweifelhaften Verbindungen zur Moon-Sekte.
Da das gar nicht so einfach ist, blieb der Parteiführung gar nichts anderes übrig als für den Parteivorsitz ein offenes Rennen für alle zu propagieren. Dramatisch und bedeutungsschwer wie nie zuvor heißt es in der Parteiwerbung: "Nach wem verlangt diese Ära?"
Beliebt und erfahren oder jung und telegen
Glaubt man den aktuellen Umfragen des öffentlich-rechtlichen Senders NHK, lautet die Antwort darauf: Shigeru Ishiba. Mit seinen 67 Jahren steht der frühere Verteidigungsminister sicher nicht für einen Generationenwechsel, aber seine Beliebtheit in der Bevölkerung ist groß.
Er versucht zum fünften Mal, LDP-Chef zu werden, und genau darin liegt das Problem: Die Leute mögen ihn, die eigene Partei aber seit jeher weniger. Und über den Vorsitzenden entscheidet nun einmal zunächst jede Partei selbst.
Auf annähernd ähnliche Popularitätswerte kommt Shinjiro Koizumi. Sein Vorteil: Er ist erst 43, telegen, ist bislang durch keinerlei Skandale aufgefallen, hat eine Frau, die als TV-Moderatorin ebenfalls beliebt ist und im Rampenlicht steht, und es fehlt ihm auch nicht an Rückhalt in seiner konservativen Partei. Denn sein Vater Junichiro war einer der beliebtesten japanischen Regierungschefs seit der Nachkriegszeit.
Und doch gibt es nicht wenige innerhalb der LDP und der japanischen Öffentlichkeit, die dem früheren Umweltminister zu wenig politische Erfahrung nachsagen und bei allem Charisma einen allenfalls überschaubaren Intellekt unterstellen. Derartige Angriffe kontert Koizumi bisweilen aber sehr smart und verweist darauf, dass er das Land ja nicht allein zu führen gedenke. Einen so jungen Premierminister gab es in Japan noch nie.
Eventuell erstmals eine Premierministerin
Vielleicht wird Japan aber auch erstmals von einer Frau regiert. Das wäre in der erzkonservativen LDP wirklich eine Zeitenwende. Sanae Takaichi steht in der Partei weit rechts und probiert nun zum zweiten Mal, an die Macht zu kommen.
Die aktuelle Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit würde die Visionen und Ansichten des früheren Premiers Shinzo Abe fortführen wollen. Sie will Japan nach eigenen Angaben stärker und reicher machen. Zur Not vermutlich auch, indem sie den politischen Druck auf regierungskritische Medien erhöht. Das hatte sie als Innenministerin unter Abe schon einmal versucht.
Mit Außenministerin Yoko Kamikawa hofft eine weitere Frau auf den Parteivorsitz. Sie hat sich zwar nie etwas zuschulden kommen lassen und wird für ihre politische Arbeit hochgeschätzt, ihr fehlt es aber auch an Bekanntheit und Unterstützung innerhalb der Partei. Sie brauchte lange, um überhaupt genügend Abgeordnete hinter sich zu versammeln und nominiert zu werden.
Inhaltlich sehr unterschiedliche Vorstellungen
Die Kishida-Nachfolgekandidaten haben höchst unterschiedliche Vorstellungen, wie sie Japan innen- und außenpolitisch neu aufstellen wollen. Es geht zuvorderst um Geldpolitik, die Nutzung von Atomkraft oder das Verhältnis zu China. Und alle müssten sich wohl mit dem Gedanken anfreunden, mit einer möglicherweise von Donald Trump geführten US-Regierung zusammenzuarbeiten.
Bis zum 27. September haben die neun Kandidaten nun Zeit, Werbung in eigener Sache zu machen. Dann wählen LDP-Abgeordnete und lokale Parteimitglieder ihren neuen Vorsitzenden. Dabei wird wohl kein Kandidat und keine Kandidatin gleich im ersten Wahlgang die Mehrheit bekommen.
Auch das ist ein Zeichen für den sanften Hauch von Veränderung, den wohl alle LDP-Mitglieder und Japan in diesen Tagen spüren dürften.