Einwohner gehen in Hama auf die Straße, um die Rebellen zu begrüßen

Assad-Gegner rücken in Syrien vor Hama zwischen Freude und Furcht

Stand: 06.12.2024 01:14 Uhr

Eine Woche nach Beginn ihrer Offensive in Syrien sind die Aufständischen in die wichtige Stadt Hama einmarschiert. Während die einen feiern, fürchten die anderen den Vormarsch der Islamisten.

Mit Jubel, Hupen und Applaus wurden sie in Hama begrüßt. Die islamistischen Aufständischen zeigen und veröffentlichen selbst gedrehte Videos von ihrem Einmarsch in die viertgrößte Stadt Syriens. "Gott ist groß“, rufen sie. Und "wir sind im Zentrum von Hama".

Der Anführer der wichtigsten Islamisten-Miliz Haiat Tahrir al-Scham, Abu Mohammed al-Jolani, veröffentlichte eine Videobotschaft in sozialen Netzwerken: "Ich freue mich, euch mitzuteilen, liebe Brüder, dass eure kämpfenden Brüder, die Revolutionäre, begonnen haben, in die Stadt Hama einzuziehen, um die 40 Jahre alte Wunde in Syrien zu heilen. Ich bitte Allah, den Allmächtigen, dass die Befreiung von Hama eine Befreiung ohne Rache, sondern voller Barmherzigkeit und Freundlichkeit wird."

Milizen-Führer Al Jolani gibt sich volksnah, will sich gnädig zeigen, hat sogar seinen Namen geändert - von dem dschihadistischen Kampfnamen zurück zu seinem bürgerlichen: Ahmed al-Shara.

Dramatischer Verlust für Assad

Mit der 40 Jahre alten Wunde in Hama spielt der Milizen-Chef auf die symbolische Bedeutung der Stadt an: In den 80er Jahren ließ Assads Vater in der Stadt Proteste von islamistischen Muslimbrüdern blutig niederschlagen. Rund 20.000 Menschen sollen damals gestorben sein. Seitdem war die Stadt fest in Regierungshand, auch den ganzen syrischen Bürgerkrieg hindurch.

Umso dramatischer ist für den syrischen Präsidenten Assad jetzt der Verlust. Die Aufständischen könnten jetzt bis Homs und weiter Richtung Damaskus vorrücken. Die Menschen in Homs und Daraa dort sollen sich bereit machen, erklärte al-Jolani. Assad stehe massiv unter Druck, sagen Beobachter. Es sei erstaunlich, wie schnell die Milizen die gut 100 Kilometer zwischen Aleppo und Hama überwinden konnten.

"Die Entfernung zwischen Aleppo und Hama ist sehr groß", so Militärbeobachter Hatem Al Falahi bei Al-Jazeera, ehemaliger Brigadegeneral in der irakischen Armee. Er arbeitet bei Al Jazeera als Militärexperte. "Die syrischen Regierungstruppen hätten die Möglichkeit gehabt, eine Verteidigungslinie zu errichten. Doch sie haben dies nicht getan. Jetzt sprechen wir von einem Rückzug unter Beschuss. Der Krieg ist in einer schwierigen Phase und er kann sich für Assad in eine Niederlage verwandeln."

Karte Syrien mit Aleppo, Idlib, Hama, Homs und Damaskus

Viele fliehen in andere syrische Städte

Während die einen bereits feiern und auf ein Ende des Regimes hoffen, fürchten die anderen den Vormarsch der Islamisten: Bilder zeigen lange Autoschlangen von Menschen, die versuchen, aus Hama Richtung andere syrische Städte zu fliehen.

Auch aus der Millionenstadt Aleppo sollen zehntausende auf der Flucht sein, vor allem in die Kurdengebiete im Nordosten des Landes. Dort ist die Lage schwierig, es gibt improvisierte Camps, aber nicht für alle. "Wir haben keine Decken, Matratzen oder Zelte", sagt ein Flüchtling. "Wir sind krank geworden und haben keine Medikamente. Wir haben nichts."

Ruf nach Verbündeten

Und keiner weiß, wie die Zukunft Syriens aussieht. Viele fragen sich, wo eigentlich Assads Verbündete sind - Russland und Iran. Mit ihrer Hilfe hatte sich Assad im syrischen Bürgerkrieg bislang an der Macht halten können. Haben sie Assad fallen gelassen?

Russland flog zwar in den vergangenen Tagen einige Luftangriffe gegen die Milizen, hat aber eigentlich mit der Ukraine andere Sorgen. Und der Iran, der zweite große Verbündete Assads, ist durch den Konflikt mit Israel und die Verluste der Hisbollah im Libanon-Krieg geschwächt.

Ziel: Sturz von Assad

Vor wenigen Tagen hieß es, Verstärkung für Assads Truppe komme nur von pro-iranischen Milizen aus dem Irak – offenbar nicht ausreichend und nicht schnell genug, um Hama zu verteidigen. Al-Jolani warnte den Irak, keine weiteren Unterstützer Assads nach Syrien zu lassen. Die Milizen sind wild entschlossen, weiter zu marschieren – bis in die Hauptstadt Damaskus – um Assad zu stürzen. 

 

Anna Osius, ARD Kairo, tagesschau, 05.12.2024 23:22 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 06. Dezember 2024 um 05:21 Uhr.