Bürger gehen über eine Straße in Singapur

Singapurs Kampf gegen Online-Scams Schnelle Ermittler, schnellere Betrüger

Stand: 09.02.2025 09:28 Uhr

In Singapur verlieren Bürger besonders viel Geld durch Online-Betrug. Mehr als die Hälfte aller gemeldeten Straftaten sind inzwischen sogenannte Scams. Die Regierung rüstet im Kampf dagegen auf. Was bewirkt sie?

Die Polizistin Aileen Yap steht im Foyer von Singapurs Anti-Scam-Command. Auf der weitläufigen Büroetage sitzen nicht nur rund 100 Polizeibeamte, sondern unter anderem auch Online-Händler wie Shopee und Singapurs sechs große Banken. Hier bündele Singapur seine Kräfte im Kampf gegen Online-Scams, erklärt Yap. Dass hier Ermittler, aber auch Banken und Online-Plattformen so eng zusammensitzen, helfe enorm bei der Kommunikation.

Bemerke eine Bank etwa, dass ein Kunde auf einmal eine hohe Summe abheben möchte, wird ein Polizeibeamter zur Filiale geschickt. Immer wieder stellt sich im Gespräch heraus, dass das Opfer auf Bitten einer Online-Bekanntschaft das Geld abhebt.

Das Anti-Scam-Zentrum hat zudem einen kurzen Draht zu Fintech-Unternehmen, Kartenzahlungsanbietern oder Telekommunikationsunternehmen. So könnten Bankkonten schnell eingefroren und Verluste minimiert werden. Telefonanbieter geben Kunden die Möglichkeit, internationale Anrufe zu blockieren. Eine einfache Maßnahme, sich vor Scams zu schützen, wenn man in der Regel keine Anrufe aus dem Ausland erwartet.

Ständig erreichbare Hotline

Hinter einer gläsernen Tür mit der Aufschrift "Scamshield Helpline" sitzen ein Dutzend Mitarbeitende mit Headsets auf dem Kopf. Singapurer können 24 Stunden sieben Tage die Woche bei dieser Hotline anrufen. Unter der Nummer 1799 können Bürger fragen, ob eine Nachricht oder eine Anzeige möglicherweise ein Scam ist. Häufig haben schon andere Anrufer den Anbieter gemeldet oder die Beamten kennen die Masche und können die Anrufer warnen.

Die häufigsten Scam-Fälle in Singapur sind: E-Commerce-Scams, also Betrug bei Käufen im Internet. Job-Scams, wo einem ein Job versprochen wird, den es nicht gibt. Und Investment-Scams, bei denen Menschen in angeblich gute Anlageprodukte oder Krypto-Währungen investieren sollen - und dann ist ihr Geld weg.

Ein kaum zu erreichendes Ziel

Automatisierung und Künstliche Intelligenz helfen den Ermittlern, Daten schnell zu analysieren oder massenhaft Warn-SMS an mögliche Betrugsopfer zu schicken. Auf diese Weise hätten sie zwischen April und November 2024 fast 70.000 Opfer gewarnt und umgerechnet fast 300 Millionen Euro gerettet.

"Unsere Vision ist, Singapur zu einem Scam-freien Ort zu machen. Unsere Vision wird also immer unsere Vision bleiben", sagt Aileen Yap lachend. Denn die stellvertretende Chefin des Anti-Scam-Command Zentrums weiß, dieses Ziel ist nicht zu erreichen.

Die Scammer finden immer neue Wege und sind meist schneller als die Ermittler. Laut dem Weltwirtschaftsforum werden nur 0,05 Prozent aller Cyber-Kriminellen strafrechtlich verfolgt. Singapur verkündet regelmäßig, dass Verantwortliche vor Gericht gestellt werden. Die Behörden schaffen es, ungefähr 20 Prozent der Gelder zurückzuholen.

Im Jahr 2023 ging die Zahl der Scam-Fälle sogar ein Jahr leicht zurück. 2024 gingen die Zahlen wieder hoch, was unter anderem an einem erfolgreichen Ticketbetrug rund um die beliebten Konzerte von Sängerin Taylor Swift lag. Mehr als 1500 Fans verloren laut Polizei mindestens 500.000 Euro.

Sich selbst schützen

Die großen Singapurer Banken bieten ihren Kunden inzwischen die Funktion "Money Lock" an. Hat man etwa 50.000 Euro auf dem Konto, kann man 45.000 sperren lassen. Das heißt, selbst wenn jemand Fremdes Zugang zu den persönlichen Bankdaten erhält, kann er online nicht auf die gesperrte Summe zugreifen. Mehr als 180.000 Kunden hätten die Funktion ein Jahr nach der Einführung genutzt, teilte Singapurs Zentralbank und Behörde zur Finanzmarktregulierung mit.

Wer die App ScamShield auf sein Handy herunterlädt, blockiert automatisch Scam-Anrufe und Nachrichten. Zudem können Nutzer über die App verdächtige Nachrichten prüfen lassen und der Polizei melden.

Die Verantwortung der Messenger und Plattformen

Die meisten Scams starten über Messenger-Dienste und Online-Plattformen wie Facebook, Instagram, WhatsApp oder Telegram. Im Sommer 2023 hat das Parlament in Singapur daher ein neues Gesetz verabschiedet, den Online Criminal Harms Act.

Es verpflichtet unter anderem Social-Media-Plattformen, innerhalb von 24 Stunden auf eine Meldung der Behörde zu reagieren und zum Beispiel eine Scam-Anzeige, Website oder einen Account zu löschen. Reagiert die Plattform nicht, drohen hohe Geldstrafen.

Anfang des Jahres ging das Parlament noch einen Schritt weiter. Es verabschiedete ein Gesetz, das es Polizeibeamten erlaubt, die Bankkonten von mutmaßlichen Betrugsopfern ohne deren Zustimmung einfrieren zu lassen. Es ist das erste Gesetz dieser Art. Die Betroffenen haben in diesen Fällen nur noch Zugang zu Geld für den täglichen Lebensunterhalt.

Die Polizei begründet die Notwendigkeit damit, dass Opfer teils nicht wahrhaben wollen, dass sie betrogen werden. Fast 90 Prozent der Gelder in Scam-Fällen werden in Singapur freiwillig überwiesen. Das neue Gesetz löste jedoch auch eine Debatte darüber aus, ob Singapur sich zu sehr in private Angelegenheiten einmischt. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Februar 2025 um 11:15 Uhr.