Präsidentenwahl in Kasachstan Wohin geht's nach der Wiederwahl?
Heute lässt sich der Präsident Kasachstans wiederwählen. Noch ist das autoritär regierte Land ein Juniorpartner Russlands. Doch der politische Kurs von Tokajews nächster Amtszeit könnte dies ändern.
Heute finden in Kasachstan vorgezogene Präsidentschaftswahlen statt. Der alte und wohl auch neue Präsident des zentralasiatischen Landes wird Kassim-Schomart Tokajew heißen. Gerade mal vor zwei Monaten wurden die vorgezogenen Wahlen ausgerufen. Wenn Tokajew gewinnt, und das ist so gut wie sicher, wird seine Amtszeit auf sieben Jahre verlängert.
Dass es bei dieser Wahl nicht um echte Alternativen geht, ist für den kasachischen Politologen Dosym Satpaew glasklar. Denn in Kasachstan habe es "immer einen traditionellen Wahlfavoriten" gegeben. Der Rest der Kandidaten habe immer nur die Rolle von Komparsen gespielt.
Von Wahlkampf nichts zu spüren
Tatsächlich ist vom Wahlkampf in der größten Stadt Almaty, ganz im Süden des Landes, fast nichts zu spüren. Auf der Straße befragt, sagen Kasachen häufig: "Ich wähle Tokajew, ich weiß ja kaum, wer die anderen sind." Solche Meinungen bestätigen mehrere Umfragen.
Und alle fünf Gegenkandidaten sind ohnehin recht eng mit den Staats- und Machtstrukturen verbunden. Um überhaupt kandidieren zu können, muss man unter anderem in Kasachstan geboren sein und fünf Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet haben. Aber selbst das ist noch keine Garantie für die Zulassung.
Manche der erlaubten Gegenkandidaten sprechen sogar eher wohlwollend über Tokajew. Politisch komplett Andersdenkende, die sich zur Wahl aufstellen lassen wollten, erfahren Druck oder scheiterten an den Regularien.
Januar-Massaker ist nicht vergessen
Für den 30-jährigen Cafébesitzer Nurlan Orynbajew sind vor allem die Ereignisse im Januar ein Grund, gar nicht wählen zu gehen. Stark gestiegene Gaspreise hatten damals Massenproteste ausgelöst.
Als der Präsident Schießbefehl erteilte, starben mehr als 230 Menschen und tausende wurden verletzt. Die gewaltsamen Unruhen seien "terroristische Aktionen" gewesen, hieß es danach offiziell. Doch die Aufarbeitung der Ereignisse ist bis heute nicht abgeschlossen.
Zwischen Russland, China und dem Westen
Das neuntgrößte Land der Erde, siebenmal so groß wie Deutschland, ist reich an natürlichen Ressourcen. Mit Russland teilt es eine mehr als 7600 Kilometer lange Grenze. Es reicht im Osten bis an China, der westliche Teil ist in Europa. Entsprechend sind Russland, China und die EU die mit Abstand größten Handelspartner Kasachstans.
Außenpolitisch versucht sich Astana mit allen gut zu stellen. Doch diese Balance ist gerade wegen Russlands Ansprüchen nicht einfach. Beide Staaten sind politisch und wirtschaftlich eng miteinander verflochten.
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine versucht Kasachstan jedoch, sich politisch abzugrenzen, ohne dabei die wirtschaftlichen Beziehungen zu gefährden. 80 Prozent der kasachischen Ölexporte gehen per Pipeline durch Russland - eine Abhängigkeit, die große Risiken schafft.
Schon mehrfach gab es seit Kriegsbeginn Schwierigkeiten bei der Durchleitung des Öls, hat Russland so Druck ausgeübt. Diversifizierung lautet deshalb jetzt die Devise. So soll zukünftig etwa mit Wind- und Solarenergie erzeugter Wasserstoff nach Europa exportiert werden.
Fokus auf nationale Identität
Der wirtschaftlichen Entkopplung von Russland entspricht ein erstarkender Fokus vieler Kasachen auf die nationale Identität. Ein kürzlich gegründeter Kasachisch-Sprachklub an der Uni von Almaty hat inzwischen fast 300 Mitglieder, die sich mehrmals in der Woche treffen. Unter ihnen sind ethnische Kasachen, aber auch viele ethnische Russen. Letztere stellen ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung der Ex-Sowjetrepublik.
Wie auch der Gründer des Klubs, Alexej Skalobasow. Er möchte "die Liebe zu seiner Heimat Kasachstan" ausdrücken, erzählt er. Mit seinem Club wolle er dem Konzept der "russischen Welt" entgegenwirken, also der Putinschen Doktrin, russische Hegemonialansprüche ethnonationalistisch zu begründen. Denn er sehe sich als Kasache.
Der Club hat übrigens auch Teilnehmer aus Russland. Junge Männer, die vor der russischen Mobilmachung hierher flohen. Seit deren Beginn sind etwa 200.000 nach Kasachstan eingereist. Knapp ein Viertel von ihnen ist geblieben. Um dazuzugehören, lernen sie hier, sich auf Kasachisch zu verständigen. Das sei doch "eine Frage der Höflichkeit" gegenüber den Schutzbietenden, meint Juri, der seinen Nachnamen nicht nennen will.
Ab dem kommenden Jahr könnte die Kenntnis der kasachischen Sprache Pflicht für die Erlangung der Staatsbürgerschaft werden. Kasachstan ist unabhängig, so könnte wohl diese Botschaft lauten.
Diese und weitere Reportagen sehen Sie am Sonntag, 20.11. um 18.30 Uhr im Weltspiegel.