Halbes Jahr nach dem Erdbeben Schwieriger Wiederaufbau in der Türkei
Vor einem halben Jahr zerstörte ein gewaltiges Erdbeben hunderttausende Gebäude in der Türkei. Doch der von der Regierung versprochene Wiederaufbau geht weniger schnell voran als geplant.
Es geht voran mit dem Aufbau, aber es geht nur langsam voran. Bei den verheerenden Erdbeben vor genau einem halben Jahr starben in der Türkei mehr als 50.000 Menschen, mehr als doppelt so viele wurden verletzt.
Hunderttausende Wohnungen und Gebäude stürzten ein oder wurden so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten. Schätzungen gehen von Schäden in der Türkei von mehr als 100 Milliarden Dollar aus.
Große Versprechen
Immerhin werden nach Regierungsangaben schon dieses Jahr umgerechnet fast 17 Milliarden Euro für den Bau neuer Wohnungen und die Reparatur der Infrastruktur ausgegeben. Das Städtebauministerium der Türkei spricht von mehr als 300.000 neuen Wohnungen in den am schlimmsten betroffenen Erdbebengebieten.
Etwa 20.000 davon sind in sogenannten kleinen Dorfhäusern geplant. Bei den meisten handelt es sich aber um Unterkünfte in Mehrfamilienhäusern.
Es sind große Versprechen, die der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, macht. Anfang Juli sagte er: "In allen elf Erdbebenprovinzen geht der Wiederaufbau voran. TOKI spielt dabei eine führende Rolle. Die Gebäude werden rasch errichtet, im Herbst werden die ersten bezugsfertig sein. Innerhalb des ersten Jahres wollen wir 319.000 neue Wohnungen bauen. Insgesamt werden es in der Region 650.000 sein."
Vor Erdbeben wurde über Baupfusch hinweggesehen
TOKI ist die staatliche Wohnungsbaubehörde. Deren große Mehrfamilienhäuser gelten als sicher. Tatsächlich sind die meisten von ihnen auch bei den Erdstößen Anfang Februar nur vergleichsweise gering beschädigt worden.
Andere sind wie Kartenhäuser in sich zusammengestürzt. Oftmals trug dazu Pfusch am Bau beziehungsweise die Nichteinhaltung von Bauvorschriften bei. Erdogan selbst hat seinerzeit darüber hinweggesehen. Vor fünf Jahren hatte er Bausünder amnestiert. Etliche der von ihnen gebauten Häuser sind eingestürzt.
"Von jetzt an keine Toleranz"
Alle neuen sollen dagegen erdbebensicher sein, sagt der Umwelt- und Städtebauminister Mehmet Özhaseki:
Dort, wo Verwerfungslinien verlaufen, wird niemals gebaut werden. Das werden wir nicht zulassen. Wo der Boden nicht geeignet ist, wie zum Beispiel an Bachbetten, wird es auf jeden Fall ein Bauverbot geben. Und von jetzt an wird es beim Bau keine Toleranz mehr geben.
Enteignungspläne bereiten Probleme
Doch der Wiederaufbau kommt nicht so schnell voran, wie es sich die Regierung wünscht. In Hatay am östlichen Rand des Mittelmeers etwa, werden zwar schon teils Bodenuntersuchungen durchgeführt, aber der Bau neuer Häuser hat noch nicht richtig begonnen.
Ein Problem stellen Eigentumsverhältnisse dar. Der Staat will in den Zentren der zerstörten Städte Ein- bis Zweifamilienhäuser bauen und neue, größere Häuser nur noch dort, wo es sicher ist. Dafür sollen Grundstücke enteignet werden. Eigentümer wehren sich dagegen.
Viele wollen nicht umziehen
An einigen Stellen wird dagegen nicht wieder gebaut werden können, weil der Untergrund nicht geeignet ist. Viele Menschen wollen aber unbedingt wieder dort leben, wo sie vor dem Beben waren. Trotz allem. Für Minister Özhaseki ist das ein Berg von Problemen.
Vor Betroffenen sagt er: "Allein in Hatay sind rund 294.000 Gebäude und Wohnungen schwer beschädigt, schon abgerissen oder müssen abgerissen werden. Wenn wir sagen: Lasst uns alle Betroffenen an einen Ort bringen - wo wäre das eurer Meinung nach? Gibt es so ein großes Gebiet? Ich fürchte nein. Zudem wollen die Menschen nicht weg aus den Gebieten, in denen sie gelebt haben."
Nichtsdestotrotz soll der Wiederaufbau bald an Tempo zulegen. Immerhin werden schon seit Ende März täglich bis zu einem Dutzend neue Aufträge ausgeschrieben.