Proteste in Belarus Tichanowskaja bittet EU um Hilfe
Die EU soll die Wahl in Belarus nicht anerkennen - das fordert Oppositionsführerin Tichanowskaja in einem Video, das kurz vor dem EU-Sondertreffen veröffentlicht wurde. Präsident Lukaschenko habe jede Legitimität verloren.
Die aus Belarus ausgereiste Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat die Europäische Union dazu aufgerufen, die Wiederwahl von Staatschef Alexander Lukaschenko nicht anzuerkennen. Die Abstimmung am 9. August sei gefälscht gewesen, sagte sie in einer Videoansprache, die wenige Stunden vor Beginn eines EU-Sondergipfels zu Belarus veröffentlicht wurde.
"Verehrte Anführer Europas, ich rufe Sie dazu auf, das Aufwachen von Belarus zu unterstützen." Tichanowskaja betonte, dass es hier um eine Anerkennung internationalen Rechts des Volkes gehe, seine eigene Wahl zu treffen. "Lukaschenko hat jede Legitimität in den Augen des Volkes und der ganzen Welt verloren", sagte sie auf Englisch in dem Video. Die britische Regierung hatte bereits erklärt, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Außenminister Dominic Raab forderte eine unabhängige Untersuchung.
"Geschlagen und gefoltert"
Die Bürger, die zur Verteidigung ihrer Stimmen auf die Straße gingen, "wurden brutal geschlagen, eingesperrt und durch das Regime gefoltert", klagt Tichanowskaja. Es habe durch staatliche Gewalt Hunderte Verletzte und mindestens zwei Tote gegeben. Lukaschenko klammere sich weiter an die Macht.
Sie selbst sei aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Kinder ins EU-Nachbarland Litauen geflüchtet, sagte die 37-Jährige.
Ihre Kandidatur entstand aus einer Notlage heraus: Eigentlich wollte ihr Mann Sergej Tichanowskij gegen Lukaschenko antreten. Der wurde allerdings vor der Wahl festgenommen und sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, einen Polizisten attackiert zu haben.
Tichanowskaja will Neuwahlen
Um einen friedlichen Machttransfer in Belarus zu sichern, habe sie die Gründung eines Koordinierungsrates auf den Weg gebracht, sagte Tichanowskaja. Der Koordinierungsrat solle umgehend faire und demokratische Neuwahlen für das Präsidentenamt organisieren und strebe dabei einen Dialog mit der jetzigen Staatsführung an. Vor einigen Tagen hatte sie betont, für eine Führung in Belarus zur Verfügung zu stehen.
Lukaschenko wirft der Opposition vor, illegal die Macht an sich reißen zu wollen. Die Fälschungsvorwürfe weist er zurück, Neuwahlen lehnt er ab, die Proteste spielt er herunter. In der Krise und angesichts von Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen sucht Lukaschenko wieder einen engeren Kontakt zu Russland. Zwischenzeitlich galten die Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin als abgekühlt. Nun sicherte Putin dem Nachbarland Belarus militärische Unterstützung zu.
Auch heute fanden Kundgebungen gegen Wahlbetrug und Polizeigewalt statt - hier sind streikende Minenarbeiter in Soligorsk zu sehen.
Wie reagiert Russland?
Die Europäische Union wertet die Wahl als nicht demokratisch legitimiert und bereitet Sanktionen gegen Einzelpersonen vor. Bei allen Handlungen muss die EU auch die Position Moskaus mitdenken. Ähnlich wie die Ukraine könnte die russische Führung eine Einmischung in Belarus als Einmischung in den eigenen Einflussbereich werten.