Nach dem Brexit Johnson wehrt sich gegen EU-Standards
London und Brüssel zurren ihre Positionen für die Gespräche über die künftigen Beziehungen von Vereinigtem Königreich und EU fest. Der britische Premier zieht bereits rote Linien.
Großbritannien ist raus aus der EU - aber wie soll es im Handel und bei allen anderen Fragen der Zusammenarbeit weitergehen? Nach dem Brexit wollen Großbritannien und die Europäische Union ihre jeweiligen Verhandlungslinien für die künftigen Beziehungen umreißen. Ziel ist ein umfassendes Handels- und Partnerschaftsabkommen bis zum Jahresende, um die negativen Folgen des britischen EU-Austritts für die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten.
Johnson verschärft den Ton
Beide Seiten verschärfen im Vorfeld bereits den Ton: Premierminister Boris Johnson will am Vormittag in einer Rede vor Geschäftsleuten und Diplomaten erklären, wie es danach aus britischer Sicht weitergehen soll. Vorab verbreiteten Redeauszügen zufolge will sich Johnson auf keinen Fall vertraglich auf die Einhaltung von EU-Standards bei Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und staatlichen Wirtschaftshilfen festlegen lassen.
Es gebe für Großbritannien genauso wenig Grund dazu, wegen eines Freihandelsabkommens die Regeln der EU in Kauf zu nehmen, wie andersherum, so Johnson. "Großbritannien wird die höchsten Standards in diesen Bereichen beibehalten, besser in vielerlei Hinsicht als die der EU - ohne den Zwang eines Vertrags, und es ist elementar, das jetzt zu betonen."
Laut "Sunday Telegraph" soll Johnson der EU intern vorwerfen, die Bedingungen für ein umfassendes Handelsabkommen verschärft zu haben. Sollte ein Handelsabkommen nach dem Vorbild Kanadas nicht möglich sein, würde er auch losere Beziehungen zur EU wie etwa Australien in Kauf nehmen, so der Premier. Für die Wirtschaft käme das wohl dem gefürchteten No-Deal-Szenario gleich.
Auch EU-Chefunterhändler Barnier äußert sich
In Brüssel will sich EU-Chefunterhändler Michel Barnier heute in einer Pressekonferenz äußern. Die EU beteuert zwar, sie wolle engstmögliche Beziehungen mit dem traditionellen Partner und Nachbarn. Sie pocht aber auf gleiche Wettbewerbsbedingungen. Die Formel lautet: "Keine Zölle, keine Kontingente, kein Dumping."
Großbritannien hatte die Europäische Union in der Nacht zum Samstag nach 47 Jahren verlassen. Praktisch hat sich aber noch fast nichts geändert, weil innerhalb einer Übergangsfrist alle EU-Regeln im Vereinigten Königreich weiter gelten. Erst am 31. Dezember ist es damit vorbei.
Während dieser Zeit wollen sich beide Seiten über die Regelung ihrer künftigen Beziehungen einig werden. Neben dem Handel geht es unter anderem um Fischereirechte, Sicherheitsfragen und den Zugriff auf Datenbanken.
Die Frist bis Jahresende gilt eigentlich als viel zu kurz, doch eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die noch bis Ende Juli offensteht, lehnt Johnson vehement ab. Für Unternehmen bedeutet das weiterhin Ungewissheit.