Chinesischer Fußball im Zwielicht Korrupt, bedeutungslos und verspottet
In China sind in dieser Woche weitere acht Fußballfunktionäre und ehemalige Nationalspieler zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Es war der vorläufige Höhepunkt der endlosen Korruptionsskandale im chinesischen Fußball. Bestechung, Vorteilsnahme und das Verschieben von Spielen ist so weit verbreitet, dass das Ansehen des Sports schwer gelitten hat.
Von Ruth Kirchner, ARD-Hörfunkstudio Peking
Der ehemalige Chef des chinesischen Fußballverbandes starrte ausdruckslos vor sich hin, als ein Gericht im nordostchinesischen Liaoning diese Woche das Urteil gegen ihn verkündete: Nan Yong bekam zehneinhalb Jahre Haft. Denn er hatte Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 190.000 Euro angenommen. Zu seinen Geständnissen gehörte auch dies: dass in China angeblich sogar die Plätze in der Nationalmannschaft käuflich sind.
Weitere sieben Funktionäre und ehemalige Spieler wurden am gleichen Tag verurteilt - damit steigt die Zahl der Schuldsprüche allein in diesem Jahr auf insgesamt 24. Doch der ehemalige Sport-Funktionär Chen Peide bezweifelt, dass die Korruption im chinesischen Fußball damit besiegt ist: "Es ist ein System, in dem Management und Aufsicht verquickt sind. Ohne unabhängige Aufsicht entsteht natürlich Korruption. Man kann es in einem Satz zusammenfassen: Es ist sehr schwer, im chinesischen Fußball ein guter Mensch zu sein und nicht korrupt zu werden", sagt er.
120 Milliarden Euro durch illegale Sportwetten
Denn bei der Korruption geht es vor allem um Spielabsprachen - und dabei um sehr viel Geld. Bei illegalen Sportwetten werden in China nach offiziellen Schätzungen jedes Jahr 120 Milliarden Euro umgesetzt. Deshalb hatte die Regierung schon 2009 eine Kommission eingesetzt.
Im Zuge der Ermittlungen wurden Dutzende von Verbandskadern, Spielern und Schiedsrichtern festgenommen, verhört und verurteilt. Aber am System hat sich nichts geändert, sagt Ex-Funktionär Chen, der seit zehn Jahren als einer der schärfsten Kritiker des chinesischen Fußballs gilt. "Die Leute, die jetzt verurteilt wurden, sind von dem korrupten System geopfert worden. Ich hasse, was sie getan haben - aber sie tun mir auch leid. Sie hatten das Pech, in diesen dreckigen Sumpf zu fallen und ein armseliges Ende zu nehmen."
Chinesische Fans bringt die Korruption schon seit Jahren zur Verzweifelung. Denn sie hat auch dazu beigetragen, dass sich der chinesische Fußball nicht erfolgreich entwickeln konnte. International sind die Chinesen im Fußball bedeutungslos. Vor zehn Jahren hatte sich China zwar erstmals für eine Weltmeisterschaft qualifiziert, schied aber noch in der Gruppenphase aus - ohne ein einziges Tor geschossen zu haben.
Fußball wird verachtet und verspottet
In China selbst sind Fußballer - anders als in Deutschland - keine wirklich großen Stars. Ganz im Gegenteil: Fußball wird verachtet und verspottet. Guo’An, der beste Club der 20-Millionen-Metropole Peking, zieht pro Spiel gerade mal 10.000 Besucher an. Und Nachwuchssorgen gibt es auch, sagt der Brite Rowan Simons, leidenschaftlicher Fußballfan und Gründer eines unabhängigen Amateur-Clubs ins Peking: "Ich rede mit vielen Eltern, die sagen, sie lieben Fußball und haben selbst als Kinder gekickt. Aber sie würden es nie zulassen, ihr Kind in China Fußball spielen zu lassen. Sie sind von der Lage total abgestoßen."
Die Zahl der Kinder, die Fußball spielen, geht daher kontinuierlich zurück. Waren es in den 90er-Jahren in ganz China noch 600.000 Kinder und Jugendliche, die organisierten Fußball spielten, sind es heute nur noch schätzungsweise 100.000. Und das in einem Land mit 1,3 Milliarden Menschen, das für sich reklamiert, den schönsten Sport der Welt vor über 2000 Jahren erfunden zu haben.