EU-Treffen zu Asylpolitik Die "Mutter aller Gipfel"
Auch wenn es genug andere Dinge zu besprechen gibt - auf dem EU-Gipfel wird wieder das Thema Migrationspolitik im Mittelpunkt stehen. Für Kanzlerin Merkel hängt viel von einer Lösung ab.
Dass es womöglich Angela Merkels letzter offizieller Auftritt auf Brüsseler Bühne werden könnte, dürfte allen Teilnehmern bewusst sein. Den meisten scheint der Gedanke angesichts der schwierigen Großwetterlage durchaus Sorge zu bereiten. Beobachter sprechen denn auch doppeldeutig von der "Mutter aller Gipfel". Sie rechnen mit einer langen Nacht und hitzigen Debatten.
Ein Ergebnis im Sinne der Kanzlerin, sprich eine "europäische Lösung" zum humanen und solidarischen Umgang mit Migranten, ist nicht garantiert. Luxemburgs Premier Xavier Bettel rückt die Dinge aus Sicht der Nachbarn zurecht: "Es geht hier nicht ums Überleben einer Kanzlerin, es geht hier um die Zukunft einer gemeinsamen Immigrations- und Asylpolitik in Europa".
Kein Befreiungsschlag zu erwarten
Kanzlerin Merkel selbst und gut informierte Diplomaten in Brüssel verbreiten vorsichtig Zuversicht, dämpfen aber zugleich Erwartungen an irgendeine Art von Befreiungsschlag. Den "großen Durchbruch" im Asylkonflikt, gar die Klärung aller Streitfragen bis hin zum besonders heiklen Thema der Verteilung, werde es nicht geben. Aber das hatte sich beim sogenannten Mini-Gipfel vor vier Tagen ja auch schon abgezeichnet. "Ruhig bleiben und weitermachen", lautet anscheinend die Devise.
Immerhin fünf von sieben Punkten zur Reform des gemeinsamen Asylrechts seien so gut wie abgehakt, wird in deutschen Regierungskreisen betont. Die Gespräche mit anderen EU-Staaten seien "ermutigend". Man sei sich einig, dass die illegale Migration reduziert werden solle und dass die Grenzen geschützt werden müssten, sagte Merkel.
Gemeinsamer Nenner: Abschottung
Auf Druck Berlins wurde bis zuletzt intensiv an einer konsensfähigen Abschlusserklärung gefeilt. Das Ziel: diejenigen EU-Regierungen wieder einzufangen, die eine härtere Gangart fordern und, wie Bundesinnenminister Horst Seehofer, mit nationalen Alleingängen drohen.
Laut dem nun vorliegenden Entwurf wollen die 28 den Akzent stärker auf Abschottung, sprich auf den Schutz der Außengrenzen legen. Ein schnellerer Ausbau der europäischen Grenzschutzagentur Frontex auf bis zu 10.000 Mann wird ausdrücklich begrüßt. Außerdem wird auf Vorschlag von Ratspräsident Donald Tusk über Aufnahmezentren für gerettete Mittelmeer-Flüchtlinge außerhalb der EU diskutiert. Angestrebt werden Abkommen mit Drittstaaten, nach dem Vorbild des Türkei-Deals vom Frühjahr 2016.
Bilaterale Absprachen als Plan B
Die im Bürokraten-Sprech "regionale Ausschiffungsplattformen" genannten Lager, vornehmlich in Nordafrika, werfen allerdings etliche juristische Fragen auf und sind aus UN-Sicht zumindest problematisch.
Ein hohes Interesse besteht nach den Worten der Kanzlerin schließlich daran, illegale Grenzübertritte im Schengenraum nach Möglichkeit zu unterbinden, einschließlich der sogenannten "Sekundärmigration". Gemeint ist die Weiterreise von Personen, die bereits registriert sind oder in einem anderen EU-Land Asyl beantragt haben.
Diese würde Innenminister Seehofer künftig gern noch vor der Einreise zurückweisen. Die Bundesregierung setzt hier auf bi- oder trilaterale Absprachen, etwa mit Italien und Österreich, sollte eine Lösung im großen Kreis nicht zustande kommen.
Entscheidung über Merkels Zukunft wohl Sonntag
Die alles entscheidende Frage, ob es Merkel am Ende gelingt, genügend Fortschritt zu erzielen, um auch ihre Kritiker daheim, sprich den Koalitionspartner CSU, zu überzeugen, wird sich bei diesem Europäischen Rat noch nicht klären. Das Urteil darüber dürfte wohl erst am Sonntag fallen.
Schon jetzt zeichnet sich allerdings ab, dass die Kanzlerin sich nicht verbiegen will, um auf die Forderung nach "wirkungsgleichen Maßnahmen" einzugehen. Mit fertigen Rücknahme-Abkommen nach Berlin zurückzukehren, so ein enger Vertrauter, sei jedenfalls nicht das Ziel.