Chodorkowski in den tagesthemen "Aufstand hat die Zeit von Putins Regime verkürzt"
Der "einfache Russe" wisse durch den Wagner-Aufstand, dass der Ukraine-Krieg rein dem Machterhalt Putins diene, so der russische Oppositionelle Chodorkowski in den tagesthemen. "Das ist der schmerzhafteste Schlag für Putins Regime."
Michail Chodorkowski, ehemaliger russischer Oligarch und heutiger Oppositioneller im Exil, hat im Interview mit den tagesthemen gesagt, der Aufstand der Wagner-Truppe habe einen wesentlich größeren Umfang und tiefere Wurzeln als der russische Präsident Wladimir Putin es gerne wolle. Der Versuch, die zu bestrafen, die diesen Aufstand geplant oder an ihm teilgenommen haben, werde zum kompletten Zusammenbruch der Front führen. "Ich denke, dass alle jetzt überzeugt sind in Russland, dass die Unterstützung Putins in der Bevölkerung und in den Truppen sehr niedrig ist."
Der Söldnerchef Jewgeni Prigoschin sei bestimmt nicht der Erste gewesen, der ausgesprochen habe, dass es im Krieg gegen die Ukraine gar nicht um die Ukraine gehe. Von Prigoschin habe der "einfache Russe" jetzt aber gehört, dass das stimmt. "Dass dieser Krieg ein Mittel ist, an der Macht zu bleiben und Geld aus dem Staatshaushalt umzuleiten, das glauben die Leute, das glaubt der einfache Russe. Das ist wohl der schmerzhafte Schlag, den Putins Regime abbekommen hat", so Chodorkowski.
Die "einfachen Russen" seien wahrscheinlich eher geneigt, diejenigen zu unterstützen, die den Aufstand gemacht haben als Putin oder sein Regime. Chodorkowski sei überzeugt, dass mit dem Beginn dieses Krieges Putin das Ende seines eigenen Regimes angestoßen habe. "Aber dieser Aufstand hat die verbleibende Zeit des Regimes noch einmal verkürzt."
"Zehntausende Opfer für Machterhalt Putins"
Nach Chodorkowskis Worten hat Putin gezeigt, dass er bereit sei, Tausende und Zehntausende Opfer in Kauf zu nehmen, um seine Macht zu erhalten. "Der Unterschied zwischen Ukrainern und Russen ist für ihn unerheblich. Darum ist jeglicher friedlicher Protest unnötig." In Zeiten des Krieges könne man eine Diktatur aber nur durch Gewalt oder durch Androhung von Gewalt beseitigen, alles andere seien völlig abgehobene Gedanken.
Zur Frage, wer nach einem Machtwechsel die Macht übernehmen könne, sagte Chodorkowski, viele fähige Menschen säßen im Gefängnis - Hunderte politische Gefangene. Die könne man befreien, wenn ein solcher Aufstand stattfindet. Die russische Opposition sei für so einen Moment nicht bereit gewesen, dieser Fehler solle sich nicht wiederholen.
Er selbst sei, wenn auch kein Politiker, bereit, "jegliche Aufgabe zu übernehmen, die mir eine Regierung für eine Übergangszeit aufträgt." Er sei Manager. "Und wenn es nötig ist, dann bin ich bereit, in dieser Rolle auch zu arbeiten - für eine nicht allzu lange Zeit."
Michail Chodorkowski ist einer der bekanntesten Kritiker Putins. Der Unternehmer und frühere Oligarch war Vorstandsvorsitzender des 2007 aufgelösten russischen Ölkonzerns Yukos. Von 2003 bis 2013 saß er in Haft, seit 2015 lebt er mit seiner Familie im Londoner Exil. Im Mai 2023 erklärte der Kreml Chodorkowski zum "ausländischen Agenten" und setzte ihn auf die entsprechende Liste des Justizministeriums.