Reform der EU Weniger Kommissare, weniger Vetos, mehr Tempo
Die EU muss sich verändern, wenn sie funktionsfähig bleiben will. Aber wie? Deutschland und Frankreich haben nun einen Vorschlag erarbeiten lassen. Der sieht weitreichende Reformen vor.
Es klappte zuletzt nicht mehr viel zwischen Deutschland und Frankreich. Die Lokomotive ruckelte, es gab kaum noch gemeinsame Initiativen. Aber die Vorstellung, dass die Europäische Union vielleicht schon bald deutlich größer werden könnte, hat Berlin und Paris wieder zusammengebracht.
Grundlegende Reformen seien nötig, erklärte die deutsche Staatsministerin für Europa, Anna Lührmann, in Brüssel, damit die EU auch dann noch funktioniert, wenn die Balkanländer dazu kommen und möglicherweise auch die Ukraine und die Republik Moldau. "Es ist klar, die EU- Erweiterung liegt in unser aller Interesse", so Lührmann. "Und daher müssen wir jetzt anfangen, alles dafür zu tun, damit wir auch bereit sind als EU für diese Erweiterung."
Die Abstimmung wird immer komplizierter
Schon jetzt gibt es regelmäßig Schwierigkeiten, mit einer Stimme zu sprechen, bei Gipfeln wird oft nächtelang durchverhandelt. Aber wie sieht das aus, wenn am Gipfeltisch nicht mehr 27 Staats- und Regierungschefs sitzen, sondern mehr als 30, vielleicht sogar 35? Es sei klar, dass die EU handlungsfähiger werden müsse, so Lührmann. "Damit wir global mit einer Stimme sprechen können."
Lührmann hat zusammen mit ihrer französischen Kollegin Laurence Boone - auch sie ist in ihrer Regierung für Europafragen zuständig - eine Gruppe von internationalen Politikwissenschaftlern beauftragt. Sie sollten untersuchen, welche Reformen nötig sind, damit die EU für die nächste Erweiterungsrunde fit wird.
Was die Experten vorschlagen
Der Expertenrat der Wissenschaftler ist eindeutig: Es wird nicht funktionieren, wenn wichtige Entscheidungen wie bisher einstimmig getroffen werden müssen. Dass ein Land auf der Bremse steht und den Fortschritt aller anderen blockieren kann, soll zumindest eingeschränkt werden. Also mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit, damit Länder wie zuletzt oft Ungarn und Polen nicht die Zusammenarbeit der anderen verhindern können.
Dazu müssten nicht einmal die EU-Verträge geändert werden, so Ministerin Lührmann. "Hier bietet ja der Lissabon-Vertrag, also unser aktueller EU-Vertrag, schon einiges an Flexibilität." Sie wünsche sich, dass diese Flexibilität auch genutzt wird, sagt Lührmann und verweist auf die "Passerelle-Klausel".
Die hat es in sich. Sie soll eine Brücke schaffen für Fälle, in denen eigentlich Einstimmigkeit nötig ist, dann in Ausnahmefällen aber auch mit Mehrheit entschieden werden kann. Das Problem: Der Ausnahmefall muss einstimmig beschlossen werden.
Kommission nicht weiter aufblähen
Der Expertenrat aus zwölf renommierten Wissenschaftlern, darunter die Politikwissenschaftler Daniela Schwarzer und Olivier Costa als Berichterstatter, schlägt auch vor, die Zahl der Kommissare zu reduzieren. Dass jedes Mitgliedsland einen Kommissar oder eine Kommissarin nach Brüssel schicken kann, hat die Quasi-Regierung in Brüssel aufgebläht - kaum vorstellbar, dass das nach der Erweiterung noch funktioniert.
Auch die Größe des Europäischen Parlaments soll gedeckelt werden. Nach der nächsten Erweiterungsrunde sollen maximal 751 Abgeordnete von den Mitgliedsländern entsendet werden können.
Härtere Sanktionen
Gleich am Anfang der Reformstudie steht eine Forderung, die nicht alle Länder begeistern dürfte. Verstöße gegen Grundlagen des Europäischen Rechts sollen konsequenter und schärfer als bisher bestraft werden, mit finanziellen Kürzungen bei den Fördergeldern aus dem Brüsseler Gemeinschaftshaushalt. Auch hier können Ungarn und Polen sich angesprochen fühlen.
Die Diskussion mit den Ministerkollegen sei "lebhaft und konstruktiv" gewesen, berichtete Boone. Und musste dabei selber lachen. "Sie können sich das ja vorstellen", erklärte sie im Pressegespräch, langjährige Mitgliedsländer sähen solche Reformen anders als die neueren. Und die großen Staaten hätten oft andere Vorstellungen als die kleineren. "Wir haben eben unterschiedliche Systeme, unterschiedliche Kulturen, die eigene Geschichte."
Der Reformprozess sei ja auch gerade erst angestoßen, so die Französin. Die Vorschläge sollen bei den kommenden Gipfeln von den Staats- und Regierungschefs diskutiert werden.