Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez spricht mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Verteidigungsgipfel EU vor "existenziellen Bedrohungen"?

Stand: 03.02.2025 11:11 Uhr

Heute treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Sondergipfel. Dabei sind diesmal auch der britische Premier Starmer und NATO-Chef Rutte - denn es geht um die Sicherheit Europas.

Es ist der wohl letzte Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Brüssel vor der Bundestagswahl. Damit schließt sich ein Kreis zu seinem ersten Gipfel: Im Dezember 2021 ging es auch um den russischen Angriff gegen die Ukraine.

Scholz setzte damals noch auf Verhandlungen mit Russland. "Wir wollen das eine Gesprächsformat, das wir haben, das Normandie-Format, neu beleben", sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Wenige Wochen später rollten die russischen Panzer über die Grenze.

Sondergipfel zeigt, wie ernst die Lage ist

Seitdem dominiert die Verteidigung der Ukraine nahezu jedes Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs. Dass der Präsident des Europäischen Rates, der Portugiese António Costa, nun gleich zu einem Sondergipfel einlädt, zeigt, wie ernst die Lage ist.

Inzwischen geht es nicht mehr nur um Hilfe für die Ukraine, es geht um die Verteidigung der gesamten Europäischen Union. Der neue EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius zählt die Bedrohungen auf:

Wir sehen uns existenziellen Bedrohungen gegenüber. Darunter konventionelle Kriege, Cyberangriffe, und die Militarisierung des Weltraums. Geheimdienste befürchten, dass Russland die Stärke der NATO bis Ende des Jahrzehnts testen wird.

Darauf müsse sich die EU vorbereiten. Und dafür braucht es vor allem zwei Dinge: den gemeinsamen Willen und Geld. Beides ist nicht ausreichend vorhanden.

Wie das Verteidigungsbudget aufstocken?

Für die bessere Verteidigung der EU gibt es ein Preisschild. 500 Milliarden Euro müssten die Mitgliedstaaten mindestens zusätzlich aufbringen, für bessere Luftabwehr, Waffen, Raketen, Cyberabwehr. So steht es im sogenannten Draghi-Report.

Für diese Finanzierung gibt es mehrere Möglichkeiten: Die Mitgliedstaaten könnten gemeinsame Schulden aufnehmen. Dagegen gibt es große Bedenken, vor allem auch aus Deutschland. Oder die Mitgliedstaaten erhöhen ihre Verteidigungsetats. Doch auch das ist nicht einfach - Frankreich und Italien stecken bis zum Hals in Schulden. Und in Deutschland bestehen die konservativen Parteien auf der Schuldenbremse.

Woher soll dann das Geld kommen? Der EU-Abgeordnete Daniel Caspary von der CDU fordert von den Mitgliedstaaten, die Prioritäten in ihren Haushalten neu zu setzen. Durch gute Zusammenarbeit bekomme man zudem mehr Verteidigung für das Geld, sagt er.

Gibt es den politischen Willen?

Weniger Sozialausgaben, mehr Verteidigung. Diesen Vorschlag machte schon NATO-Chef Mark Rutte kürzlich im EU-Parlament: "Im Durchschnitt geben europäische Staaten 25 Prozent ihres Haushaltes für Renten, Krankenversorgung und soziale Sicherheit aus. Wir brauchen nur einen Bruchteil dieses Geldes, um Verteidigung stärker zu machen", rechnete er vor.

Rutte nimmt an dem heutigen EU-Sondergipfel ebenfalls teil und wird den Regierungschefs ins Gewissen reden, mehr für ihre Verteidigung auszugeben. 

Aber Waffen auf Kosten etwa von Renten ist vielen Bürgern nicht leicht zu verkaufen, weshalb sich die Frage nach dem politischen Willen stellt - und dieser ist in den einzelnen EU-Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Laut den Regierungen in Ungarn und Österreich etwa ist die Bedrohung durch Russland gar nicht so groß. Für die Regierungen in Griechenland, Spanien und Italien ist Migration das drängendere Problem.

Auch Briten sind zum EU-Gipfel eingeladen

Dafür sind die Briten diesmal dabei. Denn mit Keir Starmer wurde zum ersten Mal seit dem Brexit wieder ein Premierminister des Vereinigten Königreichs zu einem EU-Gipfel eingeladen. Durch die gemeinsame NATO-Mitgliedschaft vieler EU-Staaten ist die Zusammenarbeit mit London nie ganz abgerissen.

Auch Nadia Calviño wird eine Rolle spielen. Sie ist Chefin der Europäischen Investitionsbank. Diese darf bislang keine Kredite für Rüstungsprojekte vergeben - was einige Staaten aber gerne ändern würden. Calviño stellte allerdings klar: "Wir sind nicht das Verteidigungsministerium, wir sind Europas Investitionsbank."

Konkrete Beschlüsse sollen bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs nicht getroffen werden. Offiziell ist auch nur von einem "Retreat" die Rede.

Sabrina Fritz, ARD Brüssel, tagesschau, 31.01.2025 16:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 03. Februar 2025 um 11:00 Uhr.