EuGH-Urteil zu Leiharbeit Leiharbeiter haben ein Recht auf Ausgleich
Leiharbeiter werden häufig schlechter bezahlt als ihre direkt in der Firma angestellten Kollegen. Das ist erlaubt - aber nur, wenn die Leiharbeiter dafür einen Ausgleich bekommen, urteilte nun der Europäische Gerichtshof.
Das Versprechen der EU ist groß: Leiharbeitnehmer sollen im Wesentlichen die gleichen Arbeitsbedingungen haben wie die Stammbelegschaft, so steht es im Gesetz. Doch die Praxis ist häufig eine andere.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun klargestellt, dass Leiharbeiter grundsätzlich den gleichen Schutz verdienen wie ihre regulär angestellten Kollegen. Wenn sie schlechter bezahlt werden, müssen sie dafür einen deutlichen Ausgleich bekommen.
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die Anfang 2017 für mehrere Monate bei einem Zeitarbeitsunternehmen angestellt war. In dem bayerischen Einzelhandelsunternehmen, bei dem sie eingesetzt war, verdiente sie damals nur 9,23 Euro pro Stunde - mehr als vier Euro weniger als die Stammbelegschaft, die pro Stunde 13,64 Euro brutto bekam.
Sind das noch die im Wesentlichen gleichen Arbeitsbedingungen, wie es das Europarecht verlangt?
EuGH stärkt Rechte von Leiharbeit
Der Europäische Gerichtshof urteilte zwar, dass Leiharbeitnehmer schlechter bezahlt werden dürfen. Sie müssen dafür aber einen angemessenen Ausgleich bekommen. Die Hürden dafür sind hoch: Mehr Urlaubstage oder eine geringere Arbeitszeit können grundsätzlich ein Ausgleich sein.
Der Arbeitgeber muss diesen Ausgleich aber ins Verhältnis zu dem geringeren Lohn setzen: Wer also beispielsweise 50 Prozent weniger verdient als die Stammbelegschaft, dürfe nicht mit einem Urlaubstag mehr abgespeist werden. Das ließ Generalanwalt Anthony Collins schon vor dem Urteil erkennen.
Urteil könnte Folgen für Tarifverträge haben
Konkret ging es in dem Urteil um Tarifverträge, die in der Zeitarbeitsbranche häufig schlechtere Löhne vorsehen als die branchenüblichen Löhne oder Haustarifverträge von Unternehmen. Die Tarifparteien müssen solche Ausgleichsregelungen also künftig in den Tarifvertrag aufnehmen.
Unternehmen und Gewerkschaften dürften sich das Urteil sehr genau ansehen. Denn der EuGH stellte klar, dass die deutschen Gerichte Tarifverträge darauf überprüfen dürfen, ob sie schlechtere Bedingungen für Leiharbeitnehmer im Vergleich zu Stammbelegschaften vorsehen. Die deutschen Gerichte könnten Tarifverträge in der Branche also kippen, wenn Leiharbeitnehmer darin nicht ausreichend geschützt werden.
Bundesarbeitsgericht muss erneut entscheiden
"Jetzt ist es am Bundesarbeitsgericht, sich schützend vor die Tarifautonomie zu stellen", erklärte deshalb Florian Swyter vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister. An das Bundesarbeitsgericht verwies der Europäische Gerichtshof den Fall heute zurück, das nun in dem Fall der Leiharbeiterin erneut entscheiden muss.
Für Leiharbeiterinnen und -arbeiter könnte es die Entscheidung in Zukunft deutlich leichter machen, ihre Rechte durchzusetzen. Wenn ein Gericht einen Tarifvertrag für rechtswidrig erklären würde, könnten Gewerkschaft und Unternehmen im Idealfall einen neuen Tarifvertrag aushandeln, sodass sich Leiharbeiter nicht mehr mühsam durch die Instanzen klagen müssten.