Geplante Gesetze in Georgien "Es geht gegen die Demokratie - und gegen Queere"
Trotz massiver Proteste hält die georgische Regierung an ihrem "Agentengesetz" fest. Auch die LGBTQ-Community rechnet mit dem Schlimmsten. Grund ist ein weiteres Gesetz, das queere Versammlungen verbieten soll.
Bei den Demonstrationen in Tiflis ist Beka Gabadadze seit Wochen meistens dabei. Gabadadze ist ein Mann mit getrimmtem Bart und Baseball-Kappe auf dem kahlgeschorenen Kopf. "Ich denke nicht, dass es um Transparenz geht", meint er. "Es geht gegen die Demokratie - gegen Medien und die Zivilgesellschaft, gegen schwächere Gesellschaftsgruppen: auch Queere."
Queere - gemeint sind Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht der heterosexuellen Norm entspricht, zum Beispiel Lesben, Schwule und Transpersonen (LGBTQ). Gabadadze setzt sich für sie ein, als Sozialarbeiter und Leiter von Temida. Die NGO bietet Unterstützung bei der HIV-Prävention, bei der Jobsuche und bietet Obdach für Queere, die Probleme mit ihren Familien bekommen oder Gewalt erleben.
Das Geld dafür erhalte er überwiegend aus dem europäischen Ausland - was er auch regelmäßig auf der Internetseite der NGO und gegenüber dem Finanzamt offenlege. Das neue Gesetz aber, so Gabadadze, ziele auch auf das Ende seiner Arbeit ab. "Wir werden uns nicht registrieren lassen, so wie sie es wollen", sagt er. "Wir werden einfach unsere sozialen Dienste stoppen."
"Ich bin gemobbt und verprügelt worden"
Seit fast neun Jahren ist Gabadadze Sozialarbeiter. Er habe sein Bestes für die Community gegeben, sagt er. "Ich habe das Beste für mein Land gegeben. Ich bin gemobbt und verprügelt worden. Meine besten Freunde haben das Land verlassen, ich habe weitergemacht. Aber ich werde das nicht mehr tun, wenn ich als Agent bezeichnet werde. Dann gibt es eben kein Temida mehr. Das ist Fakt."
Die LGBTQ-Community könnte also von dem neuen Gesetz betroffen sein - und zusätzlich noch von einer zweiten Gesetzesinitiative. Sie steht etwas im Schatten der Diskussionen um das gerade verabschiedete "Transparenzgesetz": "Es ist ein 'Gesetz zum Schutz traditioneller Familienwerte und von Minderjährigen'", sagt der Sozialarbeiter. Vorgeschlagen hat es im März ebenfalls die Regierungspartei.
Verbot von Geschlechtsangleichungen
Der Gesetzentwurf sieht vor, Geschlechtsangleichungen zu verbieten und gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption von Kindern zu untersagen. "Sie wollen Zensur", sagt Gabadadze. "Sie wollen, dass aus Filmen mit Queer-Szenen diese Sequenzen herausgeschnitten werden." Das Gesetz solle "queere Versammlungen verbieten, die auf die 'Popularisierung' gleichgeschlechtlicher Beziehungen abzielen." Gemeint sind zum Beispiel Pride-Paraden, ebenso wie die Berichterstattung darüber.
Es gehe um die Einschränkung der Meinungsfreiheit der Community, zeigt sich der Sozialarbeiter überzeugt. "Das entspricht voll der Rechtsprechung, die in Russland schon gilt", so Gabadadze. Die zuständigen Behörden in Russland stuften vergangenen November die internationale LGBTQ-Bewegung als extremistisch ein.
Verbreitete Homophobie
Kritiker gehen davon aus, dass die nun in Georgien vorgeschlagenen Regelungen darauf abzielten, die Unterstützung der konservativen Basis für die Regierungspartei zu stärken und Stimmen zu gewinnen für die Parlamentswahl im Oktober.
Homophobie ist in Georgien verbreitet, und jede Partei, die diese Gefühle befeuert, dürfte Zuspruch bekommen. "Sie nutzen diese Angst, um die Menschen davon zu überzeugen, für sie zu stimmen", betont Gabadadze. "Und das tun sie, indem sie sich als Unterstützer der Familienwerte darstellen. Was wiederum dem Stil von Putin entspricht."
Eine Expertenkommission des Europarates forderte jüngst die Rücknahme des neuen "Gesetzes über die Transparenz ausländischer Einflussnahme". Sie hält es für unvereinbar mit der Europäischen Konvention der Menschenrechte. Zuvor hatte es bereits kritische Stimmen in der EU gegeben - dagegen, dass die Polizei gegen Demonstrierende mit unverhältnismäßigen Mitteln vorgehe - mit Gewalt und willkürlichen Festnahmen.
Zwei Tage Haft ohne Begründung
Auch LGBTQ-Aktivist und NGO-Begründer Gabadadze wurde nach einer Demonstration von der Polizei mitgenommen. "Ich habe 48 Stunden in Haft verbracht. Sie haben mir physisch nichts angetan, aber Schimpfwörter benutzt", erzählt er.
Bis jetzt wisse seine Anwältin nicht, welche Vorwürfe gegen ihren Mandanten vorgebracht werden. Sie habe bisher nichts von der Polizei erhalten. "Derlei Verhaftungen finden immer weiter statt", so Gabadadze. "Und Schlägertrupps sind auch unterwegs", sagt er. "Sie lauern Leuten zu Hause auf, verprügeln sie - um den Leuten generell Angst einzuflößen, denke ich."