Verfassungsreferendum Irland stimmt über die Rolle der Frau ab
In Irland stimmen die Menschen heute über die Änderung eines Verfassungsartikels ab. Dieser legt bisher nahe, dass die Rolle der Frau im Haushalt verortet sei. Veraltet, sagen viele - ein Ausdruck von Anerkennung, finden andere.
Vor gut zweieinhalb Jahren hat ein Bürgerrat in Irland seine Empfehlungen zum Thema "Geschlechtergerechtigkeit" vorgelegt. Heute nun können die Iren darüber abstimmen, ob der Text ihrer Verfassung geändert werden soll. Passend zum Weltfrauentag geht es um Textstellen, die die Rolle der Familie und der Frau definieren.
In einem ersten Referendum kann die Bevölkerung darüber entscheiden, ob die Ehe das Herzstück der Familie bleiben soll oder ob auch andere "dauerhafte Beziehungen" eine Familie ausmachen können. In einem zweiten Referendum geht es um die Frage, ob die sehr traditionelle Formulierung zur Rolle der Frau geändert werden soll.
Jerry Crowley, ein 60-jähriger Wirtschaftsanalyst aus Dublin, freut sich über die heutige Abstimmung. Er war Mitglied des Bürgerrats, der sich mit der Geschlechtergerechtigkeit befasst hat. Die Wortwahl in der Verfassung sei wichtig, sagt er. Den unmittelbaren Einfluss auf die Lebensumstände der Frauen hält er zwar für gering, aber die Formulierungen sollten den aktuellen Stand der irischen Gesellschaft widerspiegeln, findet er.
"Durch ihr häusliches Leben dem Staat eine Stütze"
Zur Rolle der Frau heißt es bisher in Artikel 41 der irischen Verfassung:
Der Staat erkennt an, dass die Frau durch ihr häusliches Leben dem Staat eine Stütze ist, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann.
Und weiter:
Der Staat ist daher bestrebt, dafür zu sorgen, dass Mütter nicht durch wirtschaftliche Notwendigkeit gezwungen sind, unter Vernachlässigung ihrer häuslichen Pflichten zu arbeiten.
Diese Passage soll durch eine geschlechtsneutrale Formulierung ersetzt werden. Die Rede wäre dann von der "Fürsorge der Mitglieder einer Familie füreinander".
Formulierung als Schuldzuweisung ...
Louise Crowley, Professorin für Familienrecht vom University College Cork, wertet das Referendum als große Chance. Denn im Fall eines positiven Ausgangs wäre es das erste Mal, dass die irische Verfassung die Regierung gewissermaßen verpflichten würde anzuerkennen, dass es eine Reihe von Personen gibt, die für Betreuung und Pflege zuständig sein können - nicht nur Frauen.
Crowley hält die Textänderung für überfällig. Die aktuelle Formulierung empfindet sie als Schuldzuweisung. Sie lege nahe, dass das Arbeiten außerhalb des Haushalts bedeutet, Verpflichtungen zu vernachlässigen - zum Nachteil der Familie und der Gesellschaft. Crowley betont dagegen, dass sie zusammen mit ihrem Mann und ihren Kindern stolz darauf sei, die Verantwortung für das Wohlergehen der Familie gemeinsam zu tragen.
... oder als Anerkennung?
Maria Steen ist anderer Ansicht. Steen ist eine konservative Aktivistin, die beim Referendum zur Rolle der Frau mit Nein stimmen will. Die ausgebildete Architektin und Rechtsanwältin hat sich als Mutter dafür entschieden, zu Hause zu bleiben und kämpft nun dafür, dass die Formulierung in der Verfassung so bleibt, wie sie ist.
Steen ist der Ansicht, dass der Artikel 41 ein Ausdruck der Anerkennung ist und Frauen dafür dankt, was sie zu Hause für ihre Familien tun. Zudem werde der Anspruch deutlich, dass die Regierung die Mütter, die zu Hause bei ihren Kindern bleiben wollen, unterstützt. Mütter sollten nicht aus finanziellen Gründen arbeiten gehen müssen.
Steen räumt ein, dass es diese Unterstützung für Mütter in der Vergangenheit nicht gab. Nun will sie Druck auf die Regierung machen: "Eine Umfrage hat gezeigt, dass 69 Prozent der Mütter, die Kinder versorgen, gern Vollzeit zu Hause bleiben würden, wenn Geld kein Thema wäre." Die Regierungen hätten nacheinander darin versagt, sich diesbezüglich für Frauen einzusetzen. Mit einem Nein beim Referendum sollten die Iren nun ein klares Zeichen senden, dass sie mehr erwarten.
Ergebnisse im Lauf des Wochenendes
Interessant wird bei der Abstimmung, wie hoch die Wahlbeteiligung ausfällt. Bis Anfang Februar wusste gut die Hälfte der irischen Bevölkerung noch gar nicht, worum es geht. Auch war bei den Wählerinnen und Wählern bis zuletzt noch Unentschlossenheit zu spüren.
Die Wahllokale schließen um 22 Uhr Ortszeit. Im Laufe des Wochenendes soll ein Ergebnis bekanntgegeben werden.