Österreich Bestürzung nach Tod von Ärztin
Die Ärztin Kellermayr hat sich bis zur Erschöpfung für Corona-Infizierte engagiert und die Impfpflicht vehement befürwortet. Was folgte, waren Hass und Hetze, vor denen sie sich zu wenig geschützt fühlte. Ihr plötzlicher Tod löste heftige Diskussionen in Österreich aus.
Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch und viele andere reagierten bestürzt auf die Nachricht vom Tod der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr in Oberösterreich. Die Hausärztin war landesweit bekannt geworden, nachdem sie in der heftig und mit viel Hass geführten Diskussion um die Impfpflicht in Österreich von Impfgegnern massiv bedroht worden war. Sie ging an die Öffentlichkeit. Österreichs Innenminister versprach Schutz.
"Dieser Hass muss endlich aufhören"
Die Ärztin wurde zur Symbolfigur für alle Menschen in medizinischen Berufen, die sich bis an den Rand der Erschöpfung für Corona-Infizierte einsetzen und die Impfpflicht als wirksamen Schutz gegen das Virus vehement befürworteten.
"Dieser Hass muss endlich aufhören", schrieb Gesundheitsminister Rauch auf Twitter. Die Ärztin habe "ihr Leben der Gesundheit und dem Wohlergehen anderer gewidmet. Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeitenden waren brutale Realität".
Die Ärztin Maria Lisa-Kellermayr hatte kritisiert, nicht ausreichend Schutz bekommen zu haben.
Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, auch er ein überzeugter Impfbefürworter, schreibt, er sei "tief betroffen" vom Tod der engagierten Ärztin, die ihre Praxis aufgrund massiver Drohungen habe schließen müssen.
Und Bundespräsident Alexander van der Bellen erklärte: "Meine Gedanken sind bei der Familie und bei den Freunden von Dr. Maria Lisa-Kellermayr. Hass und Intoleranz haben in unserem Österreich keinen Platz."
Für den Montagabend ist ein Gedenken für die Ärztin am zentralen Stephansplatz in Wiener Innenstadt angemeldet.
Schwere Vorwürfe gegen Polizei
Politik und Behörden sind allerdings auch mit heftiger Kritik konfrontiert. Polizei und Staatsanwaltschaft, die wegen der Morddrohungen ermitteln, werden vorgeworfen, zu spät reagiert und zu wenig getan zu haben.
Die angesehene österreichische Journalistin Ingrid Brodnig, Autorin unter anderem des Buches "Hass im Netz. Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können", twitterte, neben Beileidswünschen, die Empfehlung, die Exekutive müsse "das eigene Handeln oder Nicht-Handeln in diesem Fall aufklären".
Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Falter", der die Ärztin gut kannte, zuletzt nach eigenen Angaben stundenlang mit ihr telefoniert habe, schildert eine Frau, die "traumatisiert, geschockt, verängstigt" war. Wegen des Hasses, der ihr im Netz entgegenschlug und wegen der - wie sie es empfand - fehlenden Hilfe durch Polizei und Behörden.
Morddrohungen und massive Anfeindungen
Damit sprechen sie für viele in Österreich, der Fall Kellermayr war schon vor ihrem plötzlichen Tod ein Politikum. Die Ärztin hatte ihre Praxis zuletzt endgültig geschlossen. Ihre Begründung: Man könne Arbeitsbedingungen "wie wir sie die letzten Monate erlebt haben", niemandem zumuten. Wegen der ständigen Drohungen hatte sie zuletzt auf eigene Kosten einen bewaffneten Wachmann engagiert.
Ermittlungen zu schnell eingestellt?
Sie stand aber, sagt die Polizei, auch längere Zeit unter Polizeischutz. Heftig kritisiert wurde, dass die Staatsanwaltschaft Wels ein Ermittlungsverfahren gegen einen Verdächtigen aus Deutschland eingestellt hatte, mit der Begründung, man sei nicht zuständig. Eine Computer-Aktivistin machte danach - nach eigenen Angaben ohne große Probleme - zwei Verdächtige aus, die Drohmails gegen die Ärztin verfasst haben sollen. Das löste eine heftige Diskussion in Österreich aus über den Umgang der Behörden mit dem Fall.
Die zuständige Landespolizeidirektion Oberösterreich weist Kritik zurück. Man sei seit vergangenem November in ständigem Austausch mit der Ärztin gewesen und habe versucht, ihr Schutz zu bieten. Man habe alles getan, was möglich gewesen sei. Und: Man ermittle weiter, auf der Suche nach Urhebern der Drohungen im Netz.
Staatsanwaltschaft geht nicht von Gewalttat aus
Die Ärztin wurde am Freitag tot in ihrer Praxis im Bezirk Vöcklabruck aufgefunden. Es gebe Abschiedsbriefe, teilt die Staatsanwaltschaft mit, zu deren Inhalt man aber nichts sagen wollte. Eine Gewalttat schließt die Staatsanwaltschaft aus, sie bestätigt einen Suizid.
Sollten Sie selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der anonymen Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner.
Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 www.telefonseelsorge.de
Telefonberatung für Kinder und Jugendliche: 116 111 - www.nummergegenkummer.de