Sergej Lawrow

Ukrainische Angriffe mit US-Raketen Russland droht indirekt mit Atomwaffen

Stand: 19.11.2024 17:53 Uhr

Russland sieht in ukrainischen Angriffen mit US-Raketen eine Eskalation durch den Westen. Außenminister Lawrow verweist auf neue Regeln für den Einsatz von Atomwaffen. Die hatte Präsident Putin kurz zuvor verschärft

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat eine Reaktion seines Landes auf den mutmaßlichen ukrainischen Beschuss russischen Staatsgebiets mit US-Raketen angekündigt. "Wenn Raketen mit größerer Reichweite von der Ukraine aus in Richtung russisches Territorium eingesetzt werden, bedeutet dies, dass sie von US-Militärexperten bedient werden", sagte Lawrow nach dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro.

Zuvor hatte das Verteidigungsministerium in Moskau mitgeteilt, die Ukraine habe die russische Grenzregion Brjansk mit von den USA produzierten ATACMS-Raketen attackiert. Wenn die Angaben stimmen, handelt es sich um den ersten Angriff seit der Zustimmung von US-Präsident Joe Biden, der Ukraine den Einsatz von ATACMS-Raketen tief in Russland zu erlauben.

"Wir werden dies als eine neue Phase des westlichen Krieges gegen Russland betrachten und entsprechend reagieren", fügte Lawrow hinzu. Er hoffe, Russlands neue Atomwaffendoktrin werde aufmerksam gelesen, sagte er in Richtung der westlichen Verbündeten der Ukraine. Moskau habe jedoch stets versucht, einen Atomkrieg zu verhindern.

Putin unterzeichnet verschärfte Atomdoktrin

Präsident Putin hatte die seit Monaten angekündigte Verschärfung der russischen Atomdoktrin kurz zuvor in Kraft gesetzt. Das Dokument zählt Bedrohungsszenarien auf, in denen Russland zu Atomwaffen greifen könnte. Neu ist, dass Moskau die Aggression eines nichtnuklearen Staates, der aber von Atommächten unterstützt wird, als gemeinsamen Angriff auf Russland wertet. Das richtet sich gegen die Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich, die die Ukraine militärisch unterstützen.

Die atomare Abschreckung gilt auch für den Fall, dass sich potenziell feindliche Militärbündnisse bilden, erweitern oder mit ihrer Infrastruktur an Russland heranrücken. Diese Änderung dürfte sich gegen das Bestreben der Ukraine richten, in die NATO aufgenommen zu werden.

Als möglichen Auslöser eines Atomschlags würden auch Versuche gewertet, Russland den Zugang zu bestimmten Teilen seines Staatsgebietes zu verwehren. Dies könnte die Ostsee-Exklave Kaliningrad betreffen, aber auch die 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim.

Eingeschlossen ist auch ein konventioneller Angriff auf Russland oder den Verbündeten Belarus, wenn er "eine kritische Bedrohung für deren Souveränität und/oder deren territoriale Unversehrtheit darstellt". Die Erwähnung von Belarus ist ebenfalls neu gegenüber der bisher gültigen Fassung der Doktrin.

Norbert Hahn, WDR, zzt. Rio de Janeiro, zu den Ergebnissen des G20-Gipfels

tagesthemen, 19.11.2024 22:15 Uhr

Baerbock: "Lassen uns nicht einschüchtern"

Putin hat in den zweieinhalb Jahren Krieg mehrmals Drohungen zum Einsatz von Atomwaffen ausgestoßen. Auch die Verschärfung der Atomdoktrin lässt sich als Drohgebärde verstehen. Russische Hardliner hatten seit Monaten Änderungen gefordert. Sie argumentieren, dass die bisherige Version den Westen nicht davon abgehalten habe, seine Hilfe für die Ukraine zu erhöhen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, jegliche Drohung mit Atomwaffen sei "komplett unverantwortlich". Es sei nicht das erste Mal, dass Putin Unsicherheit erzeugen wolle, so Borrell. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte, Putin spiele mit der Angst, dies sei seit Beginn des Ukrainekriegs immer wieder deutlich geworden. "Wir lassen uns nicht einschüchtern, egal, was immer wieder Neues herumposaunt wird", sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mehrerer europäischer Außenminister in Warschau.

Die USA sehen laut dem Nationalen Sicherheitsrat keinen Grund, ihre eigene Nuklearstrategie anzupassen. Die russische Ankündigung sei seit Monaten angekündigt gewesen und habe die USA nicht überrascht, heißt es in einer Mitteilung.

Frank Aischmann, ARD Moskau, tagesschau, 19.11.2024 18:02 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. November 2024 um 13:18 Uhr.