Regierungskrise in Frankreich Für Premier Barnier könnte es eng werden
Steht die französische Regierung vor dem Aus? Linke und rechte Politiker wollen heute Misstrauensanträge stellen. Während Premier Barnier im Fernsehen um Vertrauen wirbt, sucht Präsident Macron bereits nach möglichen Nachfolgern.
Michel Barnier will sich offensichtlich nicht geschlagen geben. Zumindest noch nicht. "Ich glaube, dass ein Reflex der Verantwortung möglich ist - jenseits politischer Differenzen." Man müsse erkennen, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind. Sollte die Regierung stürzen, dann werde alles noch gravierender und noch schwieriger, sagte Barnier in einem Fernsehinterview, das von mehreren Sendern ausgestrahlt wurde.
Damit meint Barnier auch die möglichen Konsequenzen für den Alltag der Franzosen. Am Montag hatte er den umstrittenen Verfassungsartikel 49.3 aktiviert, um den Sozialetat auch ohne Abstimmung durchs Parlament zu bringen. Die Misstrauensvoten sind - verkürzt ausgedrückt - der Preis für diesen Schritt. Stürzt die Regierung, scheitert auch dieser Teil des Haushaltsgesetzes. Mit Folgen, wie Barnier betont. Zum Beispiel würden dann auch geplante Steueranpassungen hinfällig.
Rassemblement National könnte mit linker NFP stimmen
"Jeder Abgeordnete, der für den Misstrauensantrag stimmt, wird den Bauern in seinem Wahlkreis erklären müssen, warum die Renten für Landwirte nicht steigen", sagte Barnier. "Nämlich weil diese Maßnahme dann gestrichen würde." Und die Abgeordneten müssten den Arbeitnehmern dann erklären, warum sie und 18 Millionen Franzosen mehr Steuern zahlen müssten als vorher.
Dem Premierminister dürfte aber klar sein, wie eng es für ihn aussieht. Denn anders als bisher könnte der rechtsnationale Rassemblement National gemeinsam mit dem Linksbündnis NFP abstimmen, um die Regierung zu Fall zu bringen.
RN stellt weitreichende Forderungen
Dabei hatte Barnier dem RN Zugeständnisse gemacht und etwa auf die geplante Erhöhung der Stromsteuer verzichtet, um dann aber mit immer weitreichenderen Forderungen konfrontiert zu werden. Eine Erpressung will die Partei darin nicht erkennen.
"Ich glaube, Marine Le Pen war von Anfang an immer deutlich", sagte Parteisprecher Laurent Jacobelly. "Wir haben klare rote Linien gezogen: die Kaufkraft, die übermäßige Steuerbelastung, die vollständige Anpassung der Renten an die Inflation. Das hat sich nie geändert." Der Premierminister habe das gewusst. "Aber er hat erst sehr spät angefangen, überhaupt mal ein bisschen mit uns zu verhandeln", kritisiert der RN-Politiker.
Doch auch für den RN ist das Misstrauensvotum ein politisches Risiko. Einerseits ist es nötig, um die Erwartungen seiner Stammwählerschaft zu erfüllen. Doch andererseits ist es ein klarer Widerspruch zum sorgsam gepflegten Image einer konstruktiven Opposition.
Macron sucht offenbar bereits nach möglichen Nachfolgern
Eine große Frage wird außerdem sein, wie geschlossen die Reihen im Linksbündnis gegen Barnier sind. Bei den Sozialisten sind nicht alle glücklich über den frontalen Konfrontationskurs und dessen mögliche Folgen. Der Abgeordnete David Habib will die Regierung nicht stürzen. Er sei zwar nicht einverstanden mit Barnier und ärgere sich über viele Entscheidungen im Haushaltsentwurf, sagte der Sozialist. "Aber ich will meinen Mitbürgern nicht noch mehr Schmerz bereiten." Er wolle sich als Parlamentarier nützlich machen. "Und das bedeutet nicht, noch mehr zusätzliches Chaos im Land zu verursachen", stellt Habib klar. Er wisse aber, dass er mit dieser Haltung ziemlich alleine dastehe, räumt Habib ein.
Ab dem Nachmittag wird die Nationalversammlung über die Misstrauensanträge debattieren. Die Abstimmung soll am frühen Abend erfolgen. Laut Medienberichten sucht Präsident Emmanuel Macron aber schon jetzt mögliche Nachfolger für Michel Barnier.