Regierungskrise in Bulgarien Vierte Neuwahl binnen anderthalb Jahren
Nach drei gescheiterten Versuchen, eine Regierung zu bilden, wählt Bulgarien vermutlich im Oktober neu. Analysten fürchten, die politische Krise könnte nationalistische und prorussische Gruppen stärken.
Nach mehreren gescheiterten Anläufen einer Regierungsbildung wird es in Bulgarien aller Voraussicht nach im Herbst Neuwahlen geben - zum vierten Mal seit April vergangenen Jahres. Nach dem Sturz der prowestlichen Regierung von Ministerpräsident Kiril Petkow gaben die bislang mitregierenden Sozialisten (BSP) den dritten und letzten Auftrag zur Regierungsbildung zurück.
Der BSP-Fraktionsvorsitzende Georgi Swilenski hatte bereits gestern eingeräumt, bei den Bemühungen um die Bildung einer tragfähigen Koalition gescheitert zu sein. Zuvor war es den beiden größten Parteien im Parlament - der reformistischen Partei "Wir setzen den Wandel fort" und der rechtskonservativen GERB - nicht gelungen, eine Regierung zu bilden.
Übergangsregierung muss eingesetzt werden
Es wird erwartet, dass Präsident Rumen Radew in Kürze das erst im November 2021 gewählte Parlament auflöst. Er muss eine Übergangsregierung einsetzen und einen Termin für die Parlamentswahl ausschreiben. Dieser zeichnet sich für Oktober ab. Analysten erwarten, dass die Neuwahl eine stärkere Präsenz nationalistischer und prorussischer Gruppen im Parlament zur Folge haben werde.
Das EU- und NATO-Mitgliedsland Bulgarien steckt in einer politischen Krise. Der proeuropäische Ministerpräsident Petkow war im Juni nach nur sechs Monaten durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden. Seine Regierungskoalition war unter anderem wegen Unstimmigkeiten über Militärhilfe für die Ukraine ins Schlingern geraten. Die Vier-Parteien-Regierung verlor ihre Parlamentsmehrheit im Juni, weil die populistische ITN die Koalition verlassen hatte.
Streit um Beziehung zu Russland
Angesichts einer schnell steigenden Inflation warf die Opposition der Regierung zudem vor, mit ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik gescheitert zu sein. Die bisherige Koalition vererbe dem künftigen Übergangskabinett auch ein "Chaos im Energiebereich", beklagte Staatschef Radew. Im April hatte Russland die direkten Gaslieferungen an Bulgarien eingestellt und dies mit der Weigerung Sofias begründet, die Rechnungen in Rubel zu zahlen.
Im Juni hatte Bulgarien die Ausweisung von 70 diplomatischen Mitarbeitern Russlands angeordnet, was die Spannungen zwischen den beiden einander historisch nahe stehenden Nationen abermals verstärkte. Petkow hatte Russland nach dessen Invasion in die Ukraine vorgeworfen, auf Taktiken eines "hybriden Krieges" zu setzen.
Uneinigkeit auch wegen Nordmazedonien
Streit gab es im bulgarischen Parlament auch über die Beziehungen zum benachbarten Nordmazedonien. Petkow hatte zuletzt eine Politik der Annäherung an das Balkanland verfolgt. Dies hatte Hoffnungen geweckt, dass Bulgarien seinen Widerstand gegen die EU-Beitrittsbestrebungen Skopjes aufgeben könnte.
Der bisherige Regierungschef Petkow war mit dem Versprechen angetreten, die unter seinem konservativen Vorgänger Bojko Borissow grassierende Korruption in dem als arm geltenden EU-Mitgliedstaat zu bekämpfen. Er selbst macht für seine Abwahl Borissow sowie einen bekannten Oligarchen und die russische Botschafterin in Sofia verantwortlich.