
Vor britischer Nordseeküste Frachter brennt nach Kollision weiter
Nach der Kollision vor der britischen Nordseeküste brennt der Frachter "Solong" weiter. Die Suche nach einem Vermissten wurde eingestellt. Umweltschützer warnen vor erheblichen Gefahren durch Giftstoffe.
Die Lösch- und Sicherungsmaßnahmen bei den beiden am Montag kollidierten Schiffen in der Nordsee nahe der britischen Küste dauern an. Das Containerschiff "Solong" brennt nach Angaben der Küstenwache noch immer, das Feuer auf der "Stena Immaculate" wurde eingedämmt.
Auf Luftaufnahmen der BBC ist ein klaffendes Loch auf der Backbord-Seite von einem der Schiffe zu sehen. Flammen waren dafür keine mehr zu erkennen. Gas und Flüssigkeiten schienen aber an verschiedenen Stellen auszutreten, wie Videoaufnahmen zeigten.
Der Tanker "Stena Immaculate" wurde am Montagmorgen von dem Containerschiff "Solong" gerammt, als er vor der Mündung des Flusses Humber vor Anker lag. Warum es zu dem Unglück kam, ist noch unklar. Die Untersuchungen dazu liegen federführend bei den Flaggenstaaten. Die "Stena Immaculate" fährt unter US-Flagge, nach Informationen des NDR fährt die "Solong" unter portugiesischer Flagge und gehört zur Hamburger Reederei Ernst Russ.

220.000 Barrel Kerosin geladen
Bei dem Unglück ist dem Schifffahrtsunternehmen Crowley zufolge Flugzeugtreibstoff ausgetreten. Den Angaben zufolge hatte die "Stena Immaculate" bei dem Zusammenstoß 220.000 Barrel (knapp 35 Millionen Liter) davon geladen. Die Ladung sei auf 16 voneinander getrennte Tanks verteilt gewesen, teilte der US.Konzern mit. Mindestens einer dieser Tanks sei bei dem Aufprall beschädigt worden. Wie viel von dem Treibstoff aber genau ins Wasser gelangt sein könnte, ist aktuell unklar. Laut BBC hatte der zivile Tanker den Treibstoff im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums geladen.
Berichte, wonach das Containerschiff "Solong" mehrere Behälter mit Natriumcyanid geladen habe, wurden von deren Reederei Ernst Russ dementiert. Natriumcyanid ist eine giftige Substanz, die das Ökosystem belasten kann. Die Container seien jedoch leer gewesen, hieß es in einer Mitteilung des in Hamburg ansässigen Unternehmens.
Fokus auf Bergung von "Stena Immaculate"
Mittlerweile ist ein niederländisches Bergungsunternehmen mit vier Schiffen mit Löschmaterial auf dem Weg zur Unglücksstelle. Im Fokus stehe die Bergung der "Stena Immaculate".
Die Gefahr, dass der Tanker auseinanderbreche, sei klein. Das Schiff liege stabil, heißt es von dem Bergungsunternehmen. Die Experten werden den Angaben zufolge zunächst den Tanker von außen kühlen. Sobald der Brand unter Kontrolle sei, könne der Tanker in einen sicheren Hafen geschleppt werden.
Auch das deutsche Havariekommando hat ein Mehrzweckschiff aus Wilhelmshaven zur Unterstützung entsendet. Die "Mellum" der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes soll am Mittag eintreffen. Sie sei unter anderem mit Technik zur Brandbekämpfung sowie zur Aufnahme von Öl ausgerüstet. Zudem stehe ein Spezialflugzeug mit leistungsstarken Kameras und Sensoren bereit, um Schadstoffe im Wasser zu finden.

Die "Stena Immaculate" hat Flugzeugtreibstoff geladen - und soll schnell geborgen werden.
Ein Crewmitglied vermisst
In der Nacht war die Suche nach dem einzig vermissten Besatzungsmitglied der "Solong" abgebrochen worden. Die vermisste Person sei "nach einer umfangreichen Suche" nicht gefunden worden, teilte ein Vertreter der britischen Küstenwache mit. 36 Besatzungsmitglieder von beiden Schiffen seien sicher an Land gebracht worden, ein Mensch kam demnach ins Krankenhaus.
Ein Sprecher von Premierminister Keir Starmer sagte, es sei eine "äußerst besorgniserregende Situation". Ohne weitere Details zu kennen, werde nicht über die Unglücksursache spekuliert. Nach Angaben der britischen Küstenwache ist es "wahrscheinlich", dass das Unglück eine Verschmutzung des Meeres zur Folge haben wird.
Greenpeace "extrem besorgt" über mögliche Giftaustritte
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace teilte mit, man beobachte die Berichte genau. "Sowohl die hohe Geschwindigkeit als auch die Videos von den Folgen geben Anlass zu großer Sorge", sagte ein Sprecher. Es sei aber noch zu früh, das Ausmaß von Schäden für die Umwelt zu bestimmen. Die Größenordnung von Auswirkungen hingen von mehreren Faktoren ab, darunter der Typ und die Menge an Öl, die der Tanker geladen habe, der Treibstoff in beiden Schiffen und wie viel davon ins Wasser gelangt sei.
"Da immer mehr Informationen darüber auftauchen, was die Schiffe geladen hatten, sind wir extrem besorgt über die vielfältigen toxischen Gefahren, die diese Chemikalien für das Meeresleben darstellen könnten", erklärte Greenpeace-Wissenschaftler Paul Johnston.
Berichte über "Feuerball"
Es sei zu früh, um über die Unglücksursache zu spekulieren, sagte auch der Geschäftsführer der Reederei Stena Bulk, Erik Hanell. Das Unternehmen Crowley, das die Technik der "Stena Immaculate" betreut, teilte auf der Onlineplattform X mit, der Tanker habe vor Anker gelegen, als er von dem Frachter gerammt worden sei. Dabei sei ein Tank mit dem Flugzeugtreibstoff beschädigt worden und ein Feuer ausgebrochen. Es habe "mehrere Explosionen an Bord" gegeben. Auch der Leiter des Hafens von Grimsby sagte, ihm sei von einem "Feuerball" berichtet worden.
Der Vorsitzende des Stadtrates der nahegelegenen Stadt Hull sprach in der BBC von einer "verheerenden Lage". Die potenziellen Umweltfolgen seien besorgniserregend, in den kommenden Tagen müsse "sehr schnell" daran gearbeitet werden, diese zu verstehen. Die Küstenwache prüft, ob und welche Maßnahmen zur Bekämpfung von Umweltbedrohungen erforderlich sein könnten.