Seenotrettung im Mittelmeer Sea-Eye übt harte Kritik an Italiens Regierung
Die Hilfsorganisation Sea-Eye hat nach der Rettung 105 Geflüchteter die italienische Regierung kritisiert. Eigentlich hätten die Migranten schnelle Versorgung benötigt, die Helfer wurden aber an einen entfernten Hafen verwiesen.
Nach der Rettung von 105 Geflüchteten auf dem Mittelmeer hat die deutsche Hilfsorganisation Sea-Eye die Migranten in der süditalienischen Stadt Neapel an Land gebracht. Zwei Menschen konnten zu Beginn der Rettungsaktion nur tot aus dem Wasser geborgen werden.
Ein weiterer Geflüchteter wurde aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes bereits per Notfallevakuierung von Bord der Sea-Eye 4 in ein Krankenhaus gebracht. Nach Angaben von Sea-Eye sei die Person kurze Zeit später verstorben.
Behörden verweigern schnelle Hilfe
Die weiteren geretteten Menschen durften die Helfer vom Mittelmeer aus aber nicht an die sizilianische Küste bringen. Stattdessen wurde die Sea-Eye 4 dazu aufgefordert, den mehr als 1000 Kilometer entfernten Hafen von Pesaro an der Adriaküste anzusteuern.
Nach Protesten des Kapitäns wurde schließlich Neapel als Ziel zugewiesen, das noch immer rund 480 Kilometer von der Rettungsstelle entfernt liegt. Nach Angaben von Sea-Eye wäre ein sizilianischer Hafen deutlich schneller erreichbar gewesen und hätte die dringende Versorgung der Geretteten gewährleistet.
Zustand der Geretteten "extrem schlecht"
Die Menschen waren in der Nacht zu Freitag in zwei Einsätzen gerettet worden. Einsatzärztin Angelika Leist vom Verein German Doctors sagte, vor allem die Personen der ersten Rettung seien "in einem extrem schlechten Gesundheitszustand" an Bord gekommen. Sie hätten sechs Tage ohne Essen und ohne Trinkwasser zugebracht.
Zwar hätten viele Überlebende bereits im Bordkrankenhaus versorgt werden können, die Kapazitäten seien für alle Menschen aber bei weitem nicht ausreichend. Der von den italienischen Behörden zugewiesene Hafen von Pesaro läge dabei rund fünf Tage Reisezeit entfernt.
Italien behindert Seenotrettung
Nach einem neuen italienischen Dekret müssen zivile Schiffe nach einer Seenotrettung unverzüglich den ihnen zugewiesenen Hafen ansteuern, auch wenn es nicht der nächstgelegene ist. Auf dem Weg darf außerdem auf keine weiteren Notfälle reagiert werden.
Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, kritisierte Italien für diese Regelung; Fachleute für internationales Recht halten sie für rechtswidrig. Der Vorsitzende von Sea-Eye, Gordon Isler, nannte es "zynisch, bei der Zuweisung des Hafens von Neapel von einem Entgegenkommen zu sprechen". Die italienische Regierung erschwere die Arbeit von Seenotrettungsorganisationen und verlängere so auch das Leid schutzsuchender Menschen.
Italien versucht mit verschärften Regelungen für zivile Seenotretter die Migration von Geflüchteten einzudämmen. Dafür arbeitet man auch mit den Behörden der Abreiseländer zusammen. Das italienische Innenministerium verzeichnete in diesem Jahr bislang annähernd 5000 Bootsmigranten. Bis Anfang Februar lag die Zahl im Vorjahr bei etwa 3000.
Drei Tote bei Bootsunglück vor Lesbos
Zu einem erneuten Bootsunglück mit mindestens drei Toten kam es vor der griechischen Insel Lesbos. 16 Menschen seien gerettet worden, teilte die griechische Küstenwache mit. Die Geretteten sagten den griechischen Behörden demnach, es seien 41 Menschen an Bord gewesen, als die Migranten von der türkischen Küste aus starteten.
An der umfangreichen Suchaktion waren nach Angaben der Küstenwache Patrouillenboote und ein Hubschrauber beteiligt. In der Region herrschten Winde der Stärke sechs, hieß es. Erst am vergangenen Sonntag waren beim Untergang eines Bootes mit Migranten an Bord vor der Insel Leros eine Frau und vier Kinder ums Leben gekommen.