Türkei Luftangriffe und Razzien nach Anschlag
Einen Tag nach dem Anschlag auf das Innenministerium geht die Türkei massiv gegen PKK-Kämpfer und ihre Unterstützer vor. Beobachter fürchten den Beginn einer Spirale der Gewalt.
Die Türkei gibt sich nach dem Anschlag von gestern demonstrativ entschlossen. Am Morgen veröffentlicht Innenminister Ali Yerlikaya ein Video von Einsätzen der Anti-Terroreinheit der Polizei - unterlegt mit dramatischer Musik. Zu sehen sind gepanzerte Polizeifahrzeuge und schwer bewaffnete Beamte. In der Nacht durchsuchen sie Wohnungen von Verdächtigen in Istanbul und Kirklareli im Nordwesten des Landes. Schriftlich teilt Yerlikaya mit, im Rahmen der Aktivitäten seien 20 Personen festgenommen worden.
HDP beklagt "widerrechtliche Festnahmen"
Unter ihnen seien Kommunalpolitiker der kurdischen HDP. Diese wiederum spricht von "widerrechtlichen Festnahmen". Die Regierung sieht die HDP als politischen Arm der terroristischen PKK. Die Aktion habe sich gegen Unterstützer der PKK gerichtet.
Schon am Abend kamen Meldungen über Aktionen der türkischen Luftwaffe in Nordirak. 20 Stellungen mutmaßlicher PKK-Kämpfer seien attackiert worden. Das teilte das Verteidigungsministerium mit. Völkerrechtlich sei das in Ordnung. Das Ministerium beruft sich auf Artikel 51 der UNO-Charta, dem Recht auf Selbstverteidigung. Die Angriffe hätten sich gegen Höhlen, Unterstände, Bunker und Lager gerichtet. Dort seien auch Führungskräfte der PKK vermutet worden. Die Zahl möglicher Opfer ist unklar. Das Verteidigungsministerium spricht von vielen: "Bei den durchgeführten Operationen wurde eine große Anzahl von Terroristen (…) neutralisiert."
Furcht vor einer Spirale der Gewalt
Weitere Aktionen könnten folgen, eine neue Spirale der Gewalt in Gang gesetzt werden. Der Politikwissenschaftler Mesut Casin sagte im Sender CNN Türk, die Türkei könnte noch entschiedener gegen kurdische Milizen und PKK´ler vorgehen: "Einer der Attentäter ist ein PKK'ler. Wie ist er ins Land gekommen? Sehr wahrscheinlich aus dem Irak oder aus Syrien. Die Luftschläge gestern Nacht waren eine Mahnung, aber demnächst kann es zu Bodenoffensiven im Westen und im Osten des Euphrats kommen", so Casin.
Erdogans Strategie eines "Sicherheitsstreifens"
Westen und Osten des Euphrats - das ist in Nordsyrien. Dort agiert die YPG, aus türkischer Sicht ein Arm der PKK und ebenso terroristisch. Die Grenze zwischen Syrien und der Türkei ist lang. Der Präsident der Türkei, Erdogan, verfolgt schon lange das Ziel, hier eine Sicherheitszone zu schaffen - zum Schutz vor Angriffen - und zur Rückführung syrischer Geflüchteter. In seiner Rede zur Eröffnung der Sitzungsperiode des Parlaments nach der Sommerpause sagte Erdogan: "Unsere Strategie, alle unsere südlichen Grenzen durch einen mindestens 30 Kilometer tiefen Sicherheitsstreifen zu schützen und die Aktivitäten jenseits davon unter absoluter Kontrolle zu halten, gilt weiter. Die neuen Schritte, die wir unternehmen werden, sind nur eine Frage der Vorbereitung, der Zeit und des Umfelds. Wir sagen: Der Satz 'Wir können eines Nachts plötzlich kommen' sollte nicht überhört werden", so Erdogan.
Dass die PKK hinter dem Anschlag in Ankara steckt, gilt als sicher. Eine der PKK nahestehende Agentur hatte ein Bekenntnis der Organisation zu dem Anschlag veröffentlicht. Nach Regierungsangaben ist einer der beiden Attentäter als Mitglied der PKK identifiziert worden.
Attentäter hatten Waffen und Sprengstoff dabei
Die beiden Männer hatten einen Anschlag auf das Polizeipräsidium am Innenministerium in Ankara verübt. Einer hatte sich am Wachhaus neben einem Eingang in die Luft gesprengt - ob absichtlich oder unabsichtlich, ist unklar.
Die Dimension des Anschlags hätte jedenfalls sehr viel größer sein können. In dem Auto der Attentäter fanden Sicherheitskräfte nach Angaben des Innenministers etliche weitere Waffen und knapp zehn Kilo Plastiksprengstoff, Handgranaten sowie einen Raketenwerfer.