TV-Duell in Großbritannien Ein Überraschungsangriff und vage Positionen
Ungewohnt aggressiv ging Premier Sunak Herausforderer Starmer im ersten TV-Duell vor der britischen Parlamentswahl an. Der fand kein Gegenmittel. Was bedeutet das für den Wahlkampf?
Viele Briten hatten sich vom TV-Duell eine Antwort darauf erhofft, wie Tories und Labour die exorbitanten Lebenshaltungskosten senken wollen, denn das ist ihr derzeit drängendstes Thema. Exemplarisch stand dafür Zuschauerin Paula, die erzählte, sie koche sonntags für die ganze Woche vor, um den Ofen nur einmal einschalten zu müssen.
Doch weder Sunak noch Starmer konnten die Frage beantworten, wie es nun weitergeht. Sunak wiederholte gebetsmühlenartig, sein Plan für die Wirtschaft funktioniere - obwohl die Zuschauerin gerade das Gegenteil berichtet hatte. Er versprach weitere Steuersenkungen und konnte doch nicht plausibel machen, wie der Sozialstaat mit noch weniger funktionieren soll.
Doch Sunak gelang es, Starmer in die Defensive zu bringen, indem er ihn mit einem Dauerbrenner der Torys angriff: dem Vorwurf, Labour werde nach der Wahl die Steuern kräftig erhöhen.
Starmer tat sich auffällig schwer damit, das zu entkräften und versuchte seinerseits, den schwerreichen Sunak als abgehoben darzustellen - als jemanden, der nicht verstehe, in welcher Situation sich die Briten befinden.
Am Ende bleibt nicht nur bei der Debatte über diese Frage wenig Konkretes hängen. Vielleicht lag das auch am Format des TV-Duells, das nur kurze Antworten zuließ. Wofür die beiden Kandidaten stehen, wurde so nur bedingt ersichtlich.
Kernthema Migration
Sunak setzt nicht erst im Wahlkampf auf das Thema Migration. Vor anderthalb Jahren war er mit dem Versprechen angetreten, "small boats" zu stoppen, also Asylsuchende, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen. Bislang hat er das Versprechen nicht eingelöst.
Heute ist diese Zahl auf einem Rekordhoch. Es sterben Menschen auf der Route. Deswegen setzt Sunak auf Abschreckung. Asylsuchende sollen nach Ruanda ausgeflogen werden, damit ihr Gesuch dort bearbeitet wird. Ein Plan, der extrem umstritten in Großbritannien ist und bislang von Gerichten immer wieder gestoppt wurde.
Überraschenderweise hatte sich Starmer zuletzt offen dafür gezeigt, Anträge von Asylsuchenden in Drittländern zu verhandeln und bekräftigte diese Wende auch im TV-Duell - mit der Einschränkung, dass das Vorhaben mit internationalem Recht vereinbar sein müsse. Das aber wird von vielen Juristen angezweifelt.
Sunak dagegen bekam auffälligen Applaus, als er ankündigte, er werde die Europäische Menschenrechtskonvention aufkündigen, sollte sie ein Hindernis für seine Ruanda-Pläne sein. Sunak will sich von internationalen Verträgen nicht mehr bremsen lassen - das unterstützt zumindest ein Teil des Publikums.
Doch auch Starmer bekam Zustimmung für das Versprechen, er werde sich als Premierminister an internationale Verträge halten, denn Großbritannien dürfe auf der Weltbühne kein Außenseiter sein. Auch deshalb will er enger mit der EU zusammenarbeiten - hier wurden die Unterschiede zwischen den Kontrahenten doch deutlich.
Die Herkunftsfrage
Die Frage nach Herkunft und Lebensverhältnissen spielt in diesem Wahlkampf eine auffällige Rolle, und das liegt nicht zuletzt am großen Reichtum der Familie Sunak, deren Vermögen das des Königs übersteigt. Beide Politiker versuchen, ihre Herkunft aus einfachen Verhältnissen zu betonen. Aber überzeugt das?
Sunak besuchte früher eine teure Privatschule. Starmer dagegen kann glaubhaft von sozialen Nöten erzählen, von der Angst vor Mahnungen, wenn der Postbote kommt. Sein Vater hat in einer Fabrik gearbeitet, seine Mutter war Krankenschwester. Die Frage, ob er für sie für ein krankes Familienmitglied auch eine private Behandlung in Betracht ziehen würden, beantwortete er irritiert, aber gelassen - , seine Frau, Schwester und Mutter arbeiteten alle für die NHS. Er nutze keine private Krankenversicherung.
Sunak dagegen beantwortete die Frage mit ja, was wenig überraschend ist. Es passt nur wenig zum Versuch, sich volksnah zu geben. Der nationale Gesundheitsdienst NHS, der am Boden liegt, wird ein heikles Thema im Wahlkampf bleiben.
Offene Antipathie
Sunak und Starmer sind keine Gegner, die hinterher gemütlich ein Bier miteinander trinken würden - zwischen ihnen herrscht offene Antipathie. Das zeigte sich auch im TV-Duell. Sunak setzte dabei auf eine aggressive Strategie, unterbrach Starmer permanent und raubte ihm damit den Nerv, bis er irgendwann nur noch mit den Augen rollte.
Doch Starmer gelang es selten, in die Offensive zu kommen und Sunaks Anschuldigungen etwas entgegenzusetzen. Während er die gesamte Bilanz der Torys in den vergangenen Jahren attackierte, griff Sunak ihn persönlich an.
Bei einer Blitzumfrage von YouGov im Anschluss der Debatte kommt letzteres anscheinend an: 51 Prozent der Befragten fanden, Sunak habe sich am besten geschlagen. Starmer kam auf 49 Prozent. In Anbetracht der Tatsache, dass die Konservativen in den Sonntagsfragen meilenweit hinter Labour liegen, ist das ein ziemlicher Erfolg für Sunak.