Verhandlungen mit Russland "Unter der Bedingung, dass die Ukraine stark sein wird"
Die Ukraine werde alles für ein diplomatisches Ende des Krieges unternehmen, sagt Präsident Selenskyj in einem Interview. Doch dafür müsse sie zunächst in eine Position der Stärke gebracht werden. Was ist damit gemeint?
Donald Trump will ihn beenden, Olaf Scholz will ihn beenden und auch Wolodymyr Selenskyj will ihn beenden: den seit fast drei Jahren andauernden Krieg gegen die Ukraine. Ginge es nach Selenskyj, würde das schon im kommenden Jahr durch Verhandlungen geschehen.
Im Interview mit dem ukrainischen öffentlich-rechtlichen Sender Suspilne nennt der ukrainische Präsident dafür die Voraussetzungen:
Unter der Bedingung, dass die Ukraine nicht allein sein wird mit Russland. Unter der Bedingung, dass die Ukraine stark sein wird. Was für Verhandlungen kann es mit einem Mörder geben? Wenn wir mit Putin einfach reden - in der Lage, in der wir jetzt sind, nicht gestärkt durch einige wichtige Faktoren - dann verliert die Ukraine diese Verhandlungen bevor sie angefangen haben. Das ist kein gerechtes Ende dieses Krieges. Und auch kein gerechter Frieden. In einer Position der Schwäche können wir nicht verhandeln.
Militäranalyst: Sicherheitsgarantien nötig
Aktuell hat Russland die Initiative im Angriffskrieg gegen die Ukraine - und steigerte zuletzt massiv seine täglichen Luftangriffe mit Drohnen gegen zivile Ziele.
Für ein Ende des Krieges gebe es zwei Szenarien, sagt der ukrainische Militäranalyst Oleksandr Musienko. Zum einen die Kapitulation der Ukraine - wenn die Ukraine, geschwächt wie aktuell, in Verhandlungen müsse. Zum anderen aus einer Position der Stärke heraus, argumentiert Musienko.
Es sei möglich, die Ukraine in eine Position zu bringen, bestimmte Bedingungen zu stellen, so der Militäranalyst - wenn der Westen auch dahinter stünde.
Wir sind bereit zu verhandeln, aber nur, wenn einige Bedingungen erfüllt sind. Wenn wir Sicherheitsgarantien erhalten - einen Beitritt in die NATO oder andere Garantien. So dass Russland versteht, dass die Ukraine nicht entwaffnet, nicht entmilitarisiert wird, wie Putin sagte - sondern im Gegenteil - bewaffnet wird. Das ist eine Garantie.
Ein Drittel laut Umfragen zu Zugeständnissen bereit
Etwa ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung ist nach aktuellen Umfragen zu territorialen Zugeständnissen bereit. Fast drei Jahre Krieg und zehntausende Getötete und Verletzte haben die ukrainische Bevölkerung mürbe gemacht.
Ljudmyla Rodtschenko lebt im Kiewer Vorort Butscha - hier hat sie vor fast drei Jahren ihren Sohn zur Welt gebracht. Damals hielten russische Truppen den Ort besetzt und begingen massive Menschenrechtsverbrechen. Über die Situation heute sagt sie:
Es ist sehr schwer, vor allem, weil ich keine Fortschritte sehe. Ich weiß nicht, ob es irgendwann ein Ende geben wird. Ich hoffe bei Gott, dass der Krieg bald vorbei ist. Ich wünsche mir so sehr, dass meine Kinder eine gute Zukunft haben.
Scholz' Telefonat "Büchse der Pandora"
Die ukrainische Führung fürchtet um die Einigkeit ihrer westlichen Verbündeten. Das zeigt auch die prompte Kritik des ukrainischen Präsidenten an Olaf Scholz nach dessen Telefonat mit Wladimir Putin. Erstmals seit fast zwei Jahren hatte der deutsche Bundeskanzler am Freitag mit Russlands Machthaber telefoniert.
Von einer "Büchse der Pandora" sprach Selenskyj daraufhin. Russland wolle mögliche Verhandlungen nutzen, um seine internationale Isolation zu beenden, argumentiert der ukrainische Präsident. Die Ukraine aber benötige einen echten Frieden.