US-Außenminister Rubio, der Chef der ukrainischen Präsidialamtes Jermak, der ukrainische Außenminister Sybiha (R) and der ukrainische Verteidigungsminister Umerov bei den Beratungen über eine waffenruhe in Dschidda (Saudi-Arabien).
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Vorschlag einer Waffenruhe Was wurde in Dschidda vereinbart - und was bedeutet das?

Stand: 12.03.2025 17:06 Uhr

Nach massiven Spannungen zwischen den Präsidenten Trump und Selenskyj haben sich die USA und die Ukraine überraschend auf einen gemeinsamen Vorschlag für eine Waffenruhe geeinigt. Was sieht der Vorstoß vor - und wie reagiert Russland?

Was wurde in Saudi-Arabien vereinbart?

Das US-Außenministerium und das ukrainische Präsidialamt teilten am Dienstag nach Gesprächen in Saudi-Arabien in einer gemeinsamen Erklärung mit, die Ukraine habe einen US-Vorschlag angenommen, sofort eine vorläufige, 30-tägige Feuerpause umzusetzen. Wie diese Feuerpause im Detail aussehen soll, geht aus der Erklärung nicht hervor. Es bleibt deshalb unklar, ob die Waffenruhe entlang der gesamten Front gelten soll oder sich auf bestimmte Formen der Kriegsführung in einem bestimmten Gebiet beschränkt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte dazu, die USA hätten im Rahmen einer umfassenden Feuerpause vorgeschlagen, dass auch die Raketen-, Drohnen- und Bombenangriffe nicht nur im Schwarzen Meer, sondern auch entlang der gesamten Frontlinie eingestellt werden.

Vom Tisch ist damit offenbar ein Vorschlag einer einmonatigen begrenzten Waffenruhe "in der Luft, auf den Meeren und bei der Energieinfrastruktur", den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgeschlagen hatte und der vom britischen Premier Keir Starmer unterstützt wurde. Eine solche Waffenruhe wäre leichter zu überwachen gewesen als eine Waffenruhe, die für das gesamte Kampfgebiet gilt, wo sich allein der Frontlauf auf rund 900 Kilometer erstreckt.

In der gemeinsamen Erklärung heißt es weiter, dass die Feuerpause nach den 30 Tagen im gegenseitigen Einvernehmen verlängert werden könnte. Dies hänge von einer Zustimmung und Umsetzung durch die Russische Föderation ab.

Gab es weitere Vereinbarungen in Dschidda?

Für die Ukraine besonders wichtig ist die Mitteilung, dass die USA dem Land "sofort" wieder Geheimdienstinformationen zur Verfügung stellen und die Militärhilfe wieder aufnehmen. US-Geheimdienstinformationen über russische Truppenbewegungen und bevorstehende Luftangriffe - zum Beispiel aufgrund von Satellitenbeobachtungen - sind für den Verteidigungskampf der Ukraine und den Schutz ihrer Zivilbevölkerung von immenser Bedeutung. Experten sahen in ihrem Stopp eine massive Schwächung der ukrainischen Armee. Dass die Lieferung von Militärgütern bereits wieder läuft, bestätigte die polnische Regierung - über das Land läuft der Transport der Rüstungsgüter.

Die Ukraine und die USA vereinbarten zudem, so bald wie möglich ein umfassendes Rohstoffabkommen abzuschließen. Dieses ist eigentlich seit Wochen vorbereitet, wurde jedoch nach einem massiven und öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Selenskyj und US-Präsident Donald Trump am 28. Februar vor laufenden Kameras im Weißen Haus auf Eis gelegt. Trump fordert US-Zugang zu Rohstoffen in der Ukraine als Gegenleistung für Militärhilfe.

Die USA und die Ukraine unterstrichen zudem die Bedeutung humanitärer Maßnahmen wie den Austausch von Kriegsgefangenen, der Freilassung von Zivilisten und der Rückführung verschleppter ukrainischer Kinder.

Was wurde nicht vereinbart?

Die Mitteilung erwähnt nichts von Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dies hatte Präsident Selenskyj lange Zeit als Voraussetzung für Verhandlungen mit Russland gefordert, um zu verhindern, dass Russland ein Ende der Kampfhandlungen dazu nutzt, sich auf einen erneuten Angriff auf die Ukraine vorzubereiten. Auch ein Rohstoffabkommen mit den USA hatte die Ukraine zunächst an Sicherheitsgarantien geknüpft. Nach dem Eklat im Weißen Haus hatte Selenskyj diese Forderung aber nicht mehr erhoben. Die gemeinsame Erklärung lässt nun darauf schließen, dass die Ukraine diesen Anspruch fürs Erste aufgegeben haben.

Die neue US-Administration hatte schon vorher deutlich gemacht, dass sie zu solchen Garantien nicht bereit ist; sie betrachtet dies als Sache der Europäer. Außerdem sei ein Rohstoffabkommen der beste Schutz, weil dann im Fall eines neuen russischen Angriffs US-Interessen berührt würden. Das bekräftigte US-Außenminister Marco Rubio nach den Gesprächen, räumte aber auch ein, dass die Ukraine Sicherheitsgarantien brauche.

Wie reagiert Russland?

Das russische Präsidialamt hat sich zunächst zurückhaltend zu dem Vorstoß geäußert. Man werde die Erklärung nach den US-ukrainischen Gesprächen sorgfältig prüfen, sagt der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow. Erst nach einem Studium der Vorschläge werde es eine Antwort geben. Die Äußerung von Peskow ist damit diplomatischer als die Reaktion von Außenminister Sergej Lawrow, der durchblicken ließ, dass Moskau bei den Friedensverhandlungen bei seinen Maximalforderungen bleiben wolle. Er sehe nur wenig Raum für Kompromisse.

Beobachter wie der Russland-Experte Andreas Heinemann-Grüder glauben, dass die US-amerikanisch-ukrainische Übereinkunft eine Enttäuschung für Russland darstelle. Russland habe gehofft, dass Trump Selenskyj noch stärker unter Druck und womöglich fallenlassen werde, sagte Heinemann-Grüder im Gespräch mit tagesschau24. Deswegen gehe es Moskau nun darum, erst einmal Zeit zu gewinnen, um herauszufinden, was die USA ihnen für eine Waffenpause anbieten oder womit sie drohen würden.

Wie geht es jetzt weiter?

Nach der Übereinkunft soll nun erst Russland umfassend informiert werden. Kremlsprecher Peskow schloss ein kurzfristiges Telefonat zwischen Präsident Wladimir Putin und Trump nicht aus. Trump hatte schon am Dienstag erklärt, er könne noch diese Woche mit Putin sprechen.

Parallel dazu soll Trumps Sondergesandter Steve Witkoff nach Moskau reisen und Putin treffen. Zudem soll der Nationale Sicherheitsberater der USA, Mike Waltz, in den kommenden Tagen mit seinem russischen Kollegen zusammenkommen.

Welche Druckmittel haben die USA gegenüber Russland?

Nach vielen freundlichen Äußerungen über Wladimir Putin hat Trump zuletzt auch die Möglichkeit von verschärften Sanktionen gegen Russland erwähnt. Er denke "ernsthaft über weitreichende Banken-Sanktionen, Sanktionen und Zölle gegen Russland nach, bis eine Waffenruhe und eine endgültige Friedensvereinbarung erreicht sind", schrieb Trump am Wochenende auf Truth Social.

Bislang hat es Russland geschafft, sich auf viele Sanktionen einzustellen oder diese zu umgehen. Ökonomen weisen aber darauf hin, dass die wirtschaftlichen Probleme Russlands trotz eines Booms in den vergangenen Jahren wieder zunehmen dürften und das Land dadurch anfälliger im Falll von neuen Sanktionen werden könnte. Eine Untersuchung der Stiftung Wissenschaft und Politik nennt beispielhaft Sanktionen auf wichtige Exportgüter wie Flüssiggas oder Düngemittel. Auch ein niedrigerer Ölpreis könnte den russischen Haushalt stark belasten.

Neue Waffenlieferungen an die Ukraine könnten zudem einen weiteren Vormarsch der russischen Armee erschweren. Allerdings hat Trump bislang dazu wenig Bereitschaft erkennen lassen. Umgekehrt wäre eine weitere Annäherung der USA an Russland ein erheblicher Prestigeerfolg für Putin, dessen langfristiges Ziel es ist, einen Spalt zwischen die USA und Europa zu treiben. Ein ähnlicher Erfolg wäre es für Russland, wenn die USA als Gegenleistung für eine Waffenruhe und etwaige Friedensgespräche Sanktionen gegen Russland aufheben würden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. März 2025 um 17:00 Uhr.