Sommerzeit Die EU streitet weiter über die Zeitumstellung
Am Wochenende ist es wieder soweit: In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren eine Stunde vorgestellt. Eigentlich sollte die Zeitumstellung längst abgeschafft werden, aber bei dem Thema hapert es in der EU.
Die Zeitumstellung abzuschaffen - das hatte die EU-Kommission 2018 vorgeschlagen, das Parlament hatte 2019 zugestimmt. Seitdem herrscht Schweigen, weil die EU-Staaten uneins sind, sagt die EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. Die Grünenpolitikerin ist Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz.
"Die Situation ist aber - ehrlich gesagt - auch gar nicht so einfach. Viele, viele Menschen haben sich dafür ausgesprochen, die Sommerzeit abzuschaffen. Es gibt aber auch Mitgliedsstaaten, die das nicht wollen. Ich persönlich finde es einfach total wichtig, dass wir nicht in einem Flickenteppich landen."
Problem in der großen europäischen Zeitzone
Ein zentrales Problem ist, dass auch die Staaten, die für die Abschaffung der Zeitumstellung sind, noch überlegen, ob danach für sie die Sommerzeit oder die normale Mitteleuropäische Zeit - MEZ - gelten soll. In der großen zentraleuropäischen Zeitzone, die von Spanien im Westen bis Polen im Osten reicht, ist dies keine leichte Entscheidung, weil am Ende einige Länder im Dunkeln sitzen könnten, während am anderen Ende von Europa noch die Sonne scheint.
Da sind einige Fragen offen, sagt der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Ismail Ertug. Die Mitgliedsstaaten müssten da endlich ihren Job machen: "Und deshalb habe ich einen Brief an den zuständigen Bundeswirtschaftsminister Herrn Altmaier verfasst. Aber auch der deutsche Minister hat das Thema nicht mal auf die Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft gesetzt, und die ist ja seit Januar vorbei."
Bundesregierung für "harmonisiertes Vorgehen"
Im Bundeswirtschaftsministerium sieht man sich allerdings nicht in der Pflicht. Und teilt auf Anfrage schriftlich mit, dass Brüssel die Regularien vorgebe: "Aus Sicht der Bundesregierung ist es wichtig, Zeitinseln zu verhindern und einen harmonisierten Binnenmarkt zu gewährleisten. Die Bundesregierung erachtet zudem eine europaweite Folgenabschätzung als eine wichtige Voraussetzung für ein angemessenes und harmonisiertes Vorgehen."
84 Prozent der Europäer für Abschaffung
Das allerdings klingt nach einem vorgeschobenen Argument, denn welche Auswirkungen eine bestimmte Standardzeit hat, hängt von spezifischen Faktoren, wie der geografischen Lage ab, weshalb die einzelnen Mitgliedsstaaten diese Beurteilung vornehmen müssten.
Für Brüssel war vor allem eine Befragung ausschlaggebend, nach der 84 Prozent der Europäer für die Abschaffung der Zeitumstellung waren. Auch wenn sich an der Umfrage nur rund ein Prozent der EU-Bevölkerung beteiligte - darunter vor allem Deutsche - könne man den Willen der Menschen nicht einfach ignorieren, sagt der CDU-Politiker Peter Liese. Er ist gesundheitspolitischer Sprecher der EVP, der größten Fraktion im EU-Parlament.
"Ich bedaure sehr, dass sich der Ministerrat vor der Corona-Pandemie nicht die Zeit genommen hat, das Thema zu lösen. Dass das jetzt während der Pandemie keine Priorität hat, ist selbstverständlich. Aber ich kritisiere, dass in den zwölf Monaten davor die Mitgliedsstaaten insgesamt nicht bereit waren, auf den klaren Wunsch der Bürgerinnen und Bürger einzugehen."
Ob die Abschaffung der Zeitumstellung im Rat der 27 EU-Mitgliedsländer irgendwann wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird, ist völlig offen. Auch die laufende portugiesische Ratspräsidentschaft will das Thema offensichtlich nicht behandeln.