Frankreichs Landwirte protestieren Mercosur, Macron und die Wut der Bauern
Frankreichs Bauern wollen ab heute drei Tage lang ihre Wut auf die Straße tragen. In erster Linie richtet sich die gegen das geplante Mercosur-Abkommen der EU mit Südamerika - doch der Frust geht tiefer.
Arnaud Rousseau ist in Frankreich ein mächtiger Mann: Präsident der Landwirtschaftsorganisation FNSEA, durchaus vergleichbar mit dem Bauernverband in Deutschland. Und wenn Rousseau über das geplante europäische Freihandelsabkommen mit Südamerika spricht, gerät er in Rage.
Es werde der Tod sein für viele Bauernhöfe, weil dann massenhaft billig produziertes Fleisch, billiger Zucker, billiger Wein nach Frankreich komme, damit könnten die französischen Landwirte nicht konkurrieren. "Mercosur hat dramatische Folgen", sagt Rousseau und meint: für die Bauern, aber auch für Verbraucherinnen und Verbraucher, denn die Preise für Lebensmittel würde dadurch drastisch steigen.
Mit dieser Tonlage trifft der Bauernchef die Gefühlslage in Frankreich in diesen Tagen ziemlich gut. Das Land sieht sich mit einer immer höheren Staatsverschuldung konfrontiert, die Premierminister Michel Barnier mit einem Sparhaushalt bekämpfen will und dafür eine Streichung von Sozialausgaben, aber auch höhere Steuern, angekündigt hat.
Die Stimmung im Land ist schlecht
Da kommt die Aussicht auf zusätzlich noch höhere Preise für die Ernährung im Genussland Europas überhaupt nicht gut an. Eine willkommene Vorlage für die Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen, die angekündigt hat, der Regierung in der Assemblée Nationale die Zustimmung für den Haushalt zu verweigern: Man werde in Frankreichs Parlament nichts mehr akzeptieren, was die Kaufkraft der Franzosen noch weiter amputiere. Le Pen nennt das eine "rote Linie".
Auch die politische Linke lehnt höhere Belastungen für Arbeitnehmer, Rentner, Bauern ab - es ist eine zornige, wütende Stimmung im Land gegen die Regierung, die Bauernproteste gegen das Mercosur-Abkommen fügen sich in ein Gesamtbild.
Proteste weniger schlagkräftig als erwartet
Und tatsächlich ist der Ärger über Mercosur vor allem so etwas wie ein Aufhänger für die gesamte Wut, den die Bauern in Frankreich schon in der vergangenen Woche auf die Straße gebracht haben, beispielsweise mit der Blockade des Hafens von Bordeaux und der wichtigsten Autobahnverbindung an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien oder auch mit gemeinsamen Protesten mit Landwirten aus Deutschland auf der Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg.
Im ganzen Land gab es Aktionen, Traktorkolonnen, Lkw-Ladungen mit Mist, Gülle oder einfach auch matschiger Erde, die auf Straßen oder vor Rathäusern ausgekippt wurden, große Holzfeuer und Demonstrationen an großen Straßen.
Allerdings: Aus der Ankündigung, mit den Aktionen Frankreichs Lebensmittelversorgung quasi lahmzulegen, ist zumindest bisher nichts geworden. Und überhaupt: Ganz so groß wie erwartet sind die Proteste bislang auch nicht.
Nein zu Mercosur: Die Haltung dieser französischen Bauern bei ihrem Protest in Straßburg Mitte November ist eindeutig.
Warten, dass Versprechen erfüllt werden
Aber das könne sich ändern, heißt es bei der FNSEA. Das eine ist nämlich das geplante Mercosur-Abkommen, das andere sind nicht umgesetzte Versprechen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die er den Landwirten schon vor fast einem Jahr gemacht hatte, darunter zusätzliche Subventionen, weniger Verwaltungsaufwand und weniger staatliche Kontrollen der Betriebe, Steuerentlastungen für Agrardiesel, Mindestpreise für landwirtschaftliche Produkte im Großhandel.
Die Rede ist von einer Liste mit insgesamt 60 Einzelmaßnahmen: Leere Versprechen seien das, ärgern sich viele Landwirte.
Doch so soll es nicht bleiben, sagt Frankreichs Agrarministerin Annie Genevard und legt mit einem weiteren Versprechen nach: In den nächsten Tagen werde sie Erleichterungen für die Landwirtschaft ankündigen.
Man stehe schließlich gerade erst am Anfang von solchen Schritten, auf die Bäuerinnen und Bauern im ganzen Land zu recht schon lange warten würden. Vor allem mit Blick auf die Bürokratie sollen die Dinge einfacher werden. Zweifelhaft, ob sich Frankreichs Landwirtschaft in diesen Tagen mit so etwas abspeisen lässt.
Macron braucht Verbündete gegen Mercosur
Immerhin: Macron hat angekündigt, das Mercosur-Abkommen in dieser Form auf EU-Ebene nicht unterstützen zu wollen. Es scheint, als wolle er den Eindruck vermitteln, den Freihandelsvertrag aufhalten zu können.
Doch um ihn wirklich blockieren zu können, bräuchte er mindestens vier EU-Staaten, die Mercosur auch nicht wollen. Man sei dazu in engen Gesprächen mit den Mercosur-Kritikern Polen, Österreich und Italien, heißt es aus dem Elysée.
Trotzdem könnte es sein, dass Macron am Ende in Brüssel überstimmt wird und Mercosur Realität wird. Nicht ausgeschlossen, dass die bisher vergleichsweise verhaltenen Bauernproteste in Frankreich dann nur ein Vorgeschmack gewesen sind auf das, was dann kommen könnte.