"PanamaPapers" Islands Premier parkte Geld in der Karibik
Die Finanzkrise hat Island hart getroffen, die Wut auf Banker ist seither groß. Die "PanamaPapers" zeigen nun: Ausgerechnet der Premier und zwei seiner Minister haben mit Briefkastenfirmen gearbeitet.
Sigmundur David Gunnlaugsson stottert. Der sonst so souveräne Premierminister ringt sichtlich um Worte. "Also, es ist eine Gesellschaft", sagt er und stockt. "Wenn ich mich recht erinnere, hat sie etwas mit einer Firma zu tun, für die ich mal im Aufsichtsrat saß und sie hatte ein Konto…" Kurz darauf steht Gunnlaugsson auf und verlässt den Raum. Das Fernsehinterview ist beendet.
Premier und seine Frau haben Briefkastenfirma
Die Firma, nach der der schwedische Fernsehsender SVT den isländischen Premier vor laufender Kamera gefragt hatte, heißt "Wintris Inc.". Gunnlaugsson und seine Frau Anna Sigurlaug Palsdottir haben die Firma 2007 mithilfe der Luxemburger Tochter der isländischen "Landsbanki"-Bank erworben. Das belegen Unterlagen der Anwaltskanzlei "Mossack Fonseca", die der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt worden sind, und die sie mit NDR, WDR und dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) ausgewertet hat. "Mossack Fonseca" verkauft Briefkastenfirmen wie die auf den Britischen Jungferninseln gegründete "Wintris". Die Ergebnisse der Recherche werden als "PanamaPapers" international veröffentlicht.
Laut Dokumenten, die unter anderem die Plattform "Wikileaks" veröffentlicht hat, ist die Firma des Premiers Gläubiger von "Landsbanki" und "Kaupthing", Islands beiden großen, in der Finanzkrise bankrott gegangenen Banken. Insgesamt beläuft sich das Investment von "Wintris Inc." auf rund vier Millionen US-Dollar. Möglicherweise hat die Firma anderweitig auch investiert, diese Information ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich.
Die "PanamaPapers" zeigen, dass "Wintris" im März 2008 ein Konto bei der Londoner Filiale der Bank "Credit Suisse" eröffnete. Als Gunnlaugsson 2009 in das Parlament einzog, war er noch Teilhaber von "Wintris". Die Unterlagen offenbaren zudem, dass er seinen Anteil am 31.12.2009 an seine Frau verkauft hat - für einen Dollar. Gunnlaugsson hat diesen Vorgang selbst abgezeichnet.
Wut auf "Bankster" in Island
Im Herbst 2008 brachen die drei wichtigsten Banken des Landes in sich zusammen, neben "Kaupthing" und "Landsbanki" auch die "Glitnir"-Bank. In der Bevölkerung herrschte Wut auf die "Bankster", halb Banker halb Gangster. Lange und intensiv hat Islands Regierung um die Zukunft der Banken gerungen, Milliarden wurden verbrannt. Nicht nur Großanleger waren betroffen, fast alle isländischen Familien hatten Sparkonten und haben Geld verloren.
Gunnlaugsson stieg auf, als die Krise sich abschwächte. Er stand an Spitze derer, die Einschnitte zunächst von internationalen Schuldnern forderten und Isländer bevorzugt entschädigen wollten. Dass zunächst er selbst, dann seine Frau Anteile an jenen Banken im Wert von mehreren Millionen Euro hielt, verschwieg Gunnlaugsson. Unter anderem seine Position zur Entschädigung der Banken-Gläubiger verhalf seiner Fortschrittspartei zum Wahlerfolg und machte ihn 2013 mit damals 38 Jahren zum jüngsten isländischen Premier aller Zeiten. Die Firma "Wintris" verschwieg er bereits, als er das erste Mal ins Parlament einzog, obwohl die Ethik-Regeln ihn dazu verpflichtet hätten. Der Premierminister widerspricht dieser Auslegung der Regeln.
Auch zwei Minister nutzten Offshore-Firmen
Gunnlaugsson ist nicht das einzige Kabinettsmitglied, dessen Offshore-Aktivitäten durch die "PanamaPapers" öffentlich werden. Finanzminister Bjarni Benediktsson war Generalbevollmächtigter der Offshore-Gesellschaft "Falson & Co.", gegründet im Jahr 2005 von "Mossack Fonseca" auf den Seychellen. 2012 wurde die Gesellschaft offenbar aufgelöst. Noch im Februar 2015 hatte Benediktsson in einer Fernsehsendung gesagt, er habe "nie irgendwelche Anlagen in Steueroasen oder dergleichen gehabt". Als Reporter ihn im Zuge der "PanamaPapers"-Recherchen mit den neuen Erkenntnissen konfrontierten, sagte er, dass er fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass die Firma ihren Sitz in Luxemburg habe - was für ihn keine Steueroase sei. Die Firma nutzte er demnach für ein Immobilienprojekt in Dubai.
Die Unterlagen zeigen auch, dass die Innenministerin Olöf Nordal und ihr Ehemann seit 2006 Generalbevollmächtigte der Offshore-Firma "Dooley Securities S.A." mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln sind. Die Aktien der Firma hielt, offenbar treuhänderisch, die "Landsbanki Luxemburg". Im August 2007 sprang "Dooley Securities" als Bürge gegenüber der "Landsbanki" ein: Für Tomas Mar Sigurdsson, Nordals Ehemann, der zu diesem Zeitpunkt selbst in vollem Umfang über die Briefkastenfirma verfügen konnte. Er ist heute in leitender Position bei einem großen Aluminiumkonzern angestellt. Sigurdsson erklärte auf Anfrage, dass die "Landsbanki" ihm geraten habe, die Firma anzulegen, um einen möglichen Aktienverkauf vorzubereiten. "Der ist nie geschehen [...] und ich habe nie Geld in die Firma übertragen", sagte Sigurdsson weiter. Er betonte zudem, dass weder er noch seine Frau die Aktien der Firma gehalten hätten. "Wir besitzen keine Offshore-Gesellschaft und haben nie eine besessen", sagte er.
Frau des Premiers verteidigt Offshore-Aktivität
Vier Tage nachdem Premierminister Gunnlaugsson das TV-Interview abgebrochen hatte, meldete sich seine Frau zu Wort. In einem öffentlichen Facebook-Beitrag erklärte sie: "Das Vorhandensein der Firma war niemals ein Geheimnis". Sie habe die Firma als Investment-Vehikel für Geld eingerichtet, dass ihr aus dem Verkauf eines Familienunternehmens zustand. Es sei ein Versehen der "Landsbanki Luxemburg" gewesen, dass ihrem Mann die Hälfte der Firma zugeschrieben worden war. Nachdem man den Fehler zwei Jahre später bemerkt habe, habe man die Firma sofort auf sie umgeschrieben.
Nachdem NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" gemeinsam mit anderen Medienpartnern den Premierminister zusätzlich zu dem Fernseh-Interview um eine schriftliche Antwort auf Fragen zur "Wintris Inc." gebeten hatten, antwortete ein Sprecher: "Wie öffentlich erklärt, haben der Premierminister und seine Frau mit der Einrichtung der Gesellschaft nicht gegen isländisches Gesetz verstoßen. Das beinhaltet, dass alle Anlagen und Einkommen in isländischen Steuererklärungen seit 2008 deklariert worden sind."
Hunderte Isländer eröffneten Briefkastenfirmen
Vor dem Bankencrash glaubten viele Isländer noch, sie hätten einen der progressivsten Finanzmärkte der Welt. Über dem Hafen Reykjaviks thront das Wahrzeichen der Stadt: Ein verglastes Opernhaus mit schillernder Fassade. Als der Finanzsektor boomte, wurde es in Auftrag gegeben. In dieser Zeit haben besonders viele Isländer Offshore-Firmen über "Mossack Fonseca" eröffnet. Gut 600 isländische Namen finden sich in den Daten, 800 Firmengründungen: Viele Mittelständler, kleinere Unternehmer, Medienpersönlichkeiten, der reichste Isländer und auch weitere Politiker. Sie sind leicht zu finden in den Daten der "PanamaPapers". Fast alle isländischen Nachnamen enden entweder auf -dottir (Tochter) oder -son (Sohn), wie auch bei Gunnlaugsson.
Zumindest für die Kabinettsmitglieder bedeuten die Veröffentlichungen erhebliche politische Schwierigkeiten. Im Internet ist eine Petition gestartet worden, in der Premierminister Gunnlaugsson wegen seiner Offshore-Geschäfte zum Rücktritt aufgefordert wird. Als Reaktion auf den Facebook-Eintrag seiner Frau hat sich - ebenfalls in dem sozialen Netzwerk - eine Gruppe gegründet, die vor dem Parlament für Neuwahlen protestieren möchte. Es haben sich bereits jeweils über 10.000 Menschen beteiligt. Eine große Zahl, für ein Land mit etwa 330.000 Einwohnern.