Reaktionen Deutsche Behörden fordern Dateneinsicht
Steuerregeln müssten transparenter und Schlupflöcher gestopft werden - mit diesen Forderungen reagiert die deutsche Politik auf die jüngsten Enthüllungen über Steueroasen. Zudem haben die Strafverfolgungsbehörden Interesse an den kompletten Datensätzen angemeldet.
Die Veröffentlichung von millionenfachen Daten über Steuertricks ist von der Bundesregierung begrüßt worden. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, mit den Veröffentlichungen werde Druck für mehr Transparenz erzeugt, Akteure steuerlicher Parallelwelten würden bekannt. "Transparenz ist der Untergang jeder Steueroase", fügte Seibert hinzu.
Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) forderte als Konsequenz der Veröffentlichungen transparentere Steuerregeln in der Europäischen Union. "Nur so können wir auch weltweit glaubwürdig für mehr Steuergerechtigkeit eintreten", sagte Maas. Es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass etwa auch Internetgiganten auf ihre riesigen Milliardengewinne in Europa künftig angemessene Steuern entrichten müssten und nicht wie bisher nur Kleckerbeträge. Die Steuerschlupflöcher in der EU müssten gestopft werden, forderte Maas.
Auch in Brüssel hörte man die Forderung nach mehr Transparenz in Steuerdingen. Die EU-Kommission nannte die Enthüllungen "schockierend". Finanzkommissar Pierre Moscovici rief die Mitgliedstaaten dazu auf, stärker gegen Steuerflucht vorzugehen. Die "Paradise Papers" zeigten einmal mehr, dass "manche Unternehmen und reiche Einzelpersonen" zu allem bereit seien, um Steuerzahlungen zu vermeiden. Beim Treffen der Euro-Finanzminister sagte Interimsressortchef Peter Altmaier (CDU): "Wir werden die neuen Dokumente klar überprüfen, wir werden Auswirkungen diskutieren, die das auf anstehende EU-Gesetzgebungsvorhaben hat."
13,4 Millionen Dokumente
Laut "Süddeutscher Zeitung, geht es um 13,4 Millionen Dokumente - 1,4 Terabyte Datenmaterial, von zwei Finanzdienstleistern sowie den Unternehmensregistern von 19 Steueroasen. Darin tauchten die Namen von 120 Politikern aus fast 50 Ländern auf, dazu die von Unternehmern und Sportlern. Zu den prominentesten Fällen gehören U2-Frontmann Bono, ein Vertrauter des kanadischen Premiers Justin Trudeau oder auch die deutsche Milliardärsfamilie Engelhorn. Das generelle Problem, das die Daten offenbaren: Die Praktiken müssen nicht illegal sein.
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums kündigte eine "gründliche" Analyse der Veröffentlichungen zu möglichen deutschen Verbindungen an. "In dem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn diese Informationen der deutschen Finanzverwaltung so wie sie sind zur Verfügung gestellt werden", sagte er. Auch das Innenressort äußerte den Wunsch nach Einsicht der Papiere, sie sollten den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden.
"Süddeutsche" lehnt Daten-Weitergabe ab
Eine Weitergabe der gesamten Daten an die Behörden lehnt die "Süddeutsche Zeitung" allerdings ab.
Die Unterlagen wurden der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt. Aus Gründen des Quellenschutzes macht die SZ keine Angaben über Herkunft, Zeitpunkt und Abläufe und wird die Originaldokumente und -daten nicht der Allgemeinheit und auch nicht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen. Allein schon aus Gründen des Quellenschutzes wäre dies nicht möglich. Die SZ ist außerdem nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung, eine Zusammenarbeit würde gegen journalistische Prinzipien verstoßen. Dem Staat stehen ausreichend Mittel zur Verfügung, den hier aufgedeckten Missständen nachzugehen.
Allerdings hat das Netzwerk Investigativer Journalisten (ICIJ), dem auch Reporter der "Süddeutschen Zeitung" angehören, angekündigt, Teile der Daten im Laufe des Monats veröffentlichen zu wollen.
"Steueroasen auch mitten in der EU"
Der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, betrachtet die neuerlichen Entüllungen nur als die "Spitze eines Eisbergs". Er wundere sich nicht über das, was nun neu in diesem Bereich bekannt werde, sagte Eigenthaler. Es habe schon so viele ähnliche Fälle gegeben, nicht zuletzt die "PanamaPapers". Eigenthaler warf Deutschland und der EU vor, zu wenig auf Europa zu schauen, wenn es um Steuerflucht und Steuerhinterziehung gehe. "Wir haben nicht nur Steueroasen in der Südsee und in der Karibik - wir haben sie mitten in der EU." Auch Malta, Luxemburg und Irland gehörten dazu.
Das sehen auch Abgeordnete im Europaparlament so: Die Bundesregierung müsse ihre Blockade gegen europäische Gesetze gegen Steuerdumping und Finanzkriminalität aufgeben, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold. Markus Ferber (CSU) meinte, solange die EU ihre eigenen Steueroasen nicht in den Griff bekomme, sei es unglaubwürdig, mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Auch NGOs wie die Entwicklungsorganisation Oxfam sehen die Politik in der Pflicht. Die Bundesregierung und die Regierungen anderer EU-Staaten träten der weltweiten Steuervermeidung nicht energisch genug entgegen. "Regelmäßig zeigen Enthüllungsjournalisten, wie sich internationale Konzerne vor ihrem fairen Beitrag zum Allgemeinwohl drücken, und regelmäßig unterlassen es Regierungen, daraus Konsequenzen zu ziehen", erklärte Oxfam-Steuerexperte Tobias Hauschild. "Die Rechnung zahlen wir alle." Den EU-Ländern entgingen durch Steuervermeidung von Konzernen Jahr für Jahr dreistellige Milliardenbeträge, Entwicklungsländern laut Schätzungen mindestens 100 Milliarden US-Dollar jährlich.
Regeln müssten nur angewandt werden
Die globalisierungskritische Organisation Attac forderte öffentliche Transparenzregister und ein Verbot von Geschäften in Steuerparadiesen. "Es gibt durchaus wirksame Mittel gegen Steuertricks von Konzernen und Reichen - sie müssen nur angewandt werden", sagte Attac-Sprecher Alfred Eib.
Rund anderthalb Jahre nach den "Panama Papers" hat das neue Datenleck erneut Steuertricks von Politikern, Konzernen und Superreichen in aller Welt offengelegt. Die Millionen Dokumente wurden vom internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) ein Jahr lang ausgewertet.