EU gegen Plastikmüll "Das Problem ist das billige Öl"
Im Kampf gegen Plastikmüll will die EU-Kommission heute die Verbotspläne vorstellen. Der SWR-Umweltexperte Werner Eckert sagt im tagesschau.de-Interview, die Verbotspläne seien sinnvoll, reichten aber nicht.
tagesschau.de: Wenn man im Meer schwimmt, trudelt einem viel Plastik entgegen, aber nicht unbedingt Gabeln. Warum will die EU jetzt ausgerechnet Plastikbesteck verbieten?
Werner Eckert: Große Müllgebinde, die auch recycelt werden, sind nicht so problematisch wie eben dieser Kleinplastikkram - Trinkhalme und dergleichen. Die werden gerne mal weggeworfen. Da gibt es kein Pfand drauf, die kosten nichts, und die bekommt man, obwohl man sie oft gar nicht haben wollte. Dieser Kleinkram kann auch nicht recycelt werden, weil der häufig verschmutzt ist. Deshalb ist die EU besonders scharf darauf, den zu verbieten.
tagesschau.de: Warum macht die EU nicht gleich Nägel mit Köpfen und lässt auch Oxo-Kunststoffe verbieten, die bei Wärme in Kleinstpartikel zerfallen?
Eckert: Diese Kleinststoffe sind in der Tat ein riesiges Problem. Mittlerweile sind weltweit überall Plastikreste nachweisbar - sowohl im arktischen Eis, als auch am landfernsten Meerespunkt. Plastik möglichst einschränken - das ist eine extrem sinnvolle Geschichte, aber es funktioniert nicht wirklich.
Pfandsystem ist erfolgreich
tagesschau.de: Inwiefern?
Eckert: Es gibt Staaten, die zum Beispiel Plastiktüten verboten oder mit hohen Abgaben belegt haben. Pfand in Irland hat Erfolg gehabt. Das Verbot in Ruanda hat diesen afrikanischen Staat sehr viel sauberer gemacht - optisch sauberer zumindest. Aber unsere Wirtschaft ist ohne Kunststoff überhaupt nicht denkbar. Und deshalb müsste man sehr viel tiefer ansetzen, wenn man Kunststoffverpackungen vermeiden will.
Plastikteilchen treiben selbst dort im Meer, wo keine Menschen leben - hier auf der Wasseroberfläche in der Framstrasse der Arktis zwischen Ostgrönland und Spitzbergen.
tagesschau.de: Wo genau müsste man ansetzen?
Eckert: Bei der Herkunft von Plastik. Plastik ist ja nur der Ausdruck eines Problems, das wir mit fossilen Treibstoffen haben. Plastikkunststoff ist ein Erdölprodukt. Und Erdöl verursacht viele der Klimaprobleme, die wir haben. Das hängt alles damit zusammen, dass diese fossilen Brennstoffe viel zu billig sind. Ihr wahrer Wert ist nicht in Preisen gefasst. Plastik kostet praktisch nichts und wird deshalb in Massen verwandt. Weil Erdöl billig ist, haben wir aber auch sehr billige Transporte. Die Quelle des Problems ist eigentlich der fossile Brennstoff Öl.
Billiges Öl hat viele Folgekosten
tagesschau.de: Warum ist der zu billig?
Eckert: Weil die gesamten ökologischen Folgekosten, die wir tragen müssen, dort nicht drin sind. Insofern sind Klimawandel und Meeresverschmutzung ökologische Folgekosten des zu billigen Öls.
tagesschau.de: Ein Verbot von Plastik soll ja auch nicht die einzige Maßnahme sein. Die EU-Kommission erwägt auch die Einführung einer Steuer auf Plastik.
Eckert: Die CO2-Steuer oder eine Steuer auf fossile Energien ist ja ein uralter Ansatz, weil Ökologen und Ökonomen schon seit Jahrzehnten sagen: Im Grunde brauchen wir Preise, die die Wahrheit sagen. Dann regelt sich im Nachgang alles sehr viel einfacher als das jetzt der Fall ist.
tagesschau.de: Inwiefern einfacher? Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?
Eckert: Wenn ich etwa an Bier denke, dann ist die Mehrwegglasflasche nur dann vorteilhaft, wenn sie in einem engen Bereich gehandelt wird. Wenn ich die Flasche Bier von Kiel nach München fahre und leer wieder zurück, zum Wiederbefüllen, dann ist das ökologisch eigentlich schon wieder unsinnig. Das hängt auch mit der Frage des Transports zusammen. Wenn Öl mit einem CO2-Preis zusätzlich belastet würde, dann wäre auf der einen Seite der Kunststoff teurer, das spräche also für eine Mehrwegflasche, auf der anderen Seite wäre aber auch der Transport teurer und damit wäre eine regionale Mehrwegflasche die Lösung, und das wäre ökologisch die richtige Kombination.
tagesschau.de: Nun haben Sie eben geschildert, wie sich selbst in den landfernsten Meeresteilen noch Plastikpartikel befinden - sind da Maßnahmen aus Europa nicht einfach nur Tropfen auf dem heißen Stein?
Eckert: Das ist richtig, wenn man die Gesamtmenge betrachtet, aber wenn nicht jeder bei sich selbst anfangen würde, dann bekäme man ja gar kein Problem gelöst. Außerdem sind andere nicht untätig. Ich habe eben das Beispiel eines so wenig industrialisierten Staates wie Ruanda angeführt. Selbst die haben das Plastikproblem angegriffen. Und die Nachbarstaaten schließen sich nun an.
Selbst Biokompost enthält Plastik
tagesschau.de: Bei Plastikmüll denken wir vor allem an die Ozeane. Welche anderen Lebensbereiche sind betroffen?
Eckert: Alle eigentlich. Eine Studie über Biokompost, der auf unseren Äckern ausgebracht wird, hat beispielsweise nachgewiesen, dass potenziell mehrere Tausend Tonnen Plastik dadurch in der Landschaft verteilt werden. Mindestens eine Kläranlage in Schleswig-Holstein hat über Jahre die Nordsee mit Plastikpartikeln belastet, weil dort Kleinteile einfach verklappt wurden. Das belastet dann die Fische und am Ende der Kette wieder uns selbst, weil wir diese Fische essen.
tagesschau.de: Manche spotten, Müll und Mülltrennung sei des Deutschen Lieblingsthema. Droht nicht von anderer Seite noch größere Gefahr? Sie haben eben CO2, Kohle und Gas angesprochen.
Eckert: Was das größte Umweltproblem der Welt ist, darüber kann man natürlich lange rätseln. Aber ich glaube, dass der billige fossile Treibstoff die Basis des Problems darstellt. Daran hängen die Plastikvermüllung und der Klimawandel. Wir haben uns viele Umweltprobleme eingehandelt - aber wir können sie auch überwinden. Wir sehen ja heute, dass eine Energiewende machbar ist. Wir müssen diesen Weg nur weitergehen.
Verbraucher können mithelfen, aber der Staat muss lenken
tagesschau.de: Bis ein Verbot oder eine Plastiksteuer in Kraft tritt, sind aber wieder Millionen von Plastikgabeln ins Meer geschwommen - was kann man selbst tun, um sich nicht wie ein Klimasünder zu fühlen?
Eckert: Wir können zum Beispiel bei einem Kaffeeautomaten eine eigene Tasse unterstellen. Oder bestimmte Supermärkte lassen es zu, dass man sich eigene Mehrwegbehälter mitbringt, um sich Waren abfüllen zu lassen. Ich kann Besteck zu einem Fest mitbringen, um Plastikbesteck zu vermeiden, ich kann auf Plastiktüten verzichten. Das hat ja alles schon hervorragend geklappt. Manchmal genügt ein kleiner Sinneswandel in der Gesellschaft. Ich glaube aber, dass es im Großen die Verbraucher überfordert, man kann nicht alles auf sie abwälzen. Deshalb braucht man politische Lenkungsinstrumente wie Verbote oder Preissignale. Dann funktioniert so etwas auch.