Sondertreffen zu Iran und Libyen EU setzt auf Diplomatie
Wegen der dramatischen Entwicklungen im Nahen Osten und in Libyen haben sich die Außenminister der EU zu einer außerplanmäßigen Krisensitzung getroffen. Das Ziel: Geschlossenheit zeigen.
Was kann Europa tun, um die Spirale der Gewalt zu bremsen und einen neuen Golfkrieg zu verhindern? Diese Frage stand beim Sondertreffen im Mittelpunkt, zu dem der frischgebackene Außenbeauftragte Josep Borrell die EU-Minister geladen hatte. Sein Fazit zur Lage: Das Jahr habe "ein wenig kompliziert" begonnen.
Nach einer Woche hektischer Reise- und Telefon-Diplomatie sowie diversen Appellen zur Mäßigung wollte man noch einmal demonstrieren, dass die Europäische Union - entgegen allen Unkenrufen - nicht nur Zaungast am geopolitischen Spielfeldrand sein will.
Die Botschaft von Brüssel: Militärische Vergeltungsschläge werden die Probleme der Region kaum lösen. Jetzt sei die Stunde des Dialogs und der Diplomatie, meint auch der Bundesaußenminister: "Die Europäische Union muss weiter eine Rolle spielen", sagte Maas. Der Irak dürfe nicht zum Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Iran werden.
Gute und belastbare Beziehungen zum Iran
Das Mittel der Wahl, aus Sicht von Maas und seinen EU-Partnern: die nach wie vor intakten Gesprächskanäle nach Teheran, über die die US-Regierung derzeit nicht verfügt. Besonders die drei großen EU-Mitgliedsstaaten - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - pflegen trotz aller Vorbehalte noch immer gute und belastbare Beziehungen zum Iran. Nicht zuletzt, weil sie Mit-Unterzeichner des vor rund viereinhalb Jahren geschlossenen Atomdeals sind.
Heiko Maas: "Die Europäische Union muss weiter eine Rolle spielen."
Während Washington das Abkommen 2018 verlassen hat, hält die EU weiter daran fest. Das macht sie für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum idealen Vermittler. Außenminister Maas kündigte in Brüssel an, "dass wir mit dem Iran darüber reden, ob der Iran dabei bleibt, dass er seine Verpflichtungen nicht mehr einhält." Das könne so nicht bleiben und könne so auch nicht akzeptiert werden.
Kündigung des Atomabkommens ausgeschlossen
Der gerade erst bekräftigten Forderung von US-Präsident Donald Trump, das stark gefährdete Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen, will man ausdrücklich nicht nachgeben, weil man es weiter für wichtig hält. Hier sei die Haltung der EU unverändert, betonte Maas' niederländischer Kollege Stef Blok. Die europäische Position sei stets gewesen: Solange der Iran die Bedingungen erfülle, erfüllen wir unsere. Denn die Verbreitung von Nuklearwaffen, besonders in diesem Teil der Welt, müsse um jeden Preis vermieden werden.
Nach der jüngsten Eskalation und entsprechenden Drohungen aus Teheran, wieder in großem Stil Uran anzureichern, will man dem Mullah-Regime allerdings klarmachen, dass man Verstöße gegen die Vereinbarung nicht einfach so hinnehmen wird. So erwägen die Außenminister als mögliches Druckmittel, den im Vertrag vorgesehenen Konfliktlösungs-Mechanismus zu aktivieren, an dessen Ende die ausgesetzten UN-Sanktionen wieder in Kraft treten könnten.
Idee einer regionalen Friedenskonferenz
Außerdem wird über eine Art regionale Friedenskonferenz für den Nahen und Mittleren Osten nachgedacht, mit allen maßgeblichen Akteuren. Vorbild: die KSZE von Helsinki, die seinerzeit im Kalten Krieg für Entspannung sorgte. "Wenn die Parteien nicht zum Verhandlungstisch wollen, dann bringen wir den Verhandlungstisch zu ihnen", sagte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg.
Lückenlose Aufklärung von Flugzeugabsturz
Einhellig sprachen sich die Chefdiplomaten der EU und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg dafür aus, den ominösen Absturz der ukrainischen Boeing 737 über Teheran lückenlos aufzuklären und den internationalen Militäreinsatz im Irak fortzusetzen. Bei beiden ist die Sorge groß, dass das Land in der aktuellen Konfrontation unter die Räder gerät und die mühsam erzielten Erfolge bei der politischen Stabilisierung und im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" leichtfertig verspielt werden könnten.
Einen Stellvertreterkrieg, mit verheerenden Folgen für Europas Sicherheit, befürchtet man schließlich auch in Libyen. Der Sondergesandte der UN, Ghassan Salamé, erstattete den Außenministern dazu Bericht. "Wenn es uns nicht gelingt, in Kürze eine politische Lösung für Libyen zu finden, dann wird Libyen das zweite Syrien", sagte Maas. Und das dürfe nicht der Fall sein, mahnte er.
Fragwürdige Erfolgsaussichten
Im Rahmen des sogenannten Berliner Prozesses bietet die Bundesregierung deshalb ihre Vermittlerdienste an. Ziel auch hier: Alle relevanten Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen und einen Dialog unter dem Dach der UN in Gang zu setzen.
Reelle Erfolgsaussichten werden der Initiative freilich nur eingeräumt, wenn sich die lokalen Kriegsherrn, wie der mächtige General Chalifa Haftar, auf einen Waffenstillstand einlassen und ausländische Mächte, wie Russland oder die Türkei, ihre Söldner abziehen.