Handelsstreit Vorläufige Strafzölle der EU auf E-Autos aus China
Die EU-Kommission hat vorläufig zusätzliche Einfuhrzölle auf E-Autos aus chinesischer Produktion verhängt. Je nach Hersteller liegen die Aufschläge zwischen 17,4 und 37,6 Prozent - zusätzlich zum bereits geltenden Einfuhrzoll.
Begleitet von viel Kritik aus Deutschland erhebt die EU-Kommission ab Freitag die vorläufigen Strafzölle auf Importe von Elektroautos aus China. "Die Ausgleichszölle gelten ab dem 5. Juli für eine Dauer von höchstens vier Monaten", teilte die EU-Behörde in Brüssel mit.
Offiziell eingeführt werden die Zölle aber erst im November, bis dahin will die EU endgültig über die Zölle entscheiden. Bis November gilt nun eine Übergangszeit, in der die Unternehmen die Zölle noch nicht zahlen, aber garantieren müssen.
BYD, Geely und SAIC betroffen
Die Strafzölle treffen unter anderem das Unternehmen BYD, das derzeit im großen Stil die Fußball-Europameisterschaft sponsert. Konkret steht für BYD ein vorläufiger Strafzoll von 17,4 Prozent, für Geely 19,9 Prozent und für SAIC 37,6 Prozent im Raum. Geely produziert unter anderem die elektrischen Smart-Modelle 1 und 3 sowie den Volvo EX30. SAIC baut den in Deutschland populären MG4. Für andere Hersteller sind 20,8 Prozent vorgesehen, und für Firmen, die bei der Untersuchung nicht kooperiert hatten, würde ein Strafzoll in Höhe von 37,6 Prozent fällig.
Die Kommission hatte bereits Mitte Juni die Zollaufschläge auf den bisher geltenden Satz von zehn Prozent angekündigt. Sie sind das Ergebnis einer Untersuchung der EU-Kommission. Diese ergab, dass die gesamte Wertschöpfungskette für Elektroautos in China stark subventioniert wird und durch die Einfuhren chinesischer E-Autos eine klar voraussehbare und unmittelbar bevorstehende Schädigung der Industrie in der EU droht. Kommissionsangaben zufolge sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle.
Deutschland befürchtet chinesische Reaktion
In Deutschland sorgt das Vorgehen der EU-Kommission für Sorgen, weil etwa Vergeltungsmaßnahmen befürchtet werden, die vor allem deutsche Autohersteller treffen könnten. China ist der größte Automarkt der Welt und war laut Verband der Automobilindustrie (VDA) im Jahr 2023 für Autos aus Deutschland der drittgrößte Exportmarkt - nach den USA und dem Vereinigten Königreich. Deutsche Firmen könnten aber nicht nur von Gegenmaßnahmen betroffen sein, sondern auch von den EU-Maßnahmen selbst - denn sie produzieren teils in China für den Export.
Oliver Sallet, ARD Berlin, mit Reaktionen aus Deutschland auf die Strafzölle für chinesische E-Autos
Entsprechend fielen auch die Reaktionen aus der deutschen Autoindustrie aus: "Die Einführung zusätzlicher Importzölle führt in eine Sackgasse", erklärte BMW-Chef Oliver Zipse. Sie schadeten den global agierenden Unternehmen, schränkten das Angebot an E-Autos ein und bremsten die Dekarbonisierung. "Die negativen Auswirkungen dieser Entscheidung überwiegen den etwaigen Nutzen für die europäische und insbesondere die deutsche Automobilindustrie", sagte ein Sprecher von Volkswagen.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dringt deswegen auf eine politische Lösung. Deutschland habe kein Interesse daran, "dass es einen Wettlauf von Zöllen gibt und die Märkte dadurch fragmentiert werden", betonte er jüngst. Zu den Befürwortern der Zölle gehörten nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters dagegen Länder wie Frankreich, Italien und Spanien.
China zeigt sich kompromissbereit
Nach Verkündung der EU-Entscheidung zeigte sich China gegenüber der EU-Kommission weiter verhandlungsbereit. "Ich hoffe, dass die europäische und die chinesische Seite aufeinander zugehen, Aufrichtigkeit zeigen und den Konsultationsprozess beschleunigen", sagte ein Sprecher des Pekinger Handelsministeriums.
Es wurden bereits im Vorfeld Gespräche auf Arbeitsebene aufgenommen, die noch weiterlaufen mit dem Ziel, eine Lösung im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) zu finden. Trotz der Verhandlungen hatte China schon vor der Einführung der Strafzölle immer wieder mit Gegenmaßnahmen gedroht und könnte seinerseits nun Zölle auf Luxusgüter, Cognac oder Schweinefleisch erheben.
Die EU-Staaten könnten die vorgeschlagenen Zölle nur stoppen, wenn sich eine sogenannte qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag ausspricht. Qualifizierte Mehrheit bedeutet in der Regel, dass mindestens 15 EU-Staaten zustimmen müssen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.
Auto-Importe könnten deutlich sinken
Einer Studie zufolge werden die Importe von Autos aus China in die EU nach der Einführung neuer Zölle auf Elektrofahrzeuge deutlich zurückgehen. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel rechnet laut einer heute veröffentlichten Studie mit einem Rückgang um 42 Prozent. Die Preise für Elektroautos in Europa werden danach langfristig aber nur geringfügig beeinflusst.
Die sinkenden Importe aus China werden den Forschenden zufolge durch mehr Verkäufe von Produzenten aus Europa und Einfuhren aus anderen Drittländern ausgeglichen. In China dürften die Preise für E-Autos sinken, in Europa indes leicht um 0,3 bis 0,9 Prozent steigen. Kurzfristig könnten diese Effekte den Forschenden zufolge größer sein.