Europawahl 2024
Neuwahlen in Frankreich Macron, der Pyromane?
Neuwahlen, um den Rechtsruck in Frankreich zurückzusetzen? Nicht alle Mitstreiter von Präsident Macron glauben, dass dieses Kalkül aufgeht. Linke Kräfte unterstellen ihm Spinnerei - und bringen sich als Gegenkraft in Stellung.
Hat Macron das Land in eine Krise gestürzt oder einen vielversprechenden Befreiungsschlag gewagt? Das ist die Frage, die heute alle umtreibt. Es kursiert die These, Macron wolle den Rassemblement National demaskieren. Wenn der erst mal Regierungsverantwortung habe, werde er sich schon selber entlarven - so das Kalkül.
Nicht alle Mitstreiter Macrons glauben, dass diese Rechnung aufgeht. Zum Beispiel Parlamentspräsidentin Jael Braun-Privet. Sie hätte das Macron-Lager im Parlament gerne auf andere Weise gestärkt. "Es hätte einen anderen Weg gegeben. Wir hätten eine Koalition schmieden können, einen Regierungspakt", sagt sie. "Der Präsident sieht diese Möglichkeit nicht und ich nehme seine Entscheidung zur Kenntnis."
Die Linke ist zerstritten
Auch Vertreter des linken Spektrums halten Macrons Strategie für hoch riskant. Francois Ruffin von der linksextremen La France Insoumise sagte in der Nacht: "Wir haben einen Spinner an der Spitze des Staates. Das ist ein Pyromane. Macrons Partei wird sich eine zweite Klatsche einfangen. Das ist alles. Was bleibt, um den Rassemblement National zu stoppen, ist deshalb nur die Linke."
Doch wie soll diese geeinte Linke zustande kommen? Im Wahlkampf haben sich die Mitglieder des linken Oppositionsbündnisses NUPES scharf attackiert. Die Linksextremen haben den Gaza-Krieg genutzt, um die Sozialisten zu diffamieren: Sie stünden nicht eindeutig auf der Seite der Palästinenser, die einen Genozid erlebten.
RN: "Wir sind bereit"
Auch im rechten Lager geht es heute um die Frage von möglichen Wahlbündnissen. Denn der Rassemblement National müsste die Anzahl seiner Sitze in der Nationalversammlung von 88 auf 289 steigern, um eine absolute Mehrheit zu erreichen. Ein gigantischer Kraftakt, doch Sebastien Chenu, stellvertretender Parteipräsident ist optimistisch, schließlich ist seine Partei gerade in fast allen Wahlkreise auf Platz eins gelandet.
Wir verkörpern die Hoffnung. Viele Franzosen glauben, dass es Frankreich mit unseren Rezepten besser gehen könnte. Ja, das ist eine große Verantwortung, aber wir sind bereit.
Chaos statt Klarheit?
Macron hat davon gesprochen, Klarheit bekommen zu wollen. Drei Punkte sprechen dafür, dass seine Entscheidung mehr Chaos als Klarheit bringt. Erstens: Es ist unwahrscheinlich, dass Macrons Lager, das jetzt nur eine relative Mehrheit hat, nach den Wahlen eine absolute Mehrheit erringt und durchregieren könnte.
Zweitens: Wenn der extrem rechte RN tatsächlich die absolute Mehrheit bekommt, gäbe es eine Kohabitation. Das heißt, Macron müsste einen RN-Premierminister ernennen. Zähes Ringen um jeden Millimeter Politik wäre vorprogrammiert.
Und drittens: Sollte es keinem Lager gelingen, eine absolute Mehrheit zu bekommen, wäre das Land entweder auf unerprobte Koalitionen oder auf wechselnde, wackelige Mehrheiten angewiesen - und damit vermutlich auf Jahre hinaus gelähmt.