Krieg in Nahost Woran Falschmeldungen zu erkennen sind
Der Krieg in Nahost emotionalisiert Menschen auf der ganzen Welt - und macht sie dadurch anfälliger, auf Falschmeldungen hereinzufallen. Denn was ins eigene Weltbild passt, wird schneller geglaubt - und weiterverbreitet.
Ob falsche Angaben zur Explosion an einem Krankenhaus in Gaza, antisemitische Verschwörungserzählungen oder der Vorwurf von inszeniertem Leid: Seit dem Angriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel werden die Geschehnisse in Nahost von einer Flut an Falschmeldungen in den Sozialen Netzwerken begleitet - mit teils enormer Reichweite.
Desinformation begleitet und beeinflusst große politische Geschehnisse unserer Zeit. Insbesondere bei emotionalisierenden Ereignissen wie Konflikten, Krisen, Katastrophen oder Kriegen verbreiten sich vermehrt Desinformationen, da der Bedarf in unübersichtlichen Situationen nach schnell verfügbaren Informationen und Orientierung enorm hoch ist und oft viele Bilder oder Videos von vermeintlichen Augenzeugen im Umlauf sind. Das wird immer wieder ausgenutzt, um gezielt zu desinformieren - wie beispielsweise während der Corona-Pandemie oder beim russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Hinzu komme, dass der Krieg in Nahost weitreichende Folgen für die Menschen vor Ort habe und auch weltweit viele Menschen aufwühle, sagt Lea Frühwirth, Senior Researcher beim CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie). "Lang zirkulierende antisemitische Stereotype und Verschwörungsmythen treten erschreckend offen zutage, heizen den Diskurs auf und tragen zu einem beängstigenden Anstieg antisemitischer Übergriffe bei. Vor diesem Hintergrund können Desinformation, Propaganda und Verschwörungserzählungen zum Kriegsgeschehen verstärkt zirkulieren."
Was ist Desinformation?
Nicht jede Falschmeldung ist jedoch automatisch auch Desinformation. Desinformationen sind bewusst irreführende Behauptungen, die gezielt verbreitet werden. Es handelt sich bei Desinformation nicht um rhetorische Spitzen oder versehentliche Fehler, wie sprachliche Ungenauigkeiten. Das entscheidende Kriterium liegt in der Intention, Menschen in die Irre zu führen oder Meinungen zu manipulieren.
Der aus dem Englischen stammende Begriff Misinformation beschreibt hingegen versehentlich grob ungenaue Angaben oder journalistische Fehler, die auch als "poor journalism" bezeichnet werden.
Desinformation wird gezielt für politische Zwecke oder gar als Kriegswaffe eingesetzt. "Bei Konflikten und Krieg geht es den beteiligten Parteien grundsätzlich darum, die eigene Seite gut und die des Gegners schlecht darzustellen", sagt auch Frühwirth. "Desinformation und Propaganda sollen Haltungen und Verhalten bei denen auszulösen, die sie sehen - beispielsweise Solidarität mit der eigenen und Sanktionsforderungen für die andere Seite auslösen."
Woran erkennt man Desinformation?
Um Desinformation zu identifizieren, gibt es kein Patentrezept. Es ist aber möglich, durch einige einfache Schritte Hinweise zu erhalten, ob Bilder authentisch und Informationen belastbar erscheinen.
Grundsätzlich ist die Quelle ein wichtiger Indikator dafür, ob Bilder oder Informationen vertrauenswürdig sind oder nicht. So gelten Nachrichtenagenturen wie beispielsweise dpa, AFP oder AP als vertrauenswürdige Quellen, da sie das Material vor der Veröffentlichung prüfen. Bei Bildern und Videos werden - soweit möglich - Quelle, Datum und Aufnahmeort angegeben. Auch große Nachrichtenmedien prüfen vor der Veröffentlichung Bildmaterial. Allerdings können selbstverständlich auch Agenturen und große Medien Fehler machen. Solche sollten dann transparent korrigiert werden.
Ähnlich wie in der realen Welt hilft es, sich zu fragen: Wer erzählt mir gerade was? Woher kommt diese Information? Und was verbreitet diese Quelle sonst? Da Desinformationen häufig auf Emotionalisierung und Empörung setzen, gilt es bei sehr dramatischen und emotionalisierenden Inhalten besonders vorsichtig zu sein.
Wer sich unsicher ist, ob das Material seriös und authentisch ist, kann immer überprüfen, ob es dazu Faktenchecks gibt. Google bietet dafür eine spezielle Suche nach Stichworten und Sprachen an.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz?
Die Verwendung von KI-generierten Bildern hat auch für Desinformationszwecke zugenommen, sie sind derzeit jedoch noch kein Massenphänomen in Desinformationskampagnen.
Software, die KI-generierte Bilder automatisch und verlässlich identifizieren kann, wird entwickelt, allerdings gibt es derzeit kein Tool, was wirklich valide Ergebnisse liefert. Auch hier kommt es auf den Gesamteindruck an, der durch einige Schritte der Prüfung gewonnen werden kann.
Wie kann man KI-generierte Bilder erkennen?
Auf den ersten Blick ist es nicht immer einfach, ein KI-generiertes Bild von einem echten zu unterscheiden. Doch sind in den Details häufig Bildfehler oder optische Ungereimtheiten zu finden. Das kann beispielsweise eine zu glatte Haut, eine verzerrte Mimik oder ein Finger zu viel sein. Manchmal stimmen die Proportionen nicht. Auch Hintergründe, wie Bäume, Gebäude oder Möbel können unrealistisch scheinen.
Ein KI-generiertes Bild sorgte in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit dem Krieg in Nahost für Aufsehen. Darauf ist ein Kind mit Blut im Gesicht zu sehen, neben ihm am Boden eine Frau mit ebenfalls blutverschmiertem Gesicht. Das Kind hebt die linke blutige Hand nach oben. Verbreitet wird das Bild mit der Überschrift: "Raise your hand if you stand with Palestine" (auf deutsch: "Hebe deine Hand, wenn du an der Seite von Palästina stehst").
Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf: Das Kind hat sechs Finger, auch die Augenbrauen der Frau sind ziemlich gerade. Denn das Bild ist nicht echt, sondern KI-generiert.
Stimmt der Kontext?
Darüber hinaus ist stets der Kontext eines Bildes oder Videos zentral, ob KI-generiert oder nicht. Denn oftmals wird Bildmaterial aus dem Kontext gerissen und als aktuelles Material zu einem Vorfall präsentiert. Mit einer Bilderrückwärtssuche, bei der man ein Bild bei einer Suchmaschine wie Google oder Yandex hochlädt, werden einem dasselbe oder ähnliche Bilder mit dem Motiv angezeigt. So kann nachgeprüft werden, ob es dasselbe Bild oder ein Bild derselben Situation von einer seriösen Quelle wie einer Nachrichtenagentur gibt und in welchem Zusammenhang es entstanden ist.
Des Weiteren liefern schriftliche Angaben zu einem Bild weitere Anhaltspunkte, ob diese plausibel erscheinen: Wann und wo wurde das Bild zuerst veröffentlicht? Decken sich die Angaben mit anderen Informationen? Was haben Medien an dem Tag berichtet?
Erst prüfen, dann teilen
Der Erfolg von Desinformation hängt davon ab, inwieweit Nutzerinnen und Nutzer irreführende Inhalte teilen. Wenn man sich nicht sicher ist, sollte man etwas lieber nicht teilen und abwarten, bis gesicherte Erkenntnisse vorliegen. "Man sollte zur Verbreitung von Desinformation und Verschwörungserzählungen nicht auch noch beitragen", sagt auch Frühwirth.
Denn jeder könne auf Desinformation hereinfallen: "Die Gefahr ist besonders hoch, wenn ein irreführender Inhalt dem eigenen Weltbild entspricht - dann schaut man nämlich nicht so genau hin", so Frühwirth. Wer also mit einer Seite im Konflikt sympathisiere, werde Desinformation über vermeintliche Gräueltaten der Gegenseite weniger kritisch prüfen und sie eher weiterteilen.