Bundestagswahl 2025
Bundestagswahlkampf Der Ton wird rauer, das Thema ist gesetzt
Durch den tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg rückt Migration noch mehr ins Zentrum des Wahlkampfs. Bislang hatte die AfD die Deutungshoheit bei dem Thema. Ändert sich das nun?
Der Messerangriff eines ausreisepflichtigen Asylbewerbers auf Kita-Kinder in Aschaffenburg ist noch keine 24 Stunden her. Doch fern vom Tatort im politischen Berlin tobt da inmitten des Wahlkampfes schon ein verbaler Überbietungswettbewerb: Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten streiten über den Zustand des Staates bei der Migrationspolitik.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz tritt in Trump'scher Manier mit einem Fünf-Punkte-Plan vor die Kameras - mit dem, was er sofort ändern würde, wäre er an der Regierung: "Das Maß ist endgültig voll", sagt er als Reaktion auf den Angriff in Aschaffenburg - und kritisiert dies als Folgen von "zehn Jahren fehlgeleiteter Asyl- und Einwanderungspolitik". Der CDU-Chef unterschlägt dabei, dass mehr als die Hälfte der Zeit eine Unions-geführte Bundesregierung diese Politik mit verantwortete. Die offensive Kritik an Angela Merkels Flüchtlingspolitik seitens ihres Nachfolgers ist nicht neu, sie wird nur schriller: Es ist Bundestagswahlkampf.
Merz-Kontrahent Olaf Scholz klingt nicht viel anders: "Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen. Von Tätern, die eigentlich zu uns gekommen sind, um hier Schutz zu finden. Da ist falsch verstandene Toleranz völlig unangebracht", sagte der SPD-Kanzlerkandidat laut einer Mitteilung.
Noch stärkere Zuspitzung
Dieser Wahlkampf ist durch das vorzeitige Ende der Ampelkoalition kürzer als sonst. Das hat auch Auswirkungen auf die Art, wie er geführt wird - schneller, womöglich auch noch oberflächlicher als sonst. Die Zeit für Wahlwerbebotschaften ist knapper. Wahlplakate werden gerade noch aufgehängt, da wird einen Monat später schon gewählt. Das führt nun am Beispiel Aschaffenburg deutlich erkennbar zu einer noch stärkeren Zuspitzung, als es Wahlkämpfen ohnehin eigen ist.
Scholz präsentiert auf der Plattform X mit gut inszeniertem Foto bereits am Abend der Tat Handlungsfähigkeit, indem er die Innenministerin und die Chefs der Sicherheitsbehörden zusammenrief und Konsequenzen ankündigte - auch diese schnelle Reaktion und bildliche Präsentation des Regierungschefs lässt sich auch mit dem Wahlkampf begründen.
Der Eben-noch-Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner spricht auf der Plattform X in einem offenbar schnell aufgezeichneten Küchen-Video plötzlich vom "veritablen Staatsversagen". Man könne so nicht weitermachen. Er fordert "eine andere Einwanderungspolitik", ihm gehe es "um Sicherheit in Deutschland".
Es geht um viel: Um Handlungsfähigkeit bei einem Thema wie Migration, das die ausländerfeindliche und in Teilen rechtsextreme AfD schon lange auf die Agenda setzt. Nach Einschätzung der Politologin Sabine Kropp hat sie damit längst die Deutungshoheit über diesen öffentlichen Diskurs erlangt.
Einfache Lösungen gefragt
Die Forderung nach Abschiebungen in großem Stil sei bereits nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt lauter geworden. "Tödliche Angriffe wie der jüngste in Aschaffenburg geben diesen Forderungen nach einfachen Lösungen in einem zunehmend harten Wahlkampf weitere Nahrung", sagt Kropp im Gespräch mit tagesschau.de.
Dieser Wahlkampf im Winter zeichnet sich nach Einschätzung der Politologin Ursula Münch besonders durch Stimmungsmache im digitalen öffentlichen Raum aus - wer mag schon bei Minusgraden auf einem Marktplatz stehen und diskutieren? Gerade das Thema Migration eignet sich dabei für plakative Forderungen, nach mehr Abschiebungen etwa.
Parteien wie die AfD, aber auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) versuchen, dabei das Sicherheitsbedürfnis der Wählenden zu adressieren. In diesem Wahlkampf scheint das auch zu punkten: Zuletzt nannten 37 Prozent der DeutschlandTrend-Befragten Zuwanderung und Flucht als "wichtigstes Problem". Der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt dürfte dabei eine Rolle gespielt haben.
Das Thema könnte weiter an Gewicht zulegen - im Monat vor der Bundestagswahl 2017 trieb es 47 Prozent der Menschen um. Das werden die Parteien im Blick haben.
Es dürfte also kein Zufall sein, dass auch FDP-Spitzenkandidat Lindner das Thema Sicherheit zunehmend im Zusammenhang mit Einwanderung erwähnt. Seine Partei muss immerhin um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. "Menschen haben Sorge um die eigene Sicherheit und die Sicherheit ihrer Kinder", sagte Lindner bereits im Dezember. Weil sie das Gefühl hätten, dass Deutschland sich in den vergangenen Jahren verändert habe, "auch infolge der irregulären Migration in unsere Gesellschaft". Es scheint, als hätte dieser Bundestagswahlkampf sein Thema gefunden.