Bundestagswahl 2025

Friedrich Merz
Überblick

Union und SPD Knackpunkte bei künftigen Koalitionsgesprächen

Stand: 25.02.2025 18:52 Uhr

CDU-Chef Merz sucht das Gespräch mit der SPD und will die Regierungsbildung rasch abschließen. Doch bis es überhaupt zu Koalitionsgesprächen kommt, gibt es einiges zu sondieren. Wo liegen die Parteien besonders weit auseinander?

Die Ausgangslage

Nach der Wahl ist vor den Koalitionsverhandlungen - und die will Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit den Sozialdemokraten führen. Der CDU-Chef drückt dabei aufs Tempo: Bereits am Tag nach der Wahl gab es erste direkte Gespräche zwischen Unionsvertretern und SPD-Chef Lars Klingbeil. "Etwa bis Ostern", so Merz, wolle er eine neue Regierung bilden, in "konstruktiven, zügigen Gesprächen". Merz nannte drei Punkte, die nun für ihn vorrangig zu besprechen seien: die Außen- und Sicherheitspolitik, die "ungelöste Migrationsfrage" sowie die wirtschaftliche Lage.

Er sei zuversichtlich, dass Union und SPD Lösungen finden werden und dass die SPD daran ein Interesse habe, denn die Partei stehe einer Existenzkrise sehr nahe, sagte Merz.

Die Union war bei der Wahl mit 28,2 Prozent stärkste Kraft geworden, die SPD hingegen stürzte auf 16,4 Prozent - ein historisches Tief. Die Sozialdemokraten wären vermutlich in den kommenden Wochen und Monaten gut ausgelastet damit, das Wahldesaster intern aufzuarbeiten. Doch sie sind als möglicher neuer Koalitionspartner gefordert - dieses mal allerdings in der Rolle des Juniorpartners.

Die Partei weiß um ihre Verantwortung, stellt aber auch Ansprüche. SPD-Chef Klingbeil, der auch die Fraktion führen soll, forderte im Vorfeld von Gesprächen, Merz müsse seinen Ton und seinen Kurs deutlich ändern. Klingbeil betonte, es sei noch überhaupt nicht ausgemacht, ob es eine Regierung mit den Sozialdemokraten geben werde. "Der Ball liegt bei Friedrich Merz. Der hat jetzt die Verantwortung, Gespräche zu führen."

Union und SPD stehen also schwierige Verhandlungen bevor. Hier ein Blick auf mögliche Knackpunkte bei künftigen Gesprächen:

Migrationspolitik

Große Konflikte sind in der Migrationspolitik zu erwarten. CDU und CSU wollen auch Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückweisen. Die SPD hält das für nicht vereinbar mit europäischem Recht. Außerdem beabsichtigt die Union den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder auszusetzen. Aktuell gilt für die Angehörigen von Menschen mit diesem eingeschränkten Schutzstatus ein Kontingent von 1.000 Visa pro Monat. Die SPD will das so beibehalten.

Die Forderung der Union, die Bundesregierung solle sich auf europäischer Ebene für eine Abschaffung des subsidiären Schutzes einsetzen, dürfte die SPD zwar von sich weisen. Allerdings stellt sich hier ohnehin die Frage, wie wahrscheinlich eine Einigung auf einen entsprechenden Beschluss auf EU-Ebene wäre. Der subsidiäre Schutz greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können, aber im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Das betraf zuletzt viele Asylbewerber aus Syrien.

Dass die stationären Kontrollen an den Landgrenzen erst einmal fortgesetzt werden, ist wahrscheinlich. Von seiner Forderung nach dauerhaften Grenzkontrollen rückte Merz inzwischen ab: Es gehe um vorübergehende Kontrollen, bis im Jahr 2026 das reformierte europäische Asylsystem mit sehr viel stärkeren Außengrenzen greife, sagt er.

Neben den inhaltlichen Differenzen ist die Frage, in welcher Atmosphäre die Koalitionsverhandlungen stattfinden. Merz stand schwer in der Kritik, weil er bei Anträgen und einem Gesetzentwurf die Stimmen der AfD in Kauf genommen hat. Die SPD warf ihm einen Wort- und Tabubruch vor und zweifelte seine Glaubwürdigkeit an.

Wirtschafts- und Steuerpolitik

Im Ziel sind sich die Parteien einig: Die Wirtschaft muss angekurbelt werden. Nach zwei Rezessionsjahren wird auch für dieses Jahr nur ein Mini-Wachstum erwartet. Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften drängen angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland auf eine schnelle Regierungsbildung, sehen den Moment für einen "großen Wurf" gekommen.

Ein großer Hebel wären niedrigere Energiepreise etwa über die Senkung der Strompreise, hier scheint ein Konsens möglich zu sein. In der Steuerpolitik aber gibt es große Differenzen. Die Union setzt sich für milliardenschwere, breite Steuerentlastungen auch für Unternehmen ein. Die SPD will einen "Made in Germany"-Bonus, mit dem der Staat Unternehmen bei Investitionen in Maschinen oder Fahrzeuge zehn Prozent der Kosten abnehmen soll. 

Haushalt

Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Koalition wird die Verabschiedung eines Bundeshaushalts für das Jahr 2025 sein, es müssen Milliardenlöcher geschlossen werden. Zentral dürfte sein, wie stark in den kommenden Jahren die Verteidigungsausgaben steigen sollen und wie das finanziert werden soll. Um das NATO-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen, muss laut Merz jährlich eine Haushaltslücke von 30 bis 40 Milliarden Euro geschlossen werden.

Zu Überlegungen, noch mit dem alten Bundestag ein neues Sondervermögen Bundeswehr zu beschließen, sagte Merz: "Wir sprechen miteinander, aber es ist viel zu früh, darüber jetzt schon etwas zu sagen. Ich sehe es im Augenblick als schwierig an."

Die SPD will eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, um mehr Spielraum für Investitionen vor allem in die Infrastruktur zu bekommen. Merz hat eine Reform zumindest nicht ausgeschlossen, hält dieses Vorhaben aber "in der naheliegenden Zukunft" für ausgeschlossen. Zurzeit gibt es Überlegungen, die Schuldenbremse noch mit der Mehrheit des alten Bundestags zu lockern, da AfD und Linke im neuen Bundestag eine Sperrminorität bei der dafür nötigen Änderung des Grundgesetzes hätten.

Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Union und SPD sind sich einig, die Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor weiter zu unterstützen. Umstritten ist aber, wie zusätzliche Milliardenhilfen finanziert werden sollen. Noch-Kanzler Olaf Scholz bestand bisher darauf, eine Ausnahmeregel von der Schuldenbremse zu nutzen. Sein Argument im Wahlkampf lautete: Für zusätzliche Ausgaben müsse die Schuldenbremse gelockert werden, da ansonsten in anderen Bereichen gekürzt werden müsse.

Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius drängt die Union, beim Bundeswehretat eine Ausnahme von der Schuldembremse zu beschließen. Der Haushalt seines Ministeriums werde sich in den kommenden Jahren auf über 100 Milliarden Euro verdoppeln müssen, rechnete Pistorius in der Bild-Zeitung vor. Wenn die Ausnahme von der Schuldenbremse nicht komme, werde die Bremse zur Bürde für unsere Sicherheit, sagte er.

Umstritten bleiben dürften weitere Waffenlieferungen für die Ukraine: Merz ist offen für die Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine. Scholz ist strikt dagegen, weil er befürchtet, dass Deutschland dadurch zu tief in den Krieg hineingezogen wird. Die SPD teilt diesen Kurs. Im Ukraine-Konflikt könnte es wegen Verhandlungen zwischen den USA und Russland eine völlig neue Dynamik geben, mit weitreichenden Folgen für die europäische Sicherheitsarchitektur. Deutschland könnte zudem vor der Entscheidung stehen, Friedenstruppen in die Ukraine zu schicken.

Soziales und Rente

Schwierige Verhandlungen drohen auch in der Sozialpolitik. Die Union will das maßgeblich von der SPD eingeführte Bürgergeld abschaffen und durch eine neue "Grundsicherung" ersetzen. Das Bürgergeld senke die Anreize, eine Arbeit aufzunehmen, argumentieren CDU und CSU. "Totalverweigerern", die eine Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur ablehnen, sollen die Bezüge komplett gestrichen werden. Dafür nimmt Merz auch Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in Kauf.

Umstritten ist auch der gesetzliche Mindestlohn, der derzeit bei 12,82 Euro pro Stunde liegt. Die SPD fordert eine Anhebung auf 15 Euro. Aus Sicht der Union muss die Lohnfindung weiterhin Sache der Sozialpartner sein. Einen "politischen Mindestlohn" lehnen CDU und CSU ab.

Auch beim genauen Blick auf das Thema Rente könnten sich Differenzen auftun: Die SPD will ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent dauerhaft garantieren. CDU/CSU wollen Rentenniveau und Beitragssatz laut Wahlprogramm "durch wirtschaftliches Wachstum" stabil halten. Im Wahlkampf hat die SPD Merz vorgeworfen, er nehme eine Kürzung der Renten in Kauf.

Steuern

Wo entlasten und wen belasten? Das war schon im Wahlkampf ein Streitthema zwischen Union und SPD. CDU/CSU wollen die Unternehmensteuern in mehreren Schritten auf maximal 25 Prozent senken, die SPD will Firmen hingegen durch Abschreibungen bei Investitionen unterstützen. Bei der Einkommensteuer strebt die Union eine Abflachung des Tarifs an und will die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz deutlich erhöhen. Außerdem soll der Soli komplett gestrichen werden. Die SPD will ihrerseits die Einkommensteuer für 95 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler senken, Top-Verdiener sollen jedoch einen höheren Beitrag leisten.

Verkehrspolitik

Die Union hat die Zukunft des bundesweit gültigen Deutschlandtickets im Nah- und Regionalverkehr offen gelassen. Es geht vor allem um Finanzierungsfragen, nur noch bis Ende des Jahres sind die Bundesmittel von 1,5 Milliarden Euro gesichert. 

Eine zentrale Frage ist auch, wie es bei der Bahn weitergeht. Die Union strebt an, den bundeseigenen Konzern umzukrempeln und den Betrieb und die Infrastruktur voneinander zu trennen. Das dürfte vor allem mit der SPD nicht zu machen sein.

Klimapolitik

Die Union will das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 "im Blick" behalten, verweist aber auf die Notwendigkeit des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Die EU-Vorgaben zur Abkehr vom Verbrennungsmotor will sie ebenso wie das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung abschaffen. Zudem erwägt sie einen Wiedereinstieg in die Nutzung der Atomkraft. Ein von der SPD gefordertes Klimageld zur Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern steht zwar nicht im Wahlprogramm der Union - Merz sprach sich aber kurz vor der Wahl dafür aus.

Wahlrechtsreform

Als ein weiterer Knackpunkt könnte sich die von der Ampel-Regierung beschlossene Wahlrechtsreform erweisen. Die Union möchte das Wahlrecht wieder ändern. Grund ist, dass bei der Wahl am Sonntag 18 ihrer Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag kamen. Denn dies hängt aktuell davon ab, ob auf Landesebene die Direktmandate auch durch den Zweitstimmenanteil der Parteien gedeckt sind.

CSU-Chef Markus Söder machte eine Abkehr von der Wahlrechtsreform zu einer Bedingung für eine Koalition mit der SPD. "Das war ein unfaires Verfahren", sagte er im ARD-Brennpunkt. "Das war so ein letzter Racheakt der Ampel am Süden. Das werden wir wieder ändern."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 25. Februar 2025 um 18:00 Uhr.