ARD-DeutschlandTrend Gefestigte Union mit schwachem Zugpferd
Keine zwei Monate vor der Bundestagswahl führt die Union weiterhin in der Wählergunst. Ihr Kanzlerkandidat Laschet allerdings kämpft zusehends mit schwachen Umfragewerten.
Knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl ist Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit einem deutlichen Einbruch bei den persönlichen Zufriedenheitswerten konfrontiert.
Aktuell sind nur noch 24 Prozent der Deutschen mit seiner Arbeit zufrieden. Das sind 13 Punkte weniger als im Vormonat. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wird mit 27 Prozent (-1) nur unwesentlich besser bewertet. Das hat eine repräsentative Umfrage unter 1312 Wahlberechtigten von infratest dimap ergeben.
Mit diesen Werten liegen sowohl Laschet als auch Baerbock jeweils deutlich hinter den Zufriedenheitswerten früherer Spitzenkandidaten von Union und Grünen zurück. Etwa für Angela Merkel im Jahr 2017 mit 64 Prozent Zustimmung bei der letzten Befragung vor der Wahl oder Cem Özdemir mit 55 Prozent Zustimmung bei der letzten Befragung vor der damaligen Bundestagswahl.
Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist mit 48 Prozent Zufriedenheit (+2) nach wie vor der populärste der drei Kanzlerkandidaten, wenngleich auch er nicht an die Werte von Merkel heranreicht. Die scheidende Bundeskanzlerin erfährt im August mit 66 Prozent (-3) unverändert den größten Zuspruch aller abgefragten Politikerinnen und Politiker.
Scholz setzt sich bei Direktwahl-Frage ab
Wenn man in Deutschland den Kanzler oder die Kanzlerin direkt wählen könnte, dann läge im Moment ebenfalls Scholz vorne: Für den Vizekanzler würden sich 35 Prozent der Befragten entscheiden, sechs Punkte mehr als im Vormonat.
Mit Abstand folgt Unions-Kandidat Laschet: 20 Prozent würden dem amtierenden Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen aktuell ihre Stimme geben, minus acht Punkte im Vergleich zu Anfang Juli. Für Baerbock von den Grünen würden 16 Prozent stimmen, minus zwei Punkte.
Laschet kann auch die eigenen Anhänger nicht mehrheitlich hinter sich bringen: Aktuell würden sich bei einer Direktwahl nur 47 Prozent der Unions-Anhänger für den eigenen Kandidaten entscheiden, 30 Prozent für Scholz.
Unter den SPD- bzw. Grünen-Anhängern gibt es deutlich breiteren Rückhalt für die eigenen Kandidaten Scholz und Baerbock.
Viele Wähler sind noch unentschlossen
Allerdings machen insgesamt im Moment 29 Prozent (+4) der Wahlberechtigten - und damit eine relativ große Gruppe - keine Angaben oder wissen nicht, wem sie ihre Stimme geben würden.
Beim Blick auf das Spitzenpersonal der Parteien darf man nicht vergessen, dass Personen nur ein Kriterium für die Wahlentscheidung sind. Dies gilt umso mehr bei Bundestagswahlen und dazu noch bei einer Wahl, bei der die Amtsinhaberin nicht mehr antritt - und es demzufolge auch keinen Amtsbonus gibt. Am Ende sind Inhalte und Themen für viele Wählerinnen und Wähler ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidung.
Bei der Bundestagswahl 2017 hatte bei der ARD-Wahltagsbefragung nur rund ein Viertel angegeben, dass der Kandidat bzw. die Kandidatin am Ende der ausschlaggebende Grund für die Wahlentscheidung war.
Union bleibt in Umfrage stärkste Kraft
Wie die Bewertung von Personen und die Entscheidung für eine Partei auseinanderlaufen können, zeigt sich aktuell zum Beispiel bei der Frage, wer die nächste Bundesregierung führen soll. Denn trotz der niedrigen persönlichen Zustimmungswerte des Unions-Kanzlerkandidaten Laschet ist der Wunsch nach einer unionsgeführten Bundesregierung vergleichsweise am stärksten ausgeprägt: Aktuell wünschen sich 35 Prozent der Befragten für die Zeit nach der Bundestagswahl, dass die Regierung von der CDU/CSU geführt wird (+4 im Vergleich zum Vormonat).
Mit 24 Prozent spricht sich rund ein Viertel (+4) derzeit für eine Regierung unter SPD-Führung aus und jeder Sechste (16 Prozent; -3) zieht einen politischen Wechsel zugunsten der Grünen vor. Auch in dieser Frage äußert jedoch ein relativ hoher Anteil von 25 Prozent (+3) aktuell keine Präferenz oder macht keine Angaben.
Es gibt aktuell also vergleichsweise viele Wahlberechtigte, die weder Laschet noch Scholz oder Baerbock direkt wählen würden - beziehungsweise Union, SPD oder Grüne an der Spitze der nächsten Bundesregierung sehen wollen. Anscheinend ist zum jetzigen Zeitpunkt für eine große Gruppe der Wahlberechtigten weder das personelle noch das inhaltliche Angebot der drei Parteien interessant oder ansprechend. Darin liegt eine Chance oder vielmehr die Herausforderung, diese Gruppe noch zu überzeugen.
Sonntagsfrage: Gewinne für SPD
In der aktuellen Sonntagsfrage geht die Unterstützung für Union wie Grüne im Vergleich zum Vormonat um jeweils einen Punkt leicht zurück.
Mit einem Wähleranteil von 27 Prozent bliebe die CDU/CSU zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin stärkste Kraft. Die Grünen kämen auf 19 Prozent - der niedrigste Wert seit September 2020. Dicht hinter ihnen folgen die Sozialdemokraten. Sie legen um drei Punkte auf 18 Prozent zu - der beste SPD-Wert in der Sonntagsfrage seit Mai 2019.
Während sich die FDP um einen Punkt auf zwölf Prozent verbessert, büßen AfD und Linkspartei in gleichem Umfang ein und hätten einen Anteil von zehn beziehungsweise sechs Prozent in Aussicht. Alle übrigen Parteien würden zusammen unverändert acht Prozent erzielen.
Bei einem solchen Wahlausgang stände eine Mehrheit für Schwarz-Grün auf der Kippe, sodass gegebenenfalls ein weiterer Regierungspartner gefunden werden müsste. Eine Drei-Parteienkoalition von Union, Grünen und FDP hätte ebenso eine eigene Mehrheit wie eine Koalition aus Union, SPD und FDP, nicht jedoch ein Bündnis aus Grünen, SPD und Linkspartei.
Positive Bilanz der Ära Merkel
Merkel wird nicht mehr lange Regierungschefin sein - und die Deutschen ziehen insgesamt eine positive Bilanz ihrer Kanzlerschaft. Drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass sie alles in allem eine gute Kanzlerin war.
Diese Zustimmung reicht dabei über alle Parteianhänger hinweg - mit Ausnahme der AfD-Anhänger, wo die scheidende Kanzlerin mehrheitlich kritisch gesehen wird.
Merkel überzeugt eine deutliche Mehrheit der Deutschen zudem bei allen abgefragten Eigenschaften: Kompetenz (78 Prozent), Führungsstärke (77 Prozent) und Glaubwürdigkeit (71 Prozent). Für sieben von zehn Bundesbürger (69 Prozent) ist sie zudem eine sympathische Politikerin.
Corona-Impfpflicht umstritten
Was die Corona-Impfung angeht, geben aktuell 83 Prozent der Bundesbürger an (+8 im Vergleich zum Mai 2021), sich auf jeden Fall gegen das Coronavirus impfen zu lassen oder bereits zumindest einmal geimpft worden zu sein. Vier Prozent geben an, sich wahrscheinlich impfen zu lassen (-7). Jeder achte Wahlberechtigte (zwölf Prozent; -1) will sich wahrscheinlich nicht impfen lassen oder schließt eine Impfung für sich auf jeden Fall aus.
Von denen, die sich wahrscheinlich nicht oder auf keinen Fall impfen lassen wollen, geben 69 Prozent die Sorge vor bislang möglichen unentdeckten gesundheitlichen Folgeschäden als Hauptgrund an. 15 Prozent der Impfabgeneigten geben an, dass sie keine Sorge vor einer Ansteckung mit dem Virus haben. Grundsätzlich gegen Impfungen sind acht Prozent der Deutschen, die sich nicht impfen lassen wollen. Zwei Prozent eben dieser Gruppe geben an, sich aufgrund einer Vorerkrankung nicht impfen lassen zu können.
Um die Impfquote zu erhöhen, wird immer wieder auch über die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht diskutiert, die unter den Deutschen umstritten ist: 46 Prozent der Befragten befürworten sie, 50 Prozent lehnen sie ab. Während ältere Wahlberechtigte eine Corona-Impfpflicht mehrheitlich begrüßen (61 zu 35 Prozent), überwiegt bei den unter 40-Jährigen die Ablehnung deutlich (38 zu 59 Prozent).
Bei der Frage, ob vollständig Geimpfte von Alltagseinschränkungen befreit werden sollen, geben zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten an, dies zu unterstützen. Drei von zehn (29 Prozent) sind dagegen. Der Zuspruch für die Rückübertragung von Freiheiten an Geimpfte überwiegt in allen Anhängerschaften, am deutlichsten in den Reihen von FDP und Unionsparteien.
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon*- und Online-Befragung
*davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk
Erhebungszeitraum: 02. bis 04. August 2021
Fallzahl: 1312 Befragte (858 Telefoninterviews und 454 Online Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten / Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite: 2* bis 3** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 10 Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.