ARD-DeutschlandTrend 45 Prozent geht Ukraine-Politik nicht weit genug
45 Prozent der Deutschen finden laut DeutschlandTrend, dass die Reaktion der Bundesregierung auf den russischen Angriff auf die Ukraine nicht weit genug geht. Eine Impfpflicht hätte die Mehrheit der Deutschen mitgetragen.
Eine Mehrheit der Deutschen hätte die Einführung einer Corona-Impfpflicht unterstützt. Fast jeder Zweite (46 Prozent) spricht sich im aktuellen ARD-DeutschlandTrend für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren aus (-7 Prozentpunkte im Vergleich zu Februar). 13 Prozent (+1) würden eine Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren unterstützen.
Mehr als ein Drittel der Deutschen (37 Prozent, +4) ist grundsätzlich gegen eine Corona-Impfpflicht. Bei der Abstimmung im Bundestag fand sich an diesem Donnerstag keine politische Mehrheit für eine Impfpflicht. Auch der Gesetzentwurf, der für alle Menschen ab 60 Jahren gelten sollte und den Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP als Kompromiss eingebracht hatten, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Drei Viertel wollen freiwillig weiter Maske tragen
Dass die bundesweiten Corona-Beschränkungen inzwischen weitgehend aufgehoben sind, findet eine Mehrheit der Deutschen (57 Prozent) falsch, 40 Prozent finden das richtig. Auch wenn es nicht mehr überall vorgeschrieben ist, will eine Mehrheit der Deutschen den Mund-Nasen-Schutz weiterhin freiwillig tragen. 53 Prozent werden das nach eigener Aussage auf jeden Fall tun, 24 Prozent eher ja. Jeweils elf Prozent wollen eher nicht, beziehungsweise auf keinen Fall freiwillig die Maske tragen.
Dass Corona-Infizierte sich auch künftig verpflichtend für einige Tage in Isolation begeben müssen, befürwortet eine Mehrheit der Deutschen. In dieser Woche hatten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern zunächst verkündet, ab Mai werde eine solche Isolation nur noch empfohlen, nicht aber verpflichtend vorgeschrieben. Diese Entscheidung wurde inzwischen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach als Fehler bezeichnet und zurückgenommen. Zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) hätten den Wegfall der Isolations-Pflicht falsch gefunden; 28 Prozent hätten ihn hingegen befürwortet.
Kritik gegenüber Ukraine-Kurs der Bundesregierung wächst
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine treibt fast alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland (91 Prozent, +2 im Vergleich zu März) weiterhin vor allem die Sorge um die Menschen in der Ukraine um. Mit jeder Woche, die der Krieg andauert, wird das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer größer und vor allem sichtbarer, wie zum Beispiel in Butscha in den letzten Tagen.
Wohl auch unter diesem Eindruck hat sich die Stimmung deutlich verschoben, was die Reaktion der Bundesregierung auf den russischen Einmarsch in der Ukraine angeht. Hatte vor vier Wochen noch eine knappe Mehrheit der Deutschen die Meinung geäußert, dass die Reaktion der Bundesregierung angemessen war, so sind es aktuell nur noch 37 Prozent, die das sagen (-16). Dagegen meinen derzeit 45 Prozent (+18), dass die Regierung nicht weit genug gehe.
Während des Befragungszeitraums von Montag bis Mittwoch dieser Woche wurden weitere Sanktionen angekündigt bzw. verhängt, wie das Kohle-Embargo oder die Ausweisung von russischen Diplomaten aus Deutschland. Diese Maßnahmen sind nicht oder nur zum Teil in den Meinungsbildungsprozess der Umfrage mit eingeflossen.
Weiter geteiltes Meinungsbild bei Energie-Embargo
Dabei fordert die ukrainische Regierung von Deutschland vor allem zwei Dinge: Waffen und ein umfassendes Energie-Embargo gegenüber Russland. Beim Thema Waffen ist die Einigkeit zwischen den beiden Ländern grundsätzlich größer, da Deutschland angekündigt hat, weitere Waffen zu liefern.
Wesentlich größer sind die Differenzen zwischen den beiden Ländern, was ein Energie-Embargo gegenüber russischem Erdöl und Erdgas angeht. Hier betont die deutsche Regierung, dass es zwar mittel- bis langfristig das Ziel sei, unabhängig von russischer Energie zu werden, dies aber kurzfristig in Deutschland nicht möglich sein werde. Unter den Bürgerinnen und Bürgern zeigt sich in der Frage weiterhin ein geteiltes Bild. Zwar hat die Unterstützung für einen sofortigen Stopp der Einfuhren von russischem Erdgas und Erdöl etwas zugenommen (50 Prozent, +6 im Vgl. zu Mitte März), aber 42 Prozent (-3) sind weiterhin dagegen - immer unter der Prämisse gefragt, dass es dadurch in Deutschland zu Engpässen in der Energieversorgung oder zu höheren Energiepreisen kommen könne.
Große Mehrheit sorgt sich um wirtschaftliche Lage
Die steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel, aber auch eine generell stark anziehende Inflation, haben vor Augen geführt, welche Auswirkungen der Krieg auch in Deutschland jetzt bereits hat. Im vergangenen Monat hat die Sorge, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland verschlechtert, noch einmal deutlich zugenommen: 80 Prozent äußern aktuell diese Sorge (+16 im Vergleich zu Anfang März). Und auch, dass es in Deutschland zu Einschnitten in der Gas- und Energieversorgung kommt, treibt eine Vielzahl an Menschen um (76 Prozent, +10).
Mit dieser Sorge begründet auch Wirtschaftsminister Robert Habeck seine Ablehnung eines sofortigen Energie-Embargos gegenüber Russland. Eines seiner Ziele: die Energiewende schnell voranbringen und erneuerbare Energien massiv ausbauen. Dies stößt bei einer deutlichen Mehrheit auch auf Zustimmung (87 Prozent). Die verstärkte Einfuhr von Öl und Gas aus anderen Ländern hatte Habeck ebenfalls auf den Weg gebracht. Dies finden 58 Prozent der Befragten aktuell richtig. Die Einfuhr von Fracking-Gas aus den USA, mit der Europa zumindest in Teilen russisches Gas ersetzen möchte, stößt dagegen auf ein geteiltes Echo: 41 Prozent finden das richtig; 45 Prozent finden es falsch.
Ebenfalls diskutiert wird gerade ein zeitlich befristetes Tempolimit auf deutschen Autobahnen - das wird von 57 Prozent der Menschen befürwortet. Die mögliche Aufhebung des geplanten Atomausstieges zum Jahresende und ein Weiterbetrieb von Atomkraftwerken finden bei 53 Prozent der Deutschen Zustimmung.
Mehrheit gibt an, Verbrauch für Heizung und Strom zu senken
Schon jetzt haben viele Deutsche ihr Verhalten angesichts gestiegener Preise angepasst. 64 Prozent geben an, wegen der hohen Energiepreise ihren Verbrauch für Heizung und Strom zu senken; 35 Prozent schränken sich diesbezüglich bislang nicht ein. Auch bei der Benutzung des Autos schränkt sich eine Mehrheit schon ein: 56 Prozent der Autobesitzer nutzen wegen der hohen Benzin- und Dieselpreise seltener das Auto; 43 Prozent tun das nicht. Beim generellen Einkaufsverhalten schränkt sich eine Mehrheit der Deutschen (64 Prozent) bislang nicht ein. 35 Prozent aber sagen, dass sie wegen der gestiegenen Preise generell weniger einkaufen. In Haushalten mit einem monatlichen Netto-Einkommen von unter 1500 Euro gibt bereits jeder Zweite (52 Prozent) an, sich entsprechend einzuschränken.
Habeck und Baerbock mit Bestwerten in der Zufriedenheit
Aufgrund des Ukraine-Krieges und dessen Auswirkungen sind vor allem zwei Kabinettsmitglieder gerade sehr präsent: Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck. Mit deren Arbeit zeigt sich aktuell eine Mehrheit der Deutschen zufrieden. Habeck (54 Prozent, +7) und Baerbock (53 Prozent, +3), beide von den Grünen, gewinnen gegenüber März an Sympathien und erreichen persönliche Bestwerte im ARD-DeutschlandTrend.
Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD (51 Prozent, -5), SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (50 Prozent, -9 im Vergleich zu Februar) und FDP-Finanzminister Christian Lindner (39 Prozent, -10 im Vergleich zu März) verlieren hingegen an Zustimmung.
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon*- und Online-Befragung
*davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk
Erhebungszeitraum: 04. April bis 06. April 2022
Fallzahl: 1.325 Befragte (866 Telefoninterviews und 459 Online Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2* bis 3** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 10 Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.