ARD-DeutschlandTrend Zufriedenheit mit Ampel auf neuem Tiefpunkt
Mit wachsender Sorge blicken die Menschen auf die politische und wirtschaftliche Lage im eigenen Land. Und immer mehr sehen die Bundesregierung im Umgang mit aktuellen Krisen auf dem falschen Weg.
Aktuell hat mit 56 Prozent eine knappe Mehrheit der Deutschen sehr große beziehungsweise große Sorgen, dass Deutschland direkt in den Krieg gegen die Ukraine hineingezogen werden könnte. 43 Prozent haben diesbezüglich wenig beziehungsweise gar keine Sorgen.
Dies könnte auch ein Grund sein, warum sich die Haltung bezüglich der militärischen Unterstützung für die Ukraine leicht verändert hat. So wünscht sich eine relative Mehrheit von 47 Prozent, dass die Bundesregierung zurückhaltend sein sollte, um Russland nicht zu provozieren. Das sind im Vergleich zu Juni vier Prozentpunkte mehr. Dass die Bundesregierung entschlossen agieren und Russland gegenüber Härte zeigen sollte, wünschen sich aktuell 43 Prozent der Befragten - und damit sieben Punkte weniger.
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern: Im Westen sprechen sich 47 Prozent der Bevölkerung für ein entschlossenes Agieren aus, 44 Prozent sind für Zurückhaltung. Im Osten wünschen sich sechs von zehn Wahlberechtigten (60 Prozent) Zurückhaltung, knapp jeder Dritte (31 Prozent) wäre für ein entschlossenes Handeln.
Mehrheit für Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer
Seit Russland eine Teilmobilmachung im Krieg gegen die Ukraine angekündigt hat, verlassen immer mehr Männer das Land. Gleichzeitig ist in der Europäischen Union eine Debatte darüber ausgebrochen, ob Kriegsdienstverweigerer aufgenommen werden sollten. Die Positionen der einzelnen EU-Staaten liegen bei diesem Thema weit auseinander. Während die Bundesregierung Deserteuren Asyl in Aussicht gestellt hat, lehnen zum Beispiel die baltischen Staaten deren Aufnahme ab.
Aktuell würden es 54 Prozent der Deutschen unterstützen, wenn russische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland aufgenommen würden - 35 Prozent sind dagegen. Dabei unterstützen Anhängerinnen und Anhänger der Grünen (79 Prozent), SPD (64 Prozent), Linkspartei (57 Prozent) und Union (55 Prozent) jeweils mehrheitlich eine Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer. Unter FDP-Anhängern wären 47 Prozent dafür und 42 Prozent dagegen. Unter AfD-Anhängern überwiegt mit 57 Prozent die Ablehnung, gut jeder Dritte (35 Prozent) wäre hingegen für eine Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer.
Die aktuellen Sanktionen gegen Russland gehen für eine relative Mehrheit von 36 Prozent nicht weit genug (-1 Prozentpunkt im Vergleich zu August). Für 31 Prozent sind sie angemessen (-3). Die Gruppe jener Wahlberechtigten, denen die Sanktionen zu weit gehen, ist gegenüber August leicht gewachsen (+3), mit 24 Prozent allerdings weiterhin in der Minderheit.
Unzufriedenheit mit Bundesregierung nimmt weiter zu
Mehrheitlich kritisch bewerten die Menschen den Kurs der Bundesregierung im Krieg gegen die Ukraine: 57 Prozent sind damit weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden. 37 Prozent sind sehr zufrieden oder zufrieden.
Und auch beim Blick auf andere relevante Politikbereiche fällt das Urteil eher schlecht aus: Mit der Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern angesichts steigender Preise sind drei Viertel (76 Prozent) weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden. Sieben von zehn Menschen (71 Prozent) sagen das auch bezüglich der Entlastung der Wirtschaft wegen der hohen Energiepreise. Nur jeweils 21 Prozent sind sowohl mit den Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger als auch für die Wirtschaft zufrieden. Auch bei der Sicherung der Energieversorgung in Deutschland ist eine Mehrheit (70 Prozent) mit der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden; 27 Prozent sind damit zufrieden.
In der Folge sinkt auch die generelle Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung auf einen neuen Tiefpunkt der bisherigen Amtszeit, die im Dezember 2021 begonnen hatte. So sind aktuell 29 Prozent mit der Arbeit der Ampelkoalition sehr zufrieden oder zufrieden (-2). 68 Prozent sind hingegen weniger oder gar nicht zufrieden (+/-0).
Betrachten die Wahlberechtigten die an der Regierung beteiligten Parteien getrennt, so schneiden die Grünen im Urteil noch am besten ab. Jeder Dritte (34 Prozent) ist mit ihrer Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden - das sind neun Prozentpunkte weniger als noch im August. Mit der Arbeit der SPD sind 27 Prozent zufrieden (-7), mit der der FDP 20 Prozent (-4). Jeweils eine deutliche Mehrheit ist indes unzufrieden mit der Arbeit von Grünen (63 Prozent), bei der SPD sind es 68 Prozent und bei der FDP 74 Prozent.
Wachsende Sorge über Wirtschaftslage
Auch der Blick auf die Wirtschaft bei uns im Land ist aktuell eher sorgenvoll: Vier von fünf Deutschen (80 Prozent) empfinden die wirtschaftliche Lage als weniger gut beziehungsweise schlecht. Das sind doppelt so viele wie noch vor der Bundestagswahl im September 2021. Damit ist die Bewertung der wirtschaftlichen Lage derzeit so schlecht wie seit dem Jahr 2009 nicht mehr. Nur noch 20 Prozent bezeichnen die wirtschaftliche Lage als sehr gut oder gut.
Auch in die Zukunft blicken die Deutschen besorgt: Eine Mehrheit (53 Prozent) glaubt, die wirtschaftliche Lage in Deutschland wird in einem Jahr schlechter sein als heute. Jeder Dritte (32 Prozent) erwartet, dass sie etwa gleich sein wird. Nur zwölf Prozent glauben, dass die wirtschaftliche Lage in einem Jahr besser sein wird.
Insgesamt geben die Verhältnisse in Deutschland für 85 Prozent Anlass zur Beunruhigung (+34 im Vergleich zu April 2020), nur für elf Prozent geben sie Anlass zur Zuversicht (-33). Das ist ein negativer Rekordwert: Seit Beginn der Messung im Jahr 1997 war die Zuversicht noch nie so gering.
Optimistisch ist die Mehrheit der erwerbstätigen Deutschen mit Blick auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes: Aktuell machen sich 19 Prozent Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Eine Mehrheit von 79 Prozent gibt an, aktuell wenige beziehungsweise gar keine Sorgen zu haben, den Arbeitsplatz zu verlieren. Die Beunruhigung spiegelt sich eher in den Sorgen um die Preissteigerungen wider: Eine Mehrheit (57 Prozent) macht sich derzeit große oder sehr große Sorgen, dass die Preise so stark steigen, dass sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. 42 Prozent haben diesbezüglich wenige oder gar keine Sorgen.
Sonntagsfrage: Vorsprung der Union wächst
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Kanzlerpartei SPD auf 17 Prozent (+/-0 im Vergleich zu September) und wäre damit aktuell drittstärkste Kraft. CDU/CSU verbessern sich gegenüber dem Vormonat um einen Prozentpunkt auf 28 Prozent. Die Grünen verlieren an Zustimmung und kämen derzeit auf 19 Prozent (-3). Auch die an der Regierung beteiligte FDP büßt einen Punkt ein und liegt momentan bei sieben Prozent.
Die AfD klettert auf 15 Prozent (+2) und erreicht damit ihren besten Wert seit Dezember 2019. Die Linkspartei kommt wie im September auf fünf Prozent. Auf alle weiteren Parteien entfallen neun Prozent.
Demokratiezufriedenheit ist gesunken
Deutschland und die westlichen Partner müssen zur Zeit immense Herausforderungen bewältigen. Das erklärt möglicherweise, warum die Deutschen kritischer auf die Staatsverfassung blicken als noch vor zwei Jahren: Nur noch die Hälfte (51 Prozent) der Deutschen ist aktuell mit der Art und Weise, wie Demokratie in Deutschland funktioniert, zufrieden - das sind 13 Punkte weniger als im Oktober 2020. Zuletzt wurde ein so niedriger Wert im Mai 2011 gemessen. 47 Prozent der Deutschen geben an, weniger oder gar nicht zufrieden zu sein, ein Plus um zwölf Punkte.
Besonders stark ist die Demokratiezufriedenheit in Ostdeutschland gesunken: Nur noch jede oder jeder Dritte (35 Prozent) sagt, er oder sie sei mit der Art und Weise, wie Demokratie funktioniert, zufrieden (-15 Prozent im Vergleich zu Oktober 2020). 63 Prozent geben an, weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden zu sein (+14). In Westdeutschland sieht es umgekehrt aus: Hier geben 54 Prozent an, zufrieden zu sein (-12), 44 Prozent weniger bzw. gar nicht zufrieden zu sein (+13).
Während nur noch die Hälfte der Deutschen angibt, mit der Art und Weise, wie Demokratie in Deutschland aktuell funktioniert, zufrieden zu sein, ist die große Mehrheit dennoch generell von der Demokratie als Regierungsform überzeugt: 88 Prozent geben an, Demokratie sei ganz allgemein eine gute Regierungsform. Doch auch hier zeigen sich Unterschiede in Ost und West: Während in Westdeutschland 91 Prozent Demokratie für eine gute Regierungsform halten (+2 Prozent im Vergleich zu Januar 2016), ist das Grundvertrauen in die Demokratie in Ostdeutschland gesunken: 75 Prozent geben hier an, Demokratie für eine gute Regierungsform zu halten - zwölf Punkte weniger als im Januar 2016.
Fragt man offen danach, was nach Meinung der Deutschen aktuell die größten Gefahren für die Demokratie sind, nennt jeder fünfte Deutsche Rechtsextremismus und Rechtspopulismus (20 Prozent) als größte Gefahr. Auf den weiteren vorderen Plätzen landen soziale Ungleichheit und Armut (elf Prozent), abgehobene Politiker und fehlerhafte Entscheidungen (elf Prozent), Radikalisierung der Gesellschaft allgemein (sechs Prozent) und die momentane Preisentwicklung und Inflation (fünf Prozent).
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk) und Online-Befragung
Erhebungszeitraum: 03. bis 05. Oktober 2022
Fallzahl: 1307 Befragte (855 Telefoninterviews und 452 ‚Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.