DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Die Großen im Plus, die Kleinen im Minus

Stand: 04.10.2012 22:26 Uhr

Ausgerechnet in der Woche, in der die SPD Ex-Finanzminister Steinbrück zum Herausforderer von Bundeskanzlerin Merkel erklärt hat, legt die Union in der Gunst der Wähler zu. Doch auch die SPD und ihr neuer Kanzlerkandidat können punkten. Beliebteste Politikerin bleibt aber die Kanzlerin.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Es ist ein ungewöhnliches Ergebnis, das der DeutschlandTrend liefert, und es erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Ausgerechnet in der Woche, in der die SPD Peer Steinbrück auf den Schild gehoben hat, schwingt sich die Union in der Sonntagsfrage zu neuen Höhen auf: CDU/CSU legen zwei Punkte zu und stehen jetzt bei 39 Prozent – der höchste Wert seit dem Frühjahr 2008.

Aber auch die SPD ist vergleichsweise stark: Sie steigt an auf 31 Prozent (+1 gegenüber dem Vormonat). Nur ein einziges Mal in der laufenden Legislaturperiode erzielte sie einen höheren Wert. Dagegen müssen fast alle kleineren Parteien Federn lassen. Für die Grünen und die Piraten wirkt es, als hätte jemand die Uhr zurückgedreht.

Die Grünen fallen auf elf Prozent zurück (-2) und sind damit erstmals wieder auf dem Niveau der Bundestagswahl im Herbst 2009. Und der Sinkflug der Piraten geht weiter: Sie liegen nun nur noch bei vier Prozent (-2) und damit dort, wo sie vor dem ersten großen Landtagswahlerfolg in Berlin im Herbst 2011 standen. Die FDP bleibt unverändert bei vier Prozent, nur die Linke legt leicht auf sieben Prozent zu (+1).

Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur wirbelt erneut das Parteiensystem durcheinander. Es ist bereits das dritte Mal in der laufenden Legislaturperiode, dass sich die strategische Gesamtlage der Parteien ändert. Ohne FDP und Piraten hätten wir wieder einen Vier-Fraktionen-Bundestag, in dem Mehrheiten viel leichter zu bilden sind als bei fünf oder vielleicht sogar sechs Fraktionen.

Blick auf die großen politischen Kräfte

Mit der Aufstellung von Peer Steinbrück konzentriert sich der Blick der Wählerinnen und Wähler offenbar auf die beiden großen politischen Kräfte und vor allem auf deren Führungsfiguren. Beide sind hoch geschätzt – allerdings mit klarem Vorteil für die Kanzlerin. Sie führt auch im Oktober die Liste der beliebtesten Spitzenpolitiker mit 67 Prozent (+6) Zustimmung an, gefolgt von Finanzminister Schäuble mit 64 Prozent (+4). Der neue Kandidat Steinbrück macht einen Sprung vom sechsten auf den dritten Rang und erreicht mit 59 Prozent (+9) erneut seinen bisherigen Bestwert.

Ebenfalls mehrheitlich Zustimmung erfahren haben Hannelore Kraft (55 Prozent), Thomas de Maizière (55 Prozent) und Frank-Walter Steinmeier (53 Prozent). Beachtlich in der Tabellenmitte ist der Wiederaufstieg des Guido Westerwelle, der mit 41 Prozent Zustimmung nun in etwa wieder das Niveau erreicht, das er bei Dienstantritt als Außenminister hatte.

Im direkten Vergleich mit dem neuen Herausforderer geben die meisten Befragten der Kanzlerin den Vorzug, und das hat mit der eher zugeschriebenen Kompetenz auf den derzeit wichtigsten Politikfeldern zu tun. Im Falle einer theoretischen Direktwahl würden sich 49 Prozent für Angela Merkel entscheiden, 38 Prozent für Peer Steinbrück. Dieser Rückstand von elf Punkten ist deutlich geringer als der von Frank-Walter Steinmeier zum vergleichbaren Zeitpunkt ein Jahr vor der Wahl 2009. Er hatte damals mehr als 20 Punkte Rückstand.

Vertrauen in Steinbrück als möglicher Kanzler

Und immerhin zwei Drittel der Befragten trauen Peer Steinbrück ausdrücklich zu, die Aufgaben des Bundeskanzlers gut zu erledigen. Den entscheidenden Kompetenzvorsprung hat die Bundeskanzlerin nicht nur in der Wirtschafts- und der Arbeitsmarktpolitik, sondern auch beim Thema Euro. Steinbrück hingegen bekommt die besseren Noten bei Rente und sozialer Gerechtigkeit und ihm wird eher als der Kanzlerin zugetraut, den Haushalt in Ordnung zu bringen.

Das Land ist einer ungewöhnlichen Situation: Die Kanzlerin bekommt Bestnoten, die Zufriedenheit mit der Bundesregierung erreicht mit 43 Prozent den Höchstwert der Wahlperiode. Und trotzdem möchten die meisten Menschen keine Neuauflage der bisherigen Koalition: 58 Prozent der Befragten finden, es sei an der Zeit, die schwarz-gelbe Regierung abzulösen.

Deutschland als glückliche Insel

Merkel wird als Person beurteilt – weitgehend unabhängig vom Arbeitsstil ihrer Koalition. Ganz offensichtlich werfen viele Deutsche den Blick über die Grenzen hinaus in andere Länder Europas und nach Amerika. Fast überall Rezession – hohe Arbeitslosigkeit vor allem bei jungen Menschen ist an der Tagesordnung. Verglichen damit wirkt die Bundesrepublik trotz aller Defizite und Probleme wie eine glückliche Insel. Kaum irgendwo in Europa ist von der Krise weniger zu spüren als bei uns. Und das rechnen die Deutschen zu einem nicht geringen Teil der Politik von Angela Merkel zu.

Um die politische Stimmung besser beschreiben zu können, arbeiten wir im ARD-DeutschlandTrend immer wieder mit vorgegeben Formulierungen, die die Befragten unterstützen oder ablehnen können. Die Formulierung "Auch wenn ich nicht mit allem übereinstimme, ist unser Land bei der jetzigen Regierung in guten Händen", stieß im vorigen und im vorletzten Jahr noch auf deutlichen Widerspruch. Mittlerweile stimmen 64 Prozent der Befragten der Formulierung zu.

Das heißt: Zwei Drittel der Deutschen sehen unser Land bei der jetzigen Regierung "in guten Händen". Genau das macht die Mission für Steinbrück so schwierig.

Nur eine Momentaufnahme

Aber diese Stimmung ist wie immer nur eine Momentaufnahme. Seit vergangenem Freitag haben wir eine veränderte Lage: Zum ersten Mal zeigt die Opposition mit der Nominierung von Peer Steinbrück jetzt eine konkrete politische Alternative auf. Und dies passiert in einer äußerst volatilen Stimmungslage. Nie zuvor haben sich die Gewichte in der Sonntagsfrage so oft und so deutlich verschoben wie in den drei Jahren seit der vergangenen Wahl.

Man darf also davon ausgehen, dass sich noch einiges bewegen wird in den verbleibenden zwölf Monaten bis zur Bundestagswahl. Vorhersagen, wer am Ende mit wem regieren kann, sind in dieser Situation völlig unmöglich.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)

Fallzahl: 1.001 Befragte
Erhebungszeitraum: 01. bis 02. Oktober 2012

Fallzahl Sonntagsfrage: 1501 Befragte
Erhebungszeitraum: 01. bis 03. Oktober 2012

Fallzahl Zusatzfragen: "Regierungszufriedenheit" / "Bankenbeschränkung"/ "Bezahlbare Energie" und "Aussage Bundesregierung": ca. 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 01. bis 02. Oktober 2012

Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte

Fehlertoleranz bei Zusatzfragen: 1,9* bis 4,4** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%, ** bei einem Anteilswert von 50%