EU regelt grenzüberschreitende Erbschaften neu Was ändert sich, worauf muss man achten?

Stand: 17.08.2015 05:47 Uhr

Deutsche, die ihren Lebensmittelpunkt in einem anderen EU-Land haben, sollten sich ihr Testament noch einmal genau ansehen. Denn ab heute gilt eine neue EU-Richtlinie für grenzübergreifende Erbschaften. tagesschau.de erklärt die wichtigsten Änderungen.

Was ist neu?

Die bisherigen EU-Erbschaftsregeln werden vereinfacht. Es gilt künftig das sogenannte Recht des "gewöhnlichen Aufenthalts". Lebt und stirbt ein deutscher Staatsbürger beispielsweise in Frankreich, unterliegt die gesamte Erbschaft nach den neuen Regelungen französischem Recht. Zudem wird mit den neuen Vorschriften auch ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt. Mit dem Dokument können Erben künftig in allen Mitgliedstaaten ohne weitere Formalitäten ihre Befugnis als Erben nachweisen. Die EU-Kommission erhofft sich davon schnellere und kostengünstigere Verfahren.

Wie war es bislang?

Bislang gab es keine einheitliche Regelung dafür, welches nationale Recht bei grenzüberschreitenden Fällen gilt und welche Gerichte oder Behörden zuständig sind. Für Erben konnte die Abwicklung des Nachlasses "schnell chaotisch werden", erklärt das Deutsche Forum für Erbrecht. Für das Haus eines deutschen Rentners in Südfrankreich, der dort seinen Lebensabend verbrachte, galt beispielsweise bislang französisches Erbrecht, für die Wohnung des Rentners in Deutschland hingegen deutsches Recht.

Wo ist der "gewöhnliche Aufenthalt"?

Entscheidend bei künftigen Nachlässen ist, ob der Verstorbene sich nur vorübergehend in einem Land aufgehalten hat, etwa für einen längeren Urlaub, oder ob er von Anfang an einen langen Aufenthalt plante. In seltenen Fällen kann die Bestimmung des "gewöhnlichen Aufenthalts" kompliziert sein. Etwa dann, wenn ein deutscher Rentner vor seinem Tod abwechselnd sechs Monate in seinem Ferienhaus in Spanien verbrachte und den Rest des Jahres in Deutschland.

Gibt es Ausnahmen vom Recht des "gewöhnlichen Aufenthalts"?

Ja. Deutsche Staatsbürger im EU-Ausland können in ihrem Testament ausdrücklich festlegen, dass ihr Erbe nach heimischem Recht vermacht wird. Gleiches gilt für Bürger anderer Mitgliedsländer, die im EU-Ausland leben.

Muss ich aktiv werden - und wenn ja, wie?

Experten raten Deutschen, die im EU-Ausland leben, genau zu prüfen, welche Folgen das Erbrecht der Wahlheimat nach ihrem Tod hat. Der Grund: Das Recht kann je nach Land deutlich vom deutschen Pendant abweichen. In Deutschland erben beispielsweise Ehegatten und Kinder grundsätzlich gemeinsam, in Schweden erbt oft der Ehegatte alleine, in Frankreich werden dagegen eher die Kinder bedacht. Bestehende Testamente sollten deshalb "unbedingt" überprüft werden. Zwar blieben bereits verfasste Testamente nach den damals geltenden erbrechtlichen Vorschriften formell gültig, aber es könne zum Beispiel zu Problemen bei der Auslegung kommen.

Oft ist es demnach aber nicht nötig, das gesamte Testament zu ändern, vielmehr reicht ein "formwirksamer handschriftlicher Zusatz", der festlegt, dass das Erbe nach deutschem Recht weitergegeben werden soll.

Wie viele Menschen werden von dem neuen Erbrecht betroffen sein?

Nach Angaben der Bundesregierung werden von dem neuen Erbrecht jährlich rund 450.000 Familien betroffen sein.

Gilt das neue Erbrecht in allen EU-Mitgliedstaaten?

Nein. Großbritannien, Irland und Dänemark sind davon ausgenommen.

(AFP)