Protest gegen die AfD in Münster "Unsere Demokratie ist akut gefährdet"
Jedes Jahr lädt die AfD in Münster zum Neujahrsempfang. Jedes Jahr stellen sich Teile der Münsteraner Bevölkerung dagegen. Doch dieses Jahr wollen sie noch mehr sein. Dafür haben auch Bürgermeister im Umland mobilisiert.
Schon im Januar waren sie 20.000 Menschen, die sich auf dem Prinzipalmarkt, mitten in der Innenstadt von Münster versammelt haben. Direkt vor dem Rathaus, in dem der Westfälische Frieden geschlossen wurde. Viele fühlen sich von der AfD provoziert, die dort ihren Neujahrsempfang abhalten will.
Heute wollen sie dagegen genau dort auf die Straße gehen - und noch mehr sein als je zuvor. Damit sie mehr sind, rufen auch gut 30 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Umland auf, in die Unistadt zu kommen. Aus Coesfeld, Olfen, Oelde, Warendorf und auch aus Havixbeck.
"Der Ton wird rauer", warnt Jörn Möltgen. Er ist Bürgermeister in Havixbeck, einer Kleinstadt im Münsterland mit gut 11.000 Einwohnern. "Wir wollen daher früh ansetzen und sagen: Hier gerät etwas ins Wanken."
Möltgen hat deshalb nicht lang gezögert. Er hat all seine Kolleginnen und Kollegen im Münsterland kontaktiert: mehr als 60 Bürgermeister. Sie alle sollten sich doch anschließen. Viele haben nicht lange überlegt.
Hakenkreuze an Windkraftanlagen
Von den Bürgermeistern, die zugesagt haben, gut die Hälfte, ist die Mehrheit zwar parteilos, doch trotzdem sind sie stolz darauf, parteiübergreifend an einem Strang zu ziehen. Sie werden sich heute vor der Demo in der Münsteraner Innenstadt treffen und ein Banner dabei haben, mit dem sie ganz bewusst sehr präsent ganz vorn stehen wollen.
"Unsere Demokratie ist akut gefährdet", fasst es Ostbeverns Bürgermeister Karl Piochowiak zusammen. Ostbevern ist ein weiterer Ort im Münsterland, der mitmacht. Piochowiak berichtet nicht nur von einem raueren Ton, der sich breit mache, sondern auch von sichtbaren Zeichen: Hakenkreuze an Windkraftanlagen. "Früher hat es sowas nicht gegeben", sagt Havixbecks Bürgermeister Möltgen.
Das Münsterland ist eine Region, in der die AfD keine große Erfolge feiert. In Münster kommt die Partei bei Wahlen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Das hat klare Gründe: "Ein Grund für den schwachen Stand der AfD ist die durchschnittlich hohe Bildung", erklärt Oliver Treib, Politikwissenschaftler der Universität Münster. "Münster ist natürlich als Unistadt mit all den Studierenden und auch als Arbeitgeber ein zentraler Ort."
Gefestigt in den Werten
Ein weiterer Grund, der auch für das Umland zählt, ist der Glaube und das, was Münsterländer mit Tradition verbinden. "Die Kirche als bindendes Element. Wenn auch die Kirche dann zum Protest aufruft, erreicht das mehr Leute als in anderen Regionen, in denen die Kirche keine große Rolle mehr spielt", so Treib.
Eine Region, die gefestigt sei in ihren Werten, sei auch eine Region, die wirtschaftlich als wohlhabend beziehungsweise sicher gilt. "Hier geht es den Leuten mehrheitlich gut. Münster ist eher von Zu- als von Abwanderung geprägt." In vielen Regionen, in denen die AfD stark ist, sind Abwanderungsbewegungen zu erkennen, wodurch Standorte unattraktiv und letztendlich wirtschaftlich schwach werden.
Auch im Münsterland Zulauf für die AfD
Trotzdem erfährt die AfD auch Zulauf im Münsterland. Trotz dieser Gründe, trotz der anhalten Proteste in ganz Deutschland. 1.050 Mitglieder habe die AfD derzeit im Regierungsbezirk Münster, berichtet die Partei dem WDR. Fast 50 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Auch das bewegt Jörn Möltgen, auf die Straße zu gehen. Der Bürgermeister aus Havixbeck weiß aber auch, dass Protest allein nicht hilft. "Ich überlege natürlich auch, wie ich die Bürgerinnen und Bürger mehr beteiligen kann", erklärt er. Damit Politik nicht über den Köpfen der Bevölkerung schwebe.
Eine seiner Ideen ist mehr Beteiligung in einem Bürgerhaushalt und somit an den Einnahme- und Ausgabeplänen der Kleinstadt. "So können wir uns auch wieder den Leuten nähern", sagt Möltgen.