Fußball-Europameisterschaft Ein sicheres Sommermärchen?
Metalldetektoren, Spürhunde und Flugverbotszonen: Die Fußball-EM ist eine sicherheitspolitische Herausforderung für die Behörden. Sie sprechen von einer angespannten Lage in Deutschland.
René Pflüger steht mitten auf dem Dortmunder Friedensplatz und blickt in die Ferne. "Ich freue mich einfach so sehr auf den Fußball", sagt der junge Dortmunder. Hier mitten in der Stadt werden die Spiele der Europameisterschaft (EM) begleitet, mit einem Public Viewing aller Begegnungen und am Abend mit Auftritten von Bands und DJs. "Ich werde auf jeden Fall beim Public Viewing sein. Das kann nicht sein, dass wir uns nicht mehr raustrauen. So weit kommt es noch!"
Pflüger wird einer von zwölf Millionen Fans sein, mit denen die Sicherheitsbehörden während der EM in den sogenannten Fanzones in Deutschland rechnen. 2,7 Millionen Menschen werden laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser als Zuschauer in den Stadien erwartet.
"Hundertprozentige Sicherheit kann es in einer freien Gesellschaft nie geben, aber wir tun unser Bestmögliches", sagt sie. "Unser Fokus reicht von der Bedrohung durch islamistischen Terrorismus über Hooligans und andere Gewalttäter bis hin zur Cybersicherheit", so die Innenministerin.
Keine konkreten Gefährdungshinweise
Auch wenn aktuell keine konkreten Gefährdungshinweise vorliegen, sind die Behörden in Alarmbereitschaft. "Wir haben derzeit ein enormes Grundrauschen, die Sicherheitsbehörden müssen alle Kanäle anzapfen, die sie haben, um vor die Lage zu kommen", sagt Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.
"Das wird eine herausfordernde Zeit", so Huth. "Auch weil wir uns immer wieder auf die Hinweise und Warnungen von anderen Nachrichtendiensten aus dem Ausland verlassen."
Huth spricht davon, dass sich das aktuelle Weltgeschehen auch auf den Straßen widerspiegeln würde: "Wir haben Krisen in der Welt, wie die Auseinandersetzung in Israel und im Gazastreifen, den Russland-Ukraine-Krieg, das Thema Cybersicherheit, all das kumuliert sich natürlich. Wir haben Radikalismus von allen Seiten, Angriffe auf Politiker. Das macht die Lage so prekär."
Für die EM simulieren die Behörden verschiedene Szenarien: Ausschreitungen mit gewaltbereiten Fans, eine große Zahl von Verletzten oder sogar einen Terroranschlag.
Lagezentrum der Polizei in Neuss
Wenn ab Freitag bei der Fußball-EM in Deutschland der Ball rollt, laufen in Neuss die Fäden für die Polizeiarbeit zusammen. Dort wurde das Polizei-Lagezentrum eingerichtet.
Der zentrale Raum des Zentrums in der Neusser Polizeischule ist fast so groß wie ein Fußballfeld, mit zehn Meter hohen Decken. 600 Beamte von LKA und Verfassungsschutz sowie Polizisten aus allen Teilnehmerländern arbeiten hier eng zusammen.
Die Teilnehmerländer der EM schicken Beamte, die über die nationalen Dinge und Gefährder informiert sind. Also zum Beispiel, auf welche Fans besonders geachtet werden sollte. "Sobald einer der internationalen Kollegen einen Hinweis auf einen Anschlag oder Gefährder bekommt, läuft das alles hier zusammen und wir können sofort reagieren", sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul. Die vielen Krisen in der Welt würden die Lage jetzt angespannter als beim letzten großen Turnier 2006 machen.
Urlaubssperre für Einsatzkräfte
Während der EM werden laut Reul alle Einsatzkräfte benötigt. "Wir haben eine Urlaubssperre angeordnet. Das wird kein Spaziergang", sagt der nordrhein-westfälische Innenminister.
Zu den Hauptaufgaben des Lagezentrums in Neuss gehören die Bekämpfung gewaltbereiter Fußball-Fans, die Abwehr von möglichen Terroranschlägen und der Schutz vor Cyberattacken. Denn wegen der Digitalisierung wachse gerade bei Sport-Großveranstaltungen auch das Risiko von Cyberangriffen. "Die Gefahr ist abstrakt hoch und wir nehmen sie ernst, damit aus abstrakt nicht konkret wird", sagt der Christdemokrat.
Die größte Gefahr geht laut Bundesinnenministerin Faeser von der Gruppe "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) aus. Die Terrororganisation ist ein Ableger des sogenannten "Islamischen Staats" (IS), stammt aus Afghanistan und wird unter anderem für den Terroranschlag mit mehr als 140 Toten auf eine Konzerthalle bei Moskau im März verantwortlich gemacht.
Grenzkontrollen und Flugverbote
Während der EM wird es Kontrollen an den deutschen Außengrenzen geben. Rund um die Stadien gelten während der Europameisterschaft Flugverbotszonen. Die Liste der Risiken ist lang, die Liste der Maßnahmen auch.
Faeser gibt sich selbstbewusst: "Wir sind sehr wachsam und gut vorbereitet. Unser ganzes Land kann sich auf ein großes Fußballfest mit Millionen Fans aus ganz Europa freuen."
Diese Freude will auch Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter teilen. "Ich kann nur raten, dieses Fußballfest zu genießen und die Öffentlichkeit nicht zu meiden", sagt Huth. "Denn das wäre genau das, was die Terroristen wollen. Wir sollten unsere Freiheit ausleben und uns nicht einschüchtern lassen."